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Wie die Grünen die Anerkennung des Geschlechts einschränken wollen

Zu der Sache mit der Reform bzw. Abschaffung des TSG. Es gibt ja Menschen, die meinen, man müsse nun vor der Bundestagswahl noch eine Menge Wind machen und eine Neuregelung noch vor September durchboxen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Eine ernsthafte Neuregelung in Sachen Geschlechtsanerkennung kommt lieber heute als morgen. Wir sollten dann aber dennoch genauer hinsehen. Das deutsche Institut für Menschenrechte hat im Auftrag der IMAG (Interministerielle Arbeitsgruppe) ja einen tollen Vorschlag für ein Gesetz formuliert. Der Gesetzestext wäre kurz und enthält alles, was nötig ist, um die Papiere korrigieren zu lassen.

Es existiert nun ein konkreter Gesetzesvorschlag der Grünen, aber...

Der Entwurf der Grünen schränkt den Vorschlag des Deutschen Instituts für Menschenrechte ein. So heisst es beispielsweise zu Kindern: "Dem Antrag ist eine Bescheinigung über eine getrennt voneinander durchgeführte Beratung nach § 5 Absatz 5 beizufügen."

Die Beratungsstellen werden dann in § 5 weiter ausgeführt. Die Beratung bezieht sich auf "Fragen der Geschlechtsidentität" und es soll eine "Aufklärung über die Geschlechtsidentität, die vom bei der Geburt vorgenommenen Geschlechtseintrag abweichen und im Einklang oder im Widerspruch mit den körperlichen Merkmalen empfunden werden kann" stattfinden (bei Kindern wohl verpflichtend, bei Erwachsenen dann freiwillig). Betratungsstellen sollen "Erfahrungen mit Geschlechtsidentität haben, die vom bei der Geburt vorgenommenen Geschlechtseintrag abweicht oder im Widerspruch mit den körperlichen Merkmalen empfunden wurde oder wird."

UM ES GANZ DEUTLICH ZU SAGEN:

Wir lehnen die Einschränkung der Menschenrechte, die hier durch die Grünen vorgenommen werden soll, ab! Nachdem ein von uns zu 100 Prozent unterstützbarer Gesetzesentwurf des Deutschen Instituts für Menschenrechte vorliegt, ist es nicht ersichtlich, warum die Grünen hier das, was das DIMR erarbeitet hat in ihrem eigenen Entwurf einschränken wollen und damit die Verknüpfung von Gender-Identität und Anerkennung des Geschlechts, die ja bereits im TSG das eigentliche Problem gewesen ist, durch die Hintertür wieder einbauen wollen.

Das Transsexuellengesetz war deswegen ein Problem, weil hier Geschlechtsidentität begutachtet worden ist. Die Menschenrechtsverletzungen basieren auf der Vermischung von Rolle/sozialem Geschlecht (Gender), Selbstaussage und der Nicht-Anerkennung körperlicher Variationen.

Warum wollen die Grünen diese Menschenrechtsverletzungen nicht abschaffen, sondern lediglich remixen?

Das geht so nicht.

Wir fordern daher alle Beteiligten auf, Gesetzesvorhaben dann zu unterstützen, wenn sie sich an dem weitreichenden Entwurf des Deutschen Instituts für Menschenrechte orientieren und die Ideen, welche eine EInschränkung der Anerkennung des Geschlechts von Menschen bedeuten würden, abzulehnen.

Wir wollen eine Reform, die den Namen verdient, nicht ein "weiter so". Und wenn das "weiter so" dann noch vor der Wahl durchgedrückt werden soll, ist das ein starkes Stück.

Quellen:

Entwurf des Deutschen Instituts für Menschenrechte
http://atme-ev.de/texte/TSG-Reform_DIMR.pdf

Entwurf der Grünen
http://atme-ev.de/texte/TSG-Reform_GRUENE.pdf

958. Sitzung des Bundesrates - Aufhebung des TSG

Heute findet die 958. Sitzung des Bundesrates statt. In Top 23 geht es um eine "Entschließung des Bundesrates zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes" und der Einführung eines Gesetzes "zur Anerkennung der Geschlechtsidentität".

Das ist grundsärtzlich erst einmal schön. Wir haben ja gesagt, dass wir gut finden, die Verfahren zu vereinfachen. Die Begutachtungen abzuschaffen, forderten wir bereits 2008 und waren mit dieser Forderung damals ziemlich alleine. Die Begründung für die Abschaffung des TSG zeigt aber: Verstanden, worum es geht, haben diejenigen, die diesen Antrag einbringen immer noch nicht... anstatt anzuerkennen, dass es Menschen gibt, die auf Grund ihrer körperlichen Variationen einen falschen Geschlechtseintrag erhalten haben, wird die Abschaffung des TSG und der bisherigen Begutachtungsverfahren damit begründet, dass neben "den Geschlechtskategorien Mann und Frau" noch andere "Geschlechtsidentitäten" existierten.

Nein, darum ging es uns nicht, als wir 2008 die Abschaffung der Begutachtung forderten. Es ging einfach nur darum, Menschen in ihrem Geschlecht anezuerkennen, welche die falschen Papiere erhalten haben (auf Grund körperlicher Merkmale) und daher bis heute eine medizinische Behandlung verweigert bekommen, die ohne Gender-Deutung auskommt. Beispiel: Frauen mit vermännlichten Körpern als "Männer, die sich fühlen wie Frauen" ("Geschlechtsidentität") zu behandeln, ist eine Menschenrechtsverletzung. Darum ging es.

Damit ist "Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität" auch etwas anderes als ein "Gesetz zur Anerkennung des Geschlechts" (was auch durch Änderung der Personenstandsgesetze erfolgen könnte).

Es ist sehr ärgerlich, dass ein wichtiges Anliegen, wie Menschen in ihrem Geschlecht anzuerkennen mittlerweile überlagert wird, von Diskussionen um "Lebensentwürfe" und "Geschlechtsidentitäten".

Dennoch hier einmal die Übersicht:

TOP 23
362/17 Entschließung des Bundesrates zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes sowie zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung

Mehr:

http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/958/tagesordnung-958.html
http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/958/erl/23.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Update: Dem Antrag wurde zugestimmt.