Eine "Geschlechtsidentität", englisch "gender identity", im eigentlichen Sinne gibt es nicht bzw. Beschreibt lediglich den Glauben an Geschlechtsrollenstereotype. Der Begriff wurde 1966 von John Money, einem Sexologen an der Johns-Hopkins-Universität (Balimore, USA) eingeführt, um damit u.a. die Phänomene geschlechtlicher Abweichungen besser erklären zu können. So ging er davon aus, dass beispielsweise transsexuelle Menschen sich - auf Grund einer "gender identity disorder" mit der entgegengesetzten "Geschlechtsrolle" (gender role) identifizieren. Er nahm dabei an, dass es etwas wie eine "typische" und "atypische Geschlechtsidentität" gibt. Da die Unterscheidung zwischen einer typischen und atypischen Geschlechtsrolle aber lediglich auf Stereotypen basiert und nicht berücksichtigt, dass in Wirklichkeit alle Menschen von diesen (gesellschaftlich gemachten) Stereotypen abweichen, darf dieser Erklärungsversuch von Transsexualität heute als gescheitert gelten.
"Geschlechtsidentitätsstörungen" gibt es nicht. Zwar gibt es Bücher, in denen von "gender identity disorders" die Rede ist, wie z.B. den DSM, das Manual der psychischen Störungen - die Existenz von Geschlechtsidentitätsstörungen ist aber nicht wissenschaftlich bewiesen. Ähnlich wie einst Homosexualität als psychische Störung ("sexuelle Orientierungsstörung") angesehen wurde, dient der Begriff "Geschlechtsidentitätsstörung" lediglich dazu, transsexuelle Menschen als "psychisch gestört" zu erachten, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht sind. Grundlage für die Idee der "Geschlechtsidentitätsstörungen" ist ein Weltbild, in dem davon ausgegangen wird, dass es so etwas gibt, wie ein angeborenes, dem angeblich "biologischen Geschlecht" innewohnenden und damit geschlechtstypisches Geschlechtsrollenverhalten. Geschlechtsuntypisches Verhalten sei an der Wahl der Kleidung, der Wahl des Spielzeugs oder der Wahl der Spielkameraden abzulesen. Kinder die sich "geschlechtsatypisch" verhalten, seien dieser Ideologie nach "geschlechtsidentitätsgestört" und würden später "homosexuell" oder "transsexuell" werden. Diese geschlechtsstereotypen Vorstellungen werden mittlerweile von vielen Menschenrechtsorganisationen kritisiert.
Was ist "Gender Disphorie"?
Der Begriff "gender dysphoria syndrome" wurde Anfang der 70er Jahre von Norman M. Fisk, einem US-amerikanischen Mediziner in den medizinischen Diskurs eingeführt. Fisk verstand transsexuelle Menschen als nicht-existent, sondern verstand ihre geschlechtlichen Selbstäusserungen (beispielsweise die Äusserung "ich bin eine Frau" von einer transsexuellen Frau) als Wunsch, eine andere geschlechtliche Rolle wahrzunehmen. Dieser Wunsch, so Fisk, drücke sich beispielsweise durch Kleidungsvorlieben und Verhalten aus. Zu den Menschen mit "gender dysphoria" zählte Fisk nicht nur transsexuelle Menschen, sondern auch effeminierte (also sich "weiblich" verhaltende) Homosexuelle, aber auch Transvestiten.
Transsexualität hat mit "Gender Disphorie" nichts zu tun. Transsexualität ist eine in der Natur vorkommende geschlechtliche Abweichung und wäre selbst ohne "Identität" vorhanden. Die Vermischung und Verwechselung des Begriffes "gender identity" (Geschlechtsidentität), den John Money eingeführt hatte, mit einer Selbstaussage eines Menschen über sein eigentliches Selbst führt bis heute zu massiven Menschenrechtsverletzungen an Menschen, die von geschlechtlichen Abweichungen betroffen sind. Der Begriff "Gender Disphorie", unter dessen Etikett transsexuelle Menschen bis heute als nicht-existent erachtet werden, ist Teil und Basis dieser Menschenrechtsverletzungen.
