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Der ATME-Wahlcheck zur Bundestagswahl 2017

Wir hatten lediglich eine einzige Frage gestellt. Diese hier:

Treten Sie dafür ein, das TSG abzuschaffen und eine gesetzliche Möglichkeit ausgehend davon, was das Deutsche Institut für Menschenrechte vorgearbeitet hat, zu schaffen, damit alle Menschen – auch Kinder – ihre Geschlechtseinträge ohne Einschränkungen (also ohne Begutachtungs- oder Beratungszwang bzw. ohne Zwang medizinischer Maßnahmen) korrigieren lassen können?


CDU

CDU und CSU werben für Toleranz und wenden sich gegen homophobe Tendenzen genauso wie gegen jede Form der Diskriminierung. Das geltende Transsexuellengesetz ist in seinen wesentlichen Grundzügen inzwischen fast dreißig Jahre alt. Es entspricht nicht mehr in jeder Hinsicht aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Deshalb wurde im September 2014 eine Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eingerichtet. Diese hat zu den Themenfeldern zwei Gutachten in Auftrag gegeben, die am 16.02.2017 öffentlich vorgestellt und diskutiert wurden. Der Abschlussbericht ist für den für Sommer 2017 vorgesehen. In einer am 2. Juni 2017 gefassten Entschließung hat der Bundesrat die Bundesregierung nunmehr aufgefordert, das geltende Transsexuellengesetz vor Veröffentlichung der Ergebnisse dieses Abschlussberichtes aufzuheben und durch ein modernes Gesetz zu ersetzen.

Nach der Überzeugung der CDU und CSU sollte das Ergebnis des noch ausstehenden Abschlussberichts abgewartet werden, zumal sich ggf. personenstandsrechtliche Folgefragen ergeben werden. Im Ergebnis unterstützen die CDU und CSU jedoch das Vorhaben, das Transsexuellengesetz, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf eine neue zeitgemäße Grundlage zu stellen.

 
SPD

Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Wir werden die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern und gewährleisten, dass sie selbst über ihr Leben bestimmen können. Das betrifft medizinische, gesundheitliche, soziale und rechtliche Aspekte. Wir werden daher das Transsexuellengesetz und weitere Gesetze reformieren.

Wir wissen, dass eine punktuelle Änderung des aktuell gültigen Transsexuellengesetzes angesichts bestehenden dringenden Reformbedarfes bei weitem nicht ausreichend ist. Mehrere Vorschriften sind vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft und für nicht anwendbar erklärt worden. Die SPD hat sich in der 18. Wahlperiode für eine umfassende Reform ausgesprochen, dieses war mit der CDU und CSU-Fraktion aber nicht zu machen. Grundlage einer Reform ist für uns das Prinzip der Anerkennung der Geschlechtsidentität und der Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung. Wir wollen die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern, das betrifft medizinische, gesundheitliche, soziale und rechtliche Aspekte (https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Bundesparteitag_2017/Es_ist_Zeit_fuer_mehr_Gerechtigkeit-Unser_Regierungsprogramm.pdf, S. 65).

Bürokratische Hürden wollen wir insgesamt abbauen und Verfahrenskosten reduzieren. Zahlreiche Studien haben festgestellt, dass Begutachtungsverfahren in vielen Fällen von unverhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand sowie von entwürdigenden und diskriminierenden Erfahrungen für die Betroffenen geprägt sind. Deshalb müssen die Verfahren so gestaltet werden, dass die Würde und die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen. Ob es bessere oder unbürokratische Alternativen zum Personenstand „männlich“, „weiblich“ oder „kein Eintrag“ gibt, muss sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren und einen Mehrwert in Bezug auf deren Selbstbestimmung im Vergleich zum rechtlichen Status quo bieten. Die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Einige Personen würden ein „drittes Geschlecht“ vorziehen. Andere wiederum fühlen sich beiden Geschlechtern zugehörig oder empfinden eine ganz eindeutige Geschlechtszugehörigkeit. Wir müssen hier eine breite gesellschaftliche Debatte ohne Diskriminierung und Vorurteile führen.

