building responsive website

Warum "Geschlechtsidentität" die Anerkennung von Transsexualität verhindern kann

Wir haben einen Text gefunden. Er stammt von Michael Drogand-Strud, dem Vorstand der BAG Jungenarbeit und LAG Jungenarbeit in NRW. Es ist ein Text der gut geeignet ist, um zu verdeutlichen, warum "Geschlechtsidentität" (und in Folge auch "Trans*") ein Mittel sein kann, um Transsexualität nicht anerkennen zu müssen.

"Jungen wie Mädchen werden entsprechend des biologischen Geschlechts mit bestimmten Erwartungen konfrontiert, sich gemäß einer „weiblichen“ oder „männlichen Norm zu verhalten. [...] Ein differenzierter Blick auf Jungen und Mädchen verdeutlicht, dass nicht von dem  Jungen bzw. dem  Mädchen gesprochen werden kann , dass Jungen und  Mädchen keine in sich geschlossenen homogenen Gruppen bilden , sondern sich in den Gruppen sehr voneinander unterscheiden. Anders gesagt, findet man weder bei Mädchen noch bei Jungen starre Muster von „Weiblichkeit“ oder „Männlichkeit“, sondern widersprüchliche und ungefestigte geschlechtstypische Identitäten, die sich individu ell äußern. Jedoch lässt sich neben der Differenz und Vielfältigkeit auch eine Gleichheit innerhalb der Differenz nachweisen , die sich durch ähnliche Muster in den  Sozialisationsbedingungen und Lebenslagen zeigen."
(Quelle: Grundlagen geschlechtsbezogener Pädagogik, Von Michael Drogand-Strud)  

Mit "Geschlechtsidentität" ist in dem Text gemeint, dass diese vom biologischen Geschlecht abweiche und nicht alle biologischen Jungs und Mädchen, sich auch analog ihrer biologischen Geschlechtes identifizierten. Der Text ist deswegen interessant, da er zeigt, wie "Geschlechtsidentität" in der Praxis verstanden wird. "Geschlechtsidentität" meint nicht das Geschlecht, sondern eine Abweichung der Identität zum Geschlecht.

Diese Sichtweise ist für Menschen mit Transsexualität fatal. Denn sie macht aus dem Wissen über das eigene Geschlecht und einer Aussage wie "ich bin eine Mädchen" eine Aussage eines Menschen, der nach Definition kein Mädchen ist, aber sich so äussert. Dies wird dann gerne auch als "Trans*" oder "Trans*identität" bezeichnet.

Es ist leider so, dass analog dieser Weltanschauung nicht in Betracht gezogen wird, dass die Aussagen von Menschen über ihr Geschlecht stimmen können. Genau DAS kritisieren wir seit es uns gibt. Genau wegen dieser übergriffigen geschlechter-deutenden Weltanschauung hatte sich ATME gegründet. Um klar zu machen, dass Menschen sehrwohl ein Wissen über ihr Geschlecht(!) haben und dieses Wissen ernst zu nehmen ist. Dies ist hier nicht der Fall. "Geschlechtsidentität" wird als Werkzeug genutzt, um das Wissen, das Menschen über ihr Geschlecht haben, zu werten und einer biologistischen Weltsicht unterzuordnen.

Zur Zeit wird ja gerne über Beratungsangebote für "Trans*menschen" gesprochen und wie wichtig diese seien. Wir möchten uns nicht ausmalen, was es für Menschen mit Transsexualität bedeuten kann, wenn diese analog der Weltsicht stattfindet, die aus Aussagen über ein Geschlecht dann Aussagen über die "Geschlechtsidentität" macht. Ehrlich gesagt entspricht das nämich genau der Idee von John Money und einer gender-deutenden Diagnostik.

Link zum Dokument

Als Nachtrag. Eine Reaktion auf ein Papier des Bundesfamilienministeriums

Das Bundesfamilienministerium (SPD) meint immer noch die medizinisch-psychiatrische Geschlechterdefinition, die Geschlecht anhand Genitalien und Verhaltensweisen deutet, übernehmen zu müssen. So wird in einem aktuellen Papier gesagt, Transsexualität sei ein Thema von "Geschlechtsidentität" und "Geschlechtsausdruck".
 
Wir möchten noch einmal darauf hinweisen, dass wir diese Sichtweise der Psychosexologie ablehnen.
 
Desweiteren lehnen wir identitäre Aussen-Einteilung in Geschlechterkategorien wie "Mann", "Frau", "Intergeschlechter" und "Transgeschlechter" ab. Die Gründe sind bekannt.
 
Es ist immer noch ein Skandal, dass die Politik nicht an einer wirklich grundlegenden Wende hinsichtlich der Deutung von Geschlecht interessiert ist und die Ursachen von Menschenrechtsverletzungen auf Grund äusserer Geschlechterzuteilungen nicht hinterfragt. Leider wurde auch nicht die Rolle der Psychosexologie hinterfragt - im Gegenteil wird in dem aktuellen Papier ausdrücklich auf Studien der medizinisch-psychiatrischen Institute, wie dem Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf verwiesen und so getan, als liessen sich daraus sinnvolle Dinge ableiten.
 
Das Bundesfamilienministerium weist darauf hin, dass "transspezifische Beratungsangebote" gewünscht seien. Auch das lehnen wir ab. Beratungsstrukturen, die das Ziel haben, geschlechtlich auszugrenzen und im Sinne medizinisch-psychiatrischer Geschlechterdeutung die Zuweisung in identitäre Schubladen vornehmen sollen, sind keine Beratungsstrukturen, sondern staatlich geförderte Stellen geschlechtlicher Fremdbestimmung. Diese Gefahr halten wir für gross.
 
Der Etikettenschwindel bei dem im Zusammenhang mit der Einführung des ICD11 - als Nachfolge zum ICD10 - dann von "Entpsychopathologisierung" gesprochen wird, wird auch vom Bundesfamilienministerium von der Psychosexologie ungefragt und unkritisiert übernommen. Zugleich wird auf Entwürfe medizinisch-psychiatrischer Leitlinien unter Federführung der Psychosexologen in Hamburg verwiesen, in denen offen davon gesprochen wird, Menschen mit Transsexualität möglichen Umpolungen zuzuführen um beispielsweise Frauen mit körperlichen Variationen anzubieten, auch als homosexueller Mann leben zu können.
 
Die Diagnose "Geschlechtsdysphorie" als Voraussetzung für körperliche Massnahmen bei Menschen, deren Körper von ihrem eigenen geschlechtlichen Selbstverständnis abweicht, lehnen wir - da hier erneut (und in Fortführung bisheriger Fremdbestimmungslogik) "Geschlechtsidentität" zum medizinisch-psychiatrischen Behandlungsgegenstand gemacht wird - ab und halten diese Diagnostik für grundsätzlich menschenverachtend.
 
Die Einführung von Spezialbehandlungszentren, vom Bundesfamilienministerium "Kompetenzzentren" genannt, lehnen wir ab. Medizinische Behandlung ist flächendeckend sicherzustellen. Medizinisch-psychiatrische Fremdbestimmung in Spezialbehandlungszentren, in welchen Geschlecht gedeutet wird, sind aus unserer Sicht ein Verstoss gegen Menschenrechte.
 
 
Zeit in die Opposition zu gehen und sich mal zu erneuern, liebe SPD.