ATME reicht Menschenrechtsbericht bei den Vereinten Nationen ein

Bestehende Klassifikationssysteme und Gesetze verhindern nicht nur eine menschenrechtskonforme Behandlung transsexueller Menschen, sondern führen immer wieder zu Verzögerungen bei der medizinischen Behandlung. Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. mahnt in dem Menschenrechtsbericht "Transsexuelle Menschen in Deutschland 2010" genau diese Situation an, und führt zahlreiche Verstösse der Bundesrepublik Deutschland gegen den sogenannten "Sozialpakt" auf.

Transsexuelle Menschen sind nicht geisteskrank, sondern von körperlichen Abweichungen zum eigentlichen Geschlecht betroffen. Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht fordert die Anerkennung dieses Umstandes und der Konsequenz die sich daraus ergibt: die Abschaffung des bisherigen sogenannten "Transsexuellengesetzes", und die Einführung der Möglichkeit seinen Personenstand ohne Vorbedingungen wie Gutachten, Wartezeiten oder medizinischen Massnahmen (beispielsweise bereits erfolgten Operationen) umgehend ändern lassen zu können. "Dies ist die Grundvoraussetzung dafür, um überhaupt neue medizinische Klassifikationen einführen zu können, die medizinische Leistungen für transsexuelle Menschen sicher machen", meint Kim Schicklang, die erste Vorsitzende von ATME. "Erst dann, wenn ein anerkannt ist, dass transsexuelle Menschen eine in der Natur vorkommende geschlechtliche Variation darstellen, kann diesen Menschen auch richtig geholfen werden".

Bislang werden beispielsweise transsexuelle Frauen von der Medizin nicht als Frauen, sondern als "Männer mit Identitätsstörung" angesehen. Deswegen können medizinische Massnahmen wie Hormontherapie, Bartentfernung und Operationen immer noch von den Krankenkassen oder Medizinern verzögert werden. "Auch wenn es Menschen gibt, die hier schnell durch die Verfahren kommen, so gibt es aber auch immer wieder Fälle, in denen transsexuelle Menschen jahrelang darauf warten müssen, um überhaupt körperlich behandelt zu werden", so Kim Schicklang. "Dies liegt daran, dass manchmal so lange gewartet wird, bis ein transsexueller Mensch auf Grund dieser Wartezeiten die Depressionen hat, die er am Anfang gar nicht hatte. Wirkt dieser Mensch dann nach ein paar Jahren endlich so identitätsgestört, wie es die bisherigen Klassifikationen verlangen, dann erst zeigen sich viele Kassen und Psychiater gnädig. Wer Glück hat, wirkt am Anfang der Verfahren bereits gestört genug, dann geht es schneller". Ein Zustand, der alles andere als sinnvoll ist, weder für die Patienten, da hier psychische Störungen erzeugt werden, die zu Beginn der Behandlung gar nicht vorhanden waren, noch für das Gesundheitssystem, dass diese langen psychiatrischen Verfahren ja irgendwie bezahlen muss.

Der Menschenrechtsbericht 2010 fordert die Vereinten Nationen dazu auf, die Bundesrepublik Deutschland daran zu erinnern, dass Deutschland bereits 1968 den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unterzeichnet hat und seit 1976 völkerrechtlich an den Pakt gebunden ist. Deutschland verstösst laut ATME somit seit über 30 Jahren gegen geltendes Recht, wenn es um transsexuelle Menschen geht, insbesondere gegen Artikel 12 des Sozialpaktes, der das "Recht auf höchstmögliche körperliche und geistige Gesundheit" und das "Recht auf medizinische Versorgung für jedermann" regelt.

Download:

Menschenrechtsbericht 2010