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Zwangssterilisation oder Operationswunsch?

Die Vermischung der Folgen von Gender-Identitätsthemen und körperlichen Fragestellungen wie Transsexualität ist auch heute noch ein Thema. Die Bundesvereinigung trans*, die sich als Vereinigung von Menschen mit Geschlechtsidentitätsthematik aufgestellt hat, hatte am 29. Juli zu einer Veranstaltung mit dem Titel "Nicht aus freien Stücken - Entschädigung für Zwangssterilisierte" geladen. Inhaltlich ging es um das sogenannte "Transsexuellengesetz", welches von Menschen, die in einer anderen als bei der Geburt festgelegten Geschlechtsidentität leben wollen, verlangte, sich zuvor einer Operation an den Fortpflanzungsorganen unterzogen zu haben, um das amtliche Geschlecht in Personenstandspapieren ändern lassen zu können.

Es muss zur Kenntnis genommen werden, dass es Menschen gibt, die das, was sich Menschen mit Transsexualität wünschen - nämlich eine medizinische Hilfe - als Zwang ansehen bzw. Zwang angesehen haben, um in einer bestimmten Geschlechtsidentität leben zu können.

Folgende Fragestellung muss erlaubt sein:

Wie passt das zusammen, dass einerseits Menschen existieren, die sich eine medizinische Hilfe und eine Angleichung ihres Körpers wünschen, von dem sie wissen, dass er sich nicht analog des eigenen Geschlechts entwickelt hat während zugleich andererseits Menschen existieren, die diese Massnahmen als Zwang ansehen? Kann es sein, dass es zwischen dem Thema "Geschlechtsidentität" und dem Thema Transsexualität einen Unterschied gibt?

Wenn davon ausgegangen wird, dass Menschen existieren, denen es hauptsächlich darum geht, in einer anderen Geschlechtsidentität, als der bei der Geburt festgestellten zu leben, dann ist es richtig zu sagen, dass das Transsexuellengesetz bis 2011 eine Menschenrechtsverletzung beinhaltete: Dieses Gesetz verlangte von Menschen mit von der Norm abweichender Geschlechtsidentität, sich zwangssterilisieren zu lassen, um in ihrer Geschlechtsidentität gleichberechtigt leben zu können.

Aber: Was ist aber mit den Menschen, also denen, deren Hauptthema ist, eine Operation erhalten zu können? Was ist mit denen, denen es im Kern gar nicht darum geht, in dieser oder jener Geschlechtsidentität zu leben (da sie es sowieso bereits tun oder denen ihre "Rolle" bzw. ihre Geschlechtsidentität gar nicht so wichtig ist)? Was ist mit transsexuellen Menschen?

Die Lösung des Konflikts wäre so einfach: Es müsste doch möglich sein, körperliche Fragestellungen und Geschlechtsidentität als zwei unterschiedliche Themen zu betrachten. Nicht, um Menschen in identitäre Gruppen enzuteilen, sondern um klar vor Augen zu haben, was ein Mensch gerade benötigt und was nicht.
Eine unserer Forderungen ist eine "Medizin ohne Genderdeutung". Diese besagt, dass Hilfe bei Abweichungen des Körpers zum eigenen Geschlecht (das, was wir Transsexualität nennen) unabhängig zu sein hat von Geschlechtsidentität.

Menschen mit Transsexualitätsthematik könnten gute Gesprächspartnerinnen für einen Diskurs sein, der sich kritisch mit einer Weltsicht auseinandersetzt, in welcher Vermischungen von Sex und Gender zu Gesetzen wie dem Transsexuellengesetz geführt haben, was dann die Bedingung der Sterilisation für eine Personenstandsänderung beinhaltete. Dazu müssten Menschen mit Transsexualität aber erst einmal als existent anerkannt werden. Ein Staat jedoch, in dem Transsexualität zu "trans*" umgedeutet wird - obwohl es sich um zwei unterschiedliche Themen handelt - zeigt, dass er daran kein Interesse besitzt. Und genau damit führt dieser Staat die Herrschafts- und Zuweisungslogik fort, die einst bereits zu so etwas wie der Einführung des Transsexuellengesetzes geführt hat.

Link zur BVT*

Einer von der TAZ. Jan Feddersen.

Wieder einmal arbeitet sich Jan Feddersen in der TAZ an "LGBTQ" ab und stellt die vordergründige Frage, woran es liege, dass schwule weisse Cis-Männer zu Feinden des queeren Aufbruchs geworden seien. Bei genaurer Betrachung geht es in dem Artikel aber um etwas anderes: Um Jan Feddersen, dem Ich.

In seiner vordergründigen Identitätskritik fühlt er sich bedroht von "Trans*"-Menschen, die seine Identität als "weisser Cis-Mann" gefährden könnten und merkt doch nicht, wie er Identitätskritik mit etwas verwechselt, was sich "Kritik an anderen Identitäten" bezeichnen liesse. Damit wird sein Text zu einer Art Selbstgespräch.

Jan Feddersen hat uns mal erzählt, dass homosexuelle Männer in ihrer Kindheit gerne mal ein Problem mit ihrer Geschlechtsidentität haben. Offenbar ist das bei ihm noch im Erwachsenenalter so. Manch einer braucht eben seine genitale Selbstvergewisserung noch nach der Pubertät, so dass er das, was er "trans*" nennt, als Projektionsfläche benötigt. "Trans*" sind für ihn offenbar Männer, die ihren Penis nicht ok finden und Frauen, die Probleme mit ihrern Brüsten und Vagina haben. Die Verunsicherung bei ihm sitzt wohl so tief, dass er sich seit Jahren an Menschen abarbeitet, für die Variationen des Körpers vorstellbar sind (schliesslich sind sie Realität).

Leider ist Feddersen mit seiner Angst vor Körpervariation nicht alleine. Darauf baut ja ein ganzer medizinisch-psychiatrischer Komplex auf. Menschen, die sichtbare Körperzustände als das "biologische Geschlecht" bezeichnen (obwohl jede Deutung von Körpern erst einmal nur eine Deutung ist) und für unvorstellbar halten, dass Körper auch vom Geschlecht abweichen können, bestimmen immer noch grosse Teile des Diskurses.

Es wird ihnen aber auch einfach gemacht. Denn ausgerechnet dort, wo sich die Patriarchen tummeln, begnügen sich die Menschen damit nur von LGBTI*Q oder LGBTQ zu sprechen und folgen damit der Logik, dass ein Mensch, der körperlich nicht gedeutet werden kann dann der Kategorie "Intergeschlecht" zugeordnet wird (kurz "inter*") - wenn überhaupt - und der Rest dann als abweichende Geschlechtsidentität (kurz "trans*") verstanden wird.

Die Angst vor sich selbst wird der Antrieb für eine solche Weltsicht sein, in der Menschen sich nicht zu sich selbst äussern können, ohne dass an sie erst einmal die Messlatte angelegt wird. Dass diese Angst zu Kategorisierungen wie "cis*" und "trans*" führt, die dann ausgiebig für den Versuch der Selbstreflexion genutzt werden und zugleich behauptet wird, dass man(n) sich dadurch bedroht fühle, offenbart die ganze Tragödie. Und so merkt Feddersen, der oft über sich selbst schreibt, zwar, was das Problem ist, doch führt sein Schattenspiel nicht dazu, es zu lösen, sondern verbleibt in der ewigen Projektion. Ich, der Feind.

https://taz.de/LGBTQ-Diskriminierung-im-eigenen-La…/!169099/