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Zur Einordnung des Gedenkens an queere Opfer der NS-Zeit

Heute hat der Bundestag den queeren Opfern im Nationalsozialismus gedacht. So wichtig und richtig es ist, die Verfolgung homosexueller Menschen in der NS-Zeit rückwirkend zu verurteilen, so wichtig ist es, auch daran zu erinnern, dass homosexuelle Menschen nicht nur Opfer gewesen sind, sondern es auch einige LGBT-Personen gegeben hat, die begeistert vom Nationalsozialismus gewesen sind. Homosexuelle Menschen waren auch Täter.

Hier ein paar Beispiele.

Beispiel 1:

Im Jahr 1931 veröffentlichte die Homosexuellenzeitschrift "Der Eigene" einen Artikel von Prof. Dr. Georg Ravasini, Wien. Der Titel lautet "Die anthropologische Bedeutung der männlichen Kultur".

In dem Artikel führt Georg Ravasini aus, dass die Erforschung der "eugentischen Probleme", das grösste "Geschenk an eine Rasse inmitten des heutigen harten Kampfes ums Dasein" gewesen sei.

Er schreibt:

"Aus den langjährigen Forschungen und Studien für die Bearbeitung dieses großen Werkes, vielleicht meines Hauptwerkes, Geschichte und Lexikon zugleich, bin ich zu der tiefsten Ueberzeugung gekommen, daß ewige Gesetze die Weltentwicklung leiten, die Gesetze des Rassenkampfes, des Klassenkampfes und des Geschlechterkampfes, aber auch daß der Geschlechterkampf am wichtigsten ist, besonders heute, wo eine pathologische Massensuggestion die Werte der männlichen Kultur vernichtet hat. Diese Werte müssen wir uns wieder erobern, denn nur männliche Kultur bedeutet Auferstehung und Aufstieg für die ganze Gemeinschaft einer Rasse."


Beispiel 2:

Anneliese Kohlmann war 1944 Aufseherin im KZ Neuengamme und KZ Bergen-Belsen. Anneliese Kohlmann war lesbisch. Sie wurde wegen erfolgter Misshandlungen von Häftlingen im zweiten Bergen-Belsen-Prozess zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Wikipedia dazu:

"Bei den Häftlingsfrauen ihres Arbeitskommandos in Hamburg sei sie beliebt gewesen, obwohl sie auch zugeschlagen habe. Schließlich gab sie an, dass sie während ihrer Verlobung sexuelle Beziehungen mit Frauen gehabt habe. Zudem habe ihr die ebenfalls inhaftierte ehemalige Oberaufseherin Elisabeth Volkenrath erzählt, dass die Aufseherin Irma Grese ebenso ein lesbisches Verhältnis im KZ Auschwitz eingegangen sei. Von Misshandlungen lesbischer Frauen im Außenlager Neugraben habe sie nur vom Hörensagen erfahren."


Beispiel 3:

Hans Giese wurde 1950, im bundesrepublikanischen Deutschland, zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung gewählt. Giese war schwul und hielt noch ein paar Jahre zuvor, am 28. Januar 1944 - also zur Nazizeit, einen Vortrag zum Thema "Untersuchungen zum Wesen der Begegnung", in welchem er an die Ideen der Männerbünde anknüpft, die auch in Beispiel 1 durchblitzen. Nach der Nazizeit leitete er die Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung zusammen mit Hans-Bürger Prinz, einem ehemaligen Richter an einem NS-Erbgesundheitsgericht (also an einem Gericht, das u.a. für Zwangssterilisationen zuständig gewesen ist).


Beispiel 4:


Jutta Rüdiger, lesbisch, war von 1937 bis 1945 Reichsreferentin des Bund Deutscher Mädel (BDM) in der Reichsjugendführung (RJF) Berlin und eine der drei Präsidentinnen der europäischen Jugendverbände.

