building responsive website

Es reicht! Die Unsichtbarmachung von Transsexualität muss enden.

50 Jahre nach dem Stonewallriots in New York City wird heute weltweit geleugnet, dass Körpermerkmale vom Geschlecht von Menschen abweichen können, also transsexuell sein können. Mittel der Leugnung sind Diagnosen wie "Geschlechtsinkongruenz" oder "Gender Dysphorie". Die Leugnung ist Teil einer patriarchalen Weltanschauung, in der Typen sagen wollen, wer andere Menschen sind. Es geht um das "Grab Them By The Pussy", den instutionalisierten Übergriff auf Körper und die Definitionsmacht über Geschlechterrollen.

Heute haben wir es mit genau dem Gegenteil zu tun, um was es den Menschen im Juni 1969 gegangen war: Selbstachtung, Würde, Freiheit und um Emanzipation. Eine LGBT-Community, die Stonewall feiert, aber zugleich Teil patriarchaler Unsichtbarmachungen ist, indem sie Transsexualität zu einer "Geschlechtsidentität" umdefiniert, wäre heute ein guter Grund, um erneut einen Stonewall Riot zu beginnen.

Wir haben genug von

  • faulen Ausreden, Abweichungen des Körpers zum Geschlecht (also Transsexualität) nicht zu benennen bzw. als existent anzuerkennen
  • der Umdeutung von Transsexualität zu "trans*" und einer Frage der Geschlechtsidentität
  • Komplizinnen der LGBT-Community, die medizinisch-psychiatrische Diagnosen wie "Gender Dysphorie" oder "Geschlechtsinkongruenz" bewerben (und somit an einer Umsetzung psychiatrischer Manuale arbeiten)
  • Monopol-Vereinen wie der BVT*, welche geeignet sind, patriarchalen Medizinern und Psychiatern den Zugriff auf Körper zu sichern
  • Politikerinnen, welche die Ansicht vertreten, dass Menschen mit Transsexualität nicht gehört werden müssen und glauben, es reiche aus, mit "Vertretern der trans*-Community" zu reden
  • Unsichtbarmachung von Transsexualität durch Transvestiten, Transgender-Personen, Crossdresser und andere binäre und non-binäre Gender-Performer der "trans*"-Community (je nachdem wie sie sich auch gerade nennen mögen)
  • Leuten, die nicht von LSBTTIQ sprechen können und das mit der Aussage begründen, "trans*" sei ein Überbegriff für alle Geschlechtsidentitäten
  • Derailing und Tone Policing als Mittel der Unsichtbarmachung von Anliegen
  • Gezielten Lügen, Falschbehauptungen und bewussten Manipulationen der Öffentlichkeit - sei es in Büchern, sozialen Medien oder in Gesprächen mit Entscheidungsträgern - über unsere Arbeit und unserem emanzipatorischen Selbstverständnis (Jeder Mensch kennt sein Geschlecht! Jeder Mensch braucht eine medizinische Versorgung ohne Geschlechterdeutung!)
  • Menschen, die unsere Forderungen und Anliegen nach Selbstbestimmung schlecht kopieren und sie dadurch (ob bewusst oder unbewusst) ins Gegenteil kehren
  • der Konstruktion von Identitäten und der Spaltung der Gesellschaft (Die Konstruktion von Identitäten ist Teil patriarchaler Gesellschaftskonzepte mit denen wir es gerade weltweit zu tun haben)
  • Menschen, welche eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Geschlechterdeutung verweigern und weiterhin die Körpermerkmale, die sie bei anderen Menschen sehen, als das "biologische Geschlecht" setzen
  • Lesben, die es zulassen, dass Frauen mit Körpervariationen auf Grund dieser Variationen geschlechtlich in Frage gestellt werden und sich damit zu Komplizinnen des Patriarchats machen
  • Pseudo-Feministinnen, die der Ansicht sind, lieber gegen Frauen mit Körpervariationen engagiert zu sein, anstatt sich für die Überwindung des Patriarchats einzusetzen (Wozu auch gehören würde, Körperdeutung als patriarchales Herrschaftsmittel zu verurteilen)
  • Schwulen, die Frauen mit Transsexualität für biologische Männer halten, die sich "als Frau fühlen" oder "als Frau identifizieren"
  • Oberflächlichen Medienleuten, welche Menschen in Drag ganz selbstverständlich in ihrer performten Rolle ansprechen, aber zugleich bei Menschen mit Transsexualität ihre Probleme damit haben, richtige Personalpronomen zu verwenden
  • Medizinern und Psychiatern, die nach Aussen so tun, als ginge es ihnen um die Hilfe der armen, armen "Trans*menschen", wobei bereits die Konstruktion von "Trans*menschen" geeignet ist, um damit richtig gutes Geld zu machen
  • Trans*-Szenegurus, welche die Rolle der trans*-Community-Vertretung gegenüber Entscheidungsträgern einnehmen, wohlwissend, dass Transsexualität keine Frage einer Community ist
  • Menschen, welche die patriarchale Weltanschauung, die Körperdeutung=Geschlecht setzt und das andere dann "Geschlechtsidentität" nennt, achselzuckend mittragen und durch ihre Passivität für die Zustände mitverantwortlich sind
  • Typen mit Hang zum Paternalismus, die glauben, dass sie als Supermänner stellvertretend für alle anderen Menschen sprechen können und damit einen 100 Prozent patriarchalen Ansatz verfolgen
  • Aktivistinnen, die der Ansicht sind, Menschen mit Transsexualtität, die für sich wissen, eine körperliche Behandlung zu benötigen, einzureden, solche Behandlungen nicht einzugehen (und sich damit verhalten wie religiöse Sektenangehörige)
  • Berlin - einer Stadt in der zu viele Menschen wichtig sein wollen und durch ihre nähe zur Politik viel zu viel Einfluss haben (was die Unsichtbarmachung von Transsexualität verstärkt hat)
  • Gerede über oberflächlichen Dingen wie dritten Toiletten und dritten Geschlechtseinträgen, anstatt sich inhaltlich konkret für die Überwindung patriarchaler Strukturen stark zu machen (wie die Überwindung der Kontrolle von Geschlecht durch die Psychosexologie, die Körper immer noch deutet)
  • dem fehlenden Diskurs über Transsexualität und der Verweigerung der Beantwortung der Frage, was es (für alle Menschen) bedeutet, wenn Körpermerkmale vom Geschlecht eines Menschen abweichen, solche Abweichungen aber gesellschaftlich gar nicht vorgesehen sind
  • Menschen, denen dieser Text zu lang gewesen ist und ihn deswegen gar nicht bis zum Ende gelesen haben