Der Begriff wird in jüngster Zeit als Werbemassnahme einer psychopathologisierenden Sexologie verwendet, um von den Menschenrechtsverletzungen an Menschen mit geschlechtlichen Abweichungen wie transsexuellen Menschen abzulenken. Da die Sexologie Pläne hat, den Bereich des DSM, dem Buch der psychischen Störungen, in welchem es um geschlechtliche Besonderheiten geht, wieder zu erweitern (Homosexualität wurde in den 70er-Jahren ursprünglich aus diesem Buch gestrichen) ist diese Werbemassnahme, die der Erweiterung der Psychopathologisierung dient, als transsexuellenfeindlich und homophob anzusehen.
Was ist ein "psychisches Geschlecht"?
Die Formulierung "psychisches Geschlecht" stammt aus der Psychologie und dient Menschen, die geschlechtliche Abweichungen wie Transsexualität als nicht-existent erachten, bis heute als Legitimation der geschlechtlichen Fremdbestimmung. "Psychisches Geschlecht" ist im Zusammenhang mit dem psychopathologisierenden Begriff "Gender Dysphorie" zu sehen, der ähnlich gemeint ist. So behaupten heteronormative Sexologen bis heute, ein transsexueller Mensch sei "biologisch eindeutig" und "fühle sich wie" das eine oder andere (oder ein drittes) Geschlecht. Dieses Gefühl beschreiben diese Personen als "psychisches Geschlecht" um transsexuelle Menschen als nicht-existent zu definieren.
Richtig ist, dass Transsexualität eine in der Natur vorkommende geschlechtliche Abweichung darstellt und mit so etwas wie einem "psychischen Geschlecht" wenig zu tun hat. Zwar spielt die Psyche eine Rolle beim Coming Out eines transsexuellen Menschen - dieses Sich-Selbst-Erkennen bzw. dieser Entfaltungsprozess ist aber vielmehr das Entdecken eines geschlechtlichen IST-Zustandes, der vorher bereits vorhanden war und den sich ein transsexueller Mensch während des Coming-Outes eingesteht.
Ist Transsexualität eine Frage der Identität?
Transsexualität ist primär keine Frage der "Identität", sondern eine geschlechtliche Variation. Ein transsexueller Mensch kann sich seiner "Entgegengeschlechtlichkeit" (Übersetzung des Wortes "Transsexualität") bewusst sein, oder nicht. Während des Coming-Outes wird sich ein transsexueller Mensch über sich Selbst bewusst.
Ist der Begriff "Transgender" nicht ein Oberbegriff der auch transsexuelle Menschen beinhaltet?
Nein. Der Begriff "Transgender" wurde in den 70er-Jahren von einem Vollzeit-Transvestiten eingeführt, um sich vor transsexuellen Menschen abgrenzen zu können. "Trangender" bezieht sich auf die geschlechtliche Rolle, die ein Mensch wahrnimmt. So definieren sich "Transgender-Personen" vorwiegend über das soziale Geschlecht und den geschlechtlichen Ausdruck. Viele transsexuelle (also entgegengeschlechtliche) Menschen legen dagegen keinen Wert darauf, eine bestimmte geschlechtliche Rolle wahrzunehmen, sondern wollen vorallem ihren Körper spüren können und streben daher in erster Linie körperliche Korrekturen an. Dennoch gibt es Schnittmengen, besonders dann, wenn transsexuelle Menschen mit Bereichen konfrontiert werden, in denen Geschlechtsrollen gesellschaftlich hoch gehalten werden, beispielsweise dort, wo es um die Änderung von Geschlechtseinträgen geht. In Gesellschaften, in denen stereotype Geschlechterklischees existieren leiden sowohl Transgender als auch transsexuelle Menschen unter Diskriminierungen (wenn auch unterschiedlicher Form von Diskriminierung). Die deutsche Übersetzung von "Transgender" ist "Transidentität".