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Ein Brief an Anike Krämer

In den letzten Jahren hat sich etwas verändert. Eine emanzipative Bewegung, welche geschlechtliche Zuweisungen kritisiert hatte, wurde vielerorts zur identitären Bewegung, die von "Transgeschlechtern" und "Intergeschlechtern" spricht. Auch in Genderforschung gibt es Studien und Veröffentlichungen, in denen so getan wird, als gäbe es neben "Frauen" und "Männern" noch weitere Geschlechter. Wir halten das für eine geschlechterpolitische Sackgasse.

Ein Brief an Anike Krämer, M.A. Sozialwissenschaft. Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Professur für Gender Studies in Bochum.
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Liebe Anike Krämer,

Identität meint ja die Identifizierung mit einem sozialen Etwas. Ich kann eine nationale Identität entwickeln und sagen "ich bin deutsch" und daraus dann ableiten, dass die, die nicht deutsch genug sind, keine Deutschen sind. Identität bezieht sich auf homogene Massen, die - und das ist das Problem damit - nie homogen sind. Deswegen braucht Identität künstliche Symbole, Riten, Verhaltensregeln, etc. Zu diesen Codes, Symbolen und Verhaltensregeln gehört in Bezug zu Geschlecht, also wenn wir über "Geschlechtsidentität" sprechen, dann Genderstereotype (Frauen bügeln, Männer schrauben an Autos herum, Mädchen mögen rosa, Jungs mögen blau). Um Identität zu konstruieren, wird dann meistens ein Begriff, eine Bezeichnung verwendet. Die wäre dann bei Geschlecht z.B. "Frau" oder "Mann"... aber eben auch "Intergeschlecht" oder "Transgeschlecht".

Wenn wir uns aber mit der nicht-identitären Welt beschäftigen dann sehen wir, dass Menschen ganz unterschiedlich sind und diese von den konstruierten Identitäten gerne mal abweichen. Ein "Deutscher" spricht gerne mal unterschiedliche Sprachen, die sich von Dorf zu Dorf unterscheiden, in den Grenzregionen gibt es Überlappungen, es gibt Kinder von Migranten, usw. und so fort. Und bei Geschlecht verhält es sich ähnlich. Frauen haben nicht immer die Figur, die als "Frauenfigur" gerade in ist, nicht jeder Mann trägt Bart, etc.

Milton Diamond hat einmal gesagt, dass die Natur Vielfalt liebt, die Gesellschaft diese aber hasst. Dieser Satz beschreibt ziemlich genau die Konfliktline. Wenn Menschen mit Körpern geboren werden, die von der Norm abweichen, dann ist nicht der Körper das Problem, sondern die Norm. Die biologische Realität ist ja da - die Norm (bzw. Identität) wird kulturell erst geschaffen. Dazu kommt: Fast alle Menschen haben Variationen des Körpers. Bei manchen Menschen sind diese Variationen nur gering, bei manchen sind diese Variationen so gross, dass diese für einen Aussenstehenden als unpassend bewertet werden. Dies geschieht, wenn der Mediziner sich einen Körper ansieht und sagt "das Geschlecht ist uneindeutig". Und das, obwohl ein Mensch einen eindeutigen(!) Körper mitbringt - der Körper ist ja, was dieser ist.

Wenn nun die Zuweisung durch Aussenstehende getroffen wird, und gesagt wird "das Geschlecht ist uneindeutig, der Mensch ist also intergeschlechtlich", dann handelt es sich um eine Zuweisung, die auf Identität basiert, also einer künstlich geschaffenen, menschengemachten Norm.

Was wir in den letzten Jahren erlebt haben ist, dass Menschen darauf hingewiesen haben, dass solche Normzuweisungen schreckliche Folgen haben können wie z.B. Operationen an Neugeborenen, um diese einem Geschlecht zuzuordnen. Nun kommen wir aber nicht weiter, wenn wir die einen Zuweisungen durch neue Zuweisungen ablösen. Wenn ein Mensch mit körperlichen Variationen geboren wurde - oder besser: wenn ein Mensch weiss, dass sein Körper für ihn Abweichungen mitbringt - dann ist das einzige was hilft, den Blick bzw. die Perspektive der Deutung zu ersetzen durch eine Perspektive, die vom jeweiligen Menschen an sich ausgeht. Und das würde heissen, dass Frauen mit intersex-Diagnose eben nicht "intergeschlechtlich" sind, sondern Frauen, insofern sie genau dieses Wissen äussern. Diese Frauen dann zu "Intergeschlechtern" umzudeuten oder zu "Transgeschlechtern" basiert auf der Idee, Geschlecht zu normieren und geschlechtliche Deutung als wichtiger zu erachten, als die Selbstaussage von Menschen... oder, wenn wir so wollen: dieser Gedanke basiert darauf, "Identität" zu konstruieren, anstatt Menschen abzunehmen, dass sie wissen, wer sie sind.