 
DIE LINKE

Vielen Dank für Ihre Anfrage, die sich sehr leicht beantworten lässt. Wir wollen das Transsexuellengesetz als Sondergesetz aufheben und Begutachtungspflicht, Therapiezwang und das gerichtliche Verfahren abschaffen, wenn es darum geht, Vornamen und Personenstand zu ändern. Stattdessen muss dieses Verfahren in einen Verwaltungsakt überführt und auf Antrag ohne Vorbedingung diskriminierungsfrei geregelt werden.

 
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

Menschen, die ihr tatsächliches Geschlecht vom Staat anerkennen lassen möchten oder die das Zweigeschlechtersystem ablehnen, sind in der deutschen Gesellschaft immer noch stark von Ausgrenzung, Diskriminierung und Fremdbestimmung betroffen. Transfeindlichkeit ist weit verbreitet und führt zu Nachteilen bei Bildung, Gesundheitsversorgung, im Arbeitsleben und bei der sozialen Teilhabe. Vor allem bereitet die Korrektur der Geschlechtseinträge vielfältige Probleme und Belastungen: Trans*Menschen werden mit bestimmten „Krankheitsbeschreibungen“ und engen, zweigeschlechtlich definierten Begutachtungs- und Behandlungsstandards konfrontiert. Deshalb setzen wir uns seit Jahren für die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und Verabschiedung eines neuen modernen Rechts ein.

Unsere Bundestagsfraktion hat den Vorschlag für ein modernes Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt (Bundestagsdrucksache 18/12179). Dessen Leitbild ist die persönliche Freiheit und nicht irgendwelche Ordnungsvorstellungen über die Geschlechter. Es ist höchste Zeit, dass die tatsächliche Vielfalt von Identitäten akzeptiert wird, anstatt Trans*Menschen in vorgegebene Raster zu pressen und ihnen das Leben schwerzumachen.

Wir wollen das Verfahren für die Änderung der Vornamen und Berichtigung des Geschlechtseintrages deutlich vereinfachen und nur vom Geschlechtsempfinden des Antragstellenden abhängig machen. Die Transsexualität kann nicht diagnostiziert werden. Nur der einzelne Mensch selbst kann letztlich über die eigene geschlechtliche Identität Auskunft geben. Es soll zudem auf die Anrufung eines Gerichts verzichtet werden. Der Antrag ist bei den Standesämtern zu stellen, so dass die Berichtigung im Rahmen eines Verwaltungsaktes unbürokratisch erfolgen kann.

Das grüne Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht ab Vollendung des 14. Lebensjahres die Berichtigung des Geschlechtseintrages und Änderung der Vornamen auch ohne Mitwirken der Eltern. Das Verfahren für Personen, die das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, sowie für geschäftsunfähige Personen bedarf hingegen der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertretung. Diese kann jedoch im Falle einer Weigerung gerichtlich ersetzt werden.

Ein wesentlicher Schwerpunkt unseres Selbstbestimmungsgesetzes ist die Reform des Offenbarungsverbotes – also des Verbotes, die neue geschlechtliche Identität zu ignorieren oder auf die alte Identität abzustellen. Das bisherige Offenbarungsverbot hat sich als zahnlos erwiesen: Immer wieder haben Behörden und Unternehmen sich geweigert, Unterlagen oder Zeugnisse neu zu erstellen. Für die Betroffenen folgt deswegen nach dem Kampf um die neue Identität häufig ein Krieg um die Anerkennung der neuen Realität durch die Umwelt. Unser Selbstbestimmungsgesetz sieht deshalb eine Pflicht zur unverzüglichen Anpassung amtlicher Dokumente und Register sowie zivilrechtlicher Verträge vor. Dazu statuiert es einen Anspruch auf Neuausstellung der Zeugnisse aus früheren Ausbildungs- und Arbeitsverhältnissen mit ursprünglichem Datum. Bei einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verweigerungshaltung droht eine strafbewehrte Ordnungswidrigkeit.

Ohne konkrete Behandlungsstandards festzulegen formuliert das neue Gesetz eine Auslegungshilfe bei der Gestaltung und Abwicklung von Leistungen der Gesundheitsversorgung. Sie soll Patient*innen als Leitlinie bei der Ausübung ihrer Patientenrechte dienen und zur Prävention von Diskriminierung beitragen.