Fehlt etwas?

Rückblick zum L*FT 2019 in Köln

Vom 7. bis zum 10. Juni fand in Köln das Lesben*frühlingstreffen statt.

Ein Rückblick von Kim Schicklang.

Hier der Versuch, meine erste Teilnahme am Lesben*frühlingstreffen, welches dieses Jahr in Köln stattgefunden hat, zu skizzieren. Ich bin eingeladen worden von der BAG Lesben von ver.di Regenbogen, Bundesarbeitskreises LSBTTIQ. Und ich wurde vorgewarnt. Es soll bei diesem Treffen auch radikale Lesben geben, die Frauen mit Transsexualität entweder als Männer ansehen, oder zumindest als "männlich sozialisiert". Ich halte diese Einstellung für eine Komplizinnenschaft des Patriarchats. Menschen auf Grund körperlicher Merkmale Kategorien zuzuteilen und daraus dann Identitäten zu konstruieren ist ein Herrschaftsinstrument. Ein sehr zweifelhaftes. Denn es ändert nicht die (be-)herrschenden Zustände, sondern bestätigt diese.

Ja, diese Menschen waren vor Ort. Gefühlt handelt es sich um ein gutes Drittel. Ich spüre, dass ich gar nicht chronologisch beschreiben will, was im Einzelnen auf diesem L*FT geschehen ist. Sondern ich möchte ausdrücken, wie ich mich gerade fühle.

Ich fühle mich wie eine deutsche Frau mit dunkler Hautfarbe, die auf einem Treffen der Deutschen teilgenommen hat und sich die anwesenden Deutschen nicht einig darüber sind, ob "Afrikaner" auf diesem Treffen teilnehmen sollen, oder nicht. Ich möchte diese Analogie weiter führen. Hätte jemand irgendwo einen Antrag gestellt, dass an Workshops explizit nur als "weiss sozialisierte Deutsche" teilnehmen dürfen, würde jeder es als skandalös empfinden - ausser vielleicht in Zusammenkünften von Rechtsextremisten. Es wäre nicht minder skandalös, wenn diese "Deutschen" dann als "Afrikaner" bezeichnet würden und ihnen die Frage gestellt würde, warum sie überhaupt an einem Treffen der Deutschen teilnehmen wollen.

Ja, ich halte einige der Lesben, die am Lesben*frühlingstreffen teilgenommen haben, für Komplizinnen. Sie sind Komplizinnen einer Welt, in der Menschen Menschen anhand von Körperzuständen bewerten, kategorisieren, zuteilen und daraus dann eine Frage der Identität machen. Ich empfinde es als schwierig das mit einem Anspruch in Übereinkunft zu bringen, feministisch zu handeln. Angesichts dessen, dass der patriarchale Rollback mit Trump und anderen Rechtsradikalen (wie einer rechtsextremen Kirche) ziemlich deutlich spürbar ist und die Politik dabei ist, Gleichstellungsrechte abzuschaffen - sichtbar auch an den Gesetzgebungen in den U.S.A. zu Abtreibungsregelungen - und die medizinisch-psychiatrischen Tools immer noch genutzt werden, um Menschen, die nicht der Norm entsprechend zu den Anderen zu erklären, wie beispielsweise an den Worten "Transmenschen" oder "Intermenschen" erkennbar, empfinde ich Diskussionen über Identität als Ablenkung von den Themen, um die es eigentlich gehen sollte.

Meiner Ansicht nach ist die wichtigste Fragestellung zur Zeit folgende: Welche konkreten politischen Massnahmen sind notwendig, um die Weltanschauung der instituationalisierten und staatlich legitimierten geschlechtlichen Deutung wegzukommen, diese als Menschenrecht verletzend anzusehen und eine Welt zu erarbeiten, in der anerkannt wird, dass Menschen ein besseres Wissen über ihr Geschlecht haben, als alle Aussenstehenden?

Mich irritiert es sehr, dass auf einem Lesben*frühlingstreffen Menschen sich "radikal feministisch" nennen können, die diese Fragestellung nicht als zentral ansehen oder zumindest in ihrem Handeln nicht erkennen lassen, das dies so ist.

Dennoch möchte ich den Frauen danken, die mich eingeladen hatten. Ich möchte auch den Menschen danken, mit denen Gespräche möglich waren und die mir das Gefühl gaben, dass sich möglicherweise dennoch etwas weiter entwickelt. Und ja, die Organisatorinnen in Köln, welche ausdrücklich alle Lesben einluden, waren toll! Es ist nur so: Diese Identitätskategorisierungen des gefühlten Drittels der anwesenden Personen wirken - leider - doch sehr stark nach. Das soll nicht heissen, dass es nicht auch positive Begegnungen gegeben hätte.