Sie schrieb 1984 in einem Buch (Der BMD, Eine Richtigstellung):

"Der BDM verstand und vermittelte unter »lebensgesetzlicher« (biologischer, nicht biologistisch-rassistischer) Weltanschauung folgendes: Es wurde versucht, in den ihm anvertrauten jungen Menschen die Verantwortung für das Weiterleben eines gesunden, schöpferischen Volkes zu wecken, das vor körperlicher und geistiger Zerstörung zu bewahren sei. Durch das Hinführen zu familiengeschichtlicher Arbeit wurden der Sinn für das eigene Herkommen, der Stolz auf Familienbegabungen, aber auch das Achten auf negative Familieneigenheiten, seelische und körperliche Gefährdungen geweckt; es wurde gezeigt, wie der einzelne eingebettet ist in die Kette der Geschlechter.

[...]

Die Anerkennung der biologischen, d.h. körperlichen und seelischen Verschiedenheit der Geschlechter bedeutete nicht den Rückfall in die frühere Einengung der weiblichen Persönlichkeit, in unberechtigte Vorurteile [...] sondern die Freiheit, sich gemäß der natürlichen Veranlagung und Begabung der Frau zu entfalten."
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Ein wesentliches Merkmal der Identitätspolitik ist es, Menschen in Identitäten einzuteilen und ihnen gewisse Etiketten anzuhängen (gerne auch biologisch begründet). Identitätspolitik trägt zur Verfälschung der Geschichte bei. Sie konstruiert homogene Opfergruppen und stellte diesen Gruppen andere (Täter-)Gruppen gegenüber. Diese unterkomplexe Sicht auf gesellschaftliche Strukturen, ist abzulehnen. Sie wird der Realität nicht gerecht. Und sie verhindert eine echte Auseinandersetzung mit den Ursachen von Verfolgung und Ausgrenzung.

Warum "Selbstbestimmung" alle angeht

Würde weniger Wert auf das Gendern - also auf die unterschiedliche geschlechtliche Behandlung von Menschen - gelegt werden, wäre es auch kein Problem, Menschen zuzugestehen, ihren Gender-Eintrag einfach ändern zu lassen (er hätte dann ja sowieso keine Bedeutung mehr, da alle Menschen gleich behandelt würden). Nur wer Menschen in unterschiedliche Sphären zuteilen will, braucht Gender.

Der Grund, warum wir uns - im übrigen schon vor allen anderen Initiativen, die diese Idee dann (zum Teil sehr schlecht) übernommen haben - dafür aussprechen, dass jeder Mensch selbstbestimmt seinen Geschlechtseintrag ändern lassen kann, ist nicht, dass wir damit die Genderei verstärken wollen, sondern das genaue Gegenteil: Wir wollen Medizinern und Psychiatern damit die Möglichkeit nehmen, weiterhin in Gender-Kategorien einzuteilen und erreichen, dass Menschen mit geschlechtlichen Variationen sich nicht mehr anhören müssen, sie hätten eine "Gender-Variation", wenn sie sich zu ihrem Geschlecht äussern. Davon würden aber alle Menschen profitieren, da die geschlechtliche Ungleichbehandlung von Menschen auch auf medizinischen Klassifizierungen basiert. Wer die Klassifizierungen nicht hinterfragt, lässt die Frage von Herrschaftspraxis offen.

Worum es den Initiativen, die auch so tun, als ginge es ihnen um "Selbstbestimmung", wirklich geht, erkennt man im übrigen daran, ob sie diese "Selbstbestimmung" einschränken wollen (durch Fristen, Bedingungen,... oder aber auch durch die Einschränkung auf bestimmte Zielgruppen wie z.B. "Transmenschen"). Auch der Hinweis auf angeblich wichtige Gender-Diagnosen und deren nachgeschaltete Beratungsstrukturen kann ein Indiz dafür sein, "Selbstbestimmung" nicht ehrlich zu meinen, sondern weiterhin geschlechtlich zuteilen zu wollen.