Darüber hinaus wollen wir das Personenstandsgesetz so novellieren, dass sowohl intersexuell geborene Kinder als auch intersexuelle Erwachsene durch die Schaffung einer weiteren Geschlechtskategorie die Möglichkeit erhalten, im Geburtenregister mit Wirkung für alle Folgedokumente und mit Wirkung einer rechtlichen Gleichbehandlung, dauerhaft weder eine Zuordnung zum männlichen noch zum weiblichen Geschlecht vornehmen müssen. Diese neue Geschlechtskategorie ist gemeinsam mit den Betroffenenverbänden zu entwickeln.


FDP

Wir Freie Demokraten setzen uns für eine Fortentwicklung des Transsexuellengesetzes ein. Die Personenstands- und Namensänderung sind heute gutachterpflichtig und langwierig. Diese Verfahren halten wir für überflüssig. Die aktuelle Bundesregierung war hier vier Jahre lang untätig. Wir Freie Demokraten wollen, dass die Personenstands- und Namensänderungen ohne diskriminierende Hürden erfolgen. Einen Zwang medizinischer Maßnahmen lehnen wir daher ab. Auch Beratungs- und Begutachtungszwang sehen wir als eine Einschränkung der Menschenrechte an. Wir wollen außerdem die Fristenlösung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 TSG abschaffen, zumal sich die juristische Bestimmung eines konkreten Zeitraums für das Bestehen eines „Zwangs, unter einem anderen Geschlecht zu leben“, praktisch als wenig handhabbar erwiesen hat. Daneben treten wir dafür ein, dass Krankenkassen einheitlich die Kosten für alle geschlechtsangleichenden Behandlungen bei Transsexualität übernehmen. Wir fordern zudem eine Anpassung des Antidiskriminierungskatalogs in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz an die europäische Grundrechtecharta und damit die Aufnahme der Merkmale der sexuellen Ausrichtung und des Alters.

 

ATME wird von lesbisch-schwulem Psychologenverband angegriffen

Leute, es gibt ein Problem. Da existiert es einen Verein Namens VLSP. VLSP ist eine Abkürzung. V steht für Verband, L für Lesben, S für Schwule und P für Psychologen. Und dieser Verein hat ein Problem damit, dass die erneut geplante Fremdbestimmung von Menschen mit geschlechtlichen Variationen durch die Psycho-Sexologie, die seit März 2017 öffentlich einsehbar ist, von uns öffentlich kritisiert wird. Aus "communityorientierter Sicht" hält der Verein es "für unmöglich", dass wir uns dazu äussern. Dazu ging am 27. Juli eine e-Mail bei uns sein.
 
Der Kern unseres Anliegens ist die Anerkennung der geschlechtlichen Selbstaussage von Menschen. Dazu gehört, sich dafür einzusetzen, dass die medizinische Behandlung von Menschen mit geschlechtlichen Variationen sich an konkreten Bedarfen orientiert und nicht die geschlechtliche Selbstaussage zum Behandlungsgegenstand erklärt wird. Bisher werden Aussagen wie "ich bin eine Frau", "ich bin ein Mann" oder andere Selbstaussagen zum medizinischen Behandlungsgegenstand erklärt ("Gender Identity Disorder"/"Gender Dysphorie"). Bei der Erstellung neuer "Leitlinien" der Psychosexologie und der Neufassung des ICD 11, der nächstes Jahr erscheinen soll, wird weiterhin daran festgehalten. Darauf haben wir am 6. März 2017 hingewiesen und die öffentlich einsehbaren Texte der Psycho-Sexologie (verantwortlich: die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung unter Timo Nieder in Kooperation mit selbsternannten Trans*-Vertretern wie Arn Sauer, Annette Güldenring und Mari Günther) deutlich kritisiert.
 