Jemandem ein "Intergeschlecht" oder ein "Transgeschlecht" zu unterstellen, ist eine geschlechtliche Zuweisung. Dabei gäbe es gar keinen Grund dazu, solche Zuweisungen zu betreiben. Sie können mir ja gerne mal erklären, warum es nicht möglich sein soll, Menschen in ihrer Selbstaussage über ihr Geschlecht (was mehr ist als eine "Geschlechtsidentität") ernst zu nehmen und das dann zur Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen zu machen. Diese Konsequenz erwarte ich von Menschen, die sich mit Fragen geschlechtlicher Zuweisungen beschäftigen um so mehr.

Schöne Grüsse,

Kim Schicklang

Rechtsruck? Wo der wohl herkommt?

Viele wundern sich ja, wo nun der sogenannte "Rechtsruck" bloss hergekommen ist. Wir haben dazu eine ganz einfach Erklärung. Menschen mit Transsexualität stehen quasi als ziemlich gutes Beispiel dafür, was Politik, die so tut, als sei sie links, falsch gemacht hat.
 
1. Es wird in Berlin geklüngelt
 
Es ist schön, dass von Demokratie geredet wird und davon gesprochen wird, dass Menschen sich einfach mehr beteiligen sollen. Was erleben transsexuelle Menschen? Sie konnten erleben, wie sie von 5-10 Personen und Berliner Vereinen in den letzten Jahren über den Tisch gezogen wurden. Diktatorisch würde schon vorab bestimmt, wer die Strippenzieher in Sachen "Trans*identitäten" sein sollen. Auf dem Podium sassen immer dieselben 5-10 Personen, die sich seit Jahren die Gelder zuschieben. Apropos "Trans*Identitäten". Da wären wir beim nächsten Punkt.
 
2. Transsexualität wird autokratisch zur "Trans*identiät" erklärt
 
Menschen, die ein primär körperliches Thema hatten wurden - ohne dass sie gefragt gewesen wären - umgelabelt in Menschen mit Gender-Identitätsthema. Menschen mit Transsexualität und Intersexualität wurden damit in Geiselhaft genommen, ihre Anliegen missachtet und versucht ihre Stimmen unhörbar zu machen.
 
3. Die Menschenrechtsverletzungen wurden nicht beendet, sondern modernisiert
 
Die Vermischung von Körperthemen mit "Gender Identität" ist - das haben wir mehrfach belegt - der Kern der Menschenrechtsverletzungen an Menschen mit körperlichen Variationen. Die Vermischung ist aber zugleich ein ziemlich gutes Geschäft. Ein ganzer psycho-sexologischer Industriezweig hält sich damit am leben, dass er das Geschlecht von anderen Menschen deutet. Nicht nur, dass dies eine gute Einnahmequelle darstellt... zugleich lässt sich damit auch prima Macht über andere ausüben. Menschen mit körperlichen Variationen bieten sich dafür - da sie bis heute als nicht-existent gelten und ihnen fundamentale Rechte verwehrt werden - super an. Die Politik hat hier die Menschenrechtsverletzungen der Psychosexologie nicht beendet, sondern sie lässt sich weiterhin von dieser beraten bzw. arbeitet mit ihr zusammen.
 
Zusammengefasst: Wir sind keinen Schritt weiter - ausser, dass ein korruptes Netzwerk von Leuten, die von niemandem gewählt wurden und die dennoch meinen, sie könnten für Menschen mit körperlichen Variationen sprechen, sich schöne Posten und Gelder gesichert hat. Würde das dann wenigstens dazu führen, dass die Menschenrechte von Menschen mit Trans- und Intersexualität Erwähnung finden, könnten wir sogar darüber hinwegsehen - wenn aber dann das Geld, die Posten und eine Fahrkarte der Berliner Verkehrsbetriebe dazu genutzt wird, Menschen mit Transsexualität unsichtbar zu machen, ihre Themen zu verschweigen und die, die dann sagen "Sprecht bitte von LSBTTIQ" mit einer kalten Schulter abserviert werden und weiterhin ein T weggelassen wird...
 
...dann liebe Politik kommen sich ziemlich viele Leute ziemlich veräppelt vor.
 
Warum soll aber jemand Parteien wählen, die einen veräppeln?
 
Klar kann man sich da schon rausreden uns sich vormachen, dass dieser seltsame Menschenrechtsverein namens ATME hier unfeine Dinge äussert. Aber: Was bringt das denn? Offenbar gibt es da ein Problem bei Euch. Wenn ihr genauso desinteressiert, ignorant und berlin-verklüngelt mit anderen Themen umgegangen seid, dann könnten einige Menschen zusammen kommen, die ähnlich verärgert sind. Und das wirkt sich auch in Wahlen aus.
 
Darum: Bitte einfach mal darüber nachdenken. Und dann: ändern.
 
P.S. Wer denkt: "Menno, da pauschalisiert ihr aber" kann uns gerne einen Text der Bundesregierung der letzten 4 Jahre heraus suchen, in denen Transsexualität nicht zu "Transidentität" umdefiniert wird und daraus eine Frage der "Gender Identity" gemacht wird.
 
P.P.S. Identitäten zu konstruieren und Menschen zu spalten ist übrigens keine linke Politik. Das als Ergänzung.