Unsere Kritik bezog sich auf folgendes:
 
1. Weiterhin wird die geschlechtliche Selbstaussage zum Behandlungsgegenstand erklärt. Die Aussage "ich bin..." wird zur "Gender Inkongruenz" erklärt
2. Als Überschrift wird die identitäre Schublade "Trans*" verwendet und behauptet, es ginge bei geschlechtlichen Variationen wie Transsexualität nicht um ein körperliches Thema, sondern um eine Frage der "Identität"
3. Die Diagnostik einer Gender Dysphorie soll laut der geplanten Leutlinien durch Psychologen, Psychiater, Psychotherapeuten gestellt werden
4. Gender Dysphorie soll eine Diagnose sein, die auch vergeben werden kann, ohne, dass körperliche Massnahmen daraus erfolgen
5. Um körperliche Massnahmen zu erhalten, soll eine umfassende Diagnostik einer "psychosexuellen Entwicklung" die "erste Säule" der Behandlung sein
6. Auch Menschen mit intersex-Diagnose soll eine Gender Dysphorie unterstellt werden können
7. Als legitmier Teil einer Behandlung wird angesehen, Menschen mit geschlechtlichen Variationen so umzupolen, dass diese dann möglicherweise die Entscheidung treffen besser homosexuell zu leben
 
Im Juli 2017 äusserten wir uns kritisch zu Veröffentlichungen der (A)DS des Bundes, in denen es heisst, dass "trans* und intergeschlechtliche Menschen" keine Frauen und Männer seien. Wir zeigten uns zudem besorgt darüber, dass Transgender Europe (ein Transgender-Verband) der WHO gegenüber geäussert hat, dass Kinder, die sich abweichend zu ihrem Geschlecht äussern - von TGEU "gender divers" bezeichnet - keine medizinische Behandlung benötigten.
 
Desweiteren kritisieren wir die Idee, dass es sich bei Menschen mit intersex-Diagnosen automatisch um "intergeschlechtliche" Menschen handelt und wiesen am 19. Juli darauf hin, dass die geschlechtliche Selbstaussage von Menschen die einzige Möglichkeit ist, das Geschlecht eines Menschen heraus zu bekommen. Das trifft auch auf Menschen mit intersex-Diagnosen zu. Diese müssen nicht zwangsläufig "intergeschlechtlich" sein (wie z.B. Menschen, die bei ATME mitarbeiten - wir wissen also, wovon wir reden). Aussenzuweisungen von Geschlecht erachten wir als übegriffig - immer und ausnahmslos.
 
In der e-mail vom 27. Juli 2017 zeigt sich der VLSP über die "Schärfe" in der wir diese Übegriffigkeiten kritisieren, "irritiert und besorgt". Unsere Kritik wird als "äußerst abwertend" bezeichnet und wir "noch einmal" aufgefordert, die Kritik zu unterlassen. Der VLSP sei aber immer daran interessiert sich zusammen mit uns respektvoll "für die Rechte von LGBT" einzusetzen.
 
Lieber VLSP, danke für die e-mail. Uns zeigt das: Es gibt da welche, die nicht von LSBTTIQ sprechen können/wollen, die dann passenderweise auch kein Interesse daran haben, dass Übegriffigkeiten angesprochen werden. So weit wir wissen, leben wir in einem freien Land, in dem Menschen zu Themen unterschiedliche Haltungen haben können. Wenn wir also der Ansicht sind, dass Menschen in ihrer Selbstaussage ernst genommen werden sollen, dann dürfen wir das äussern und müssen nicht einen lesbisch-schwulen Psychologenverband wie den VLSP darum um Erlaubnis bitten. Wir dürfen, das mag für Euch kaum vorstellbar sein, sogar sagen, dass wir die geplanten Gender-Dysphorie-Leitlinien für eine Fortführung geschlechtlicher Übergriffigkeit halten. In den von Euch benannten Texten, die wir online gestellt haben, begründen wir unsere Haltung sogar. Noch ist es so, dass eine staatliche Community-Polizei, die ihr möglicherweise gerne wärt, nicht existiert. Diese Sittenwacht wäre offensichtlich ja eurer eigenen Mail nach auch für LGBT zuständig und nicht für LSBTTIQ.
 
Wir sind ehrlich gesagt über die Dreistigkeit schon sehr erstaunt, wie ein lesbisch-schwuler Psychologenverband uns offen bedrängt, unsere Kritik an einem Thema, dass vorallem trans- und intersexuelle Menschen betrifft, zurückzuhalten. Möglicherweise zeigt sich darin auch die eigentliche Problematik: Eine institutionalisierte Übergriffigkeit. Und über die sollten wir alle mal nachdenken. Worum geht es? Darum, dass die einen über das Geschlecht anderer Menschen entscheiden, oder um geschlechtliche Selbstbestimmung? Seid ehrlich. Um was geht es da Euch?