building responsive website

958. Sitzung des Bundesrates - Aufhebung des TSG

Heute findet die 958. Sitzung des Bundesrates statt. In Top 23 geht es um eine "Entschließung des Bundesrates zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes" und der Einführung eines Gesetzes "zur Anerkennung der Geschlechtsidentität".

Das ist grundsärtzlich erst einmal schön. Wir haben ja gesagt, dass wir gut finden, die Verfahren zu vereinfachen. Die Begutachtungen abzuschaffen, forderten wir bereits 2008 und waren mit dieser Forderung damals ziemlich alleine. Die Begründung für die Abschaffung des TSG zeigt aber: Verstanden, worum es geht, haben diejenigen, die diesen Antrag einbringen immer noch nicht... anstatt anzuerkennen, dass es Menschen gibt, die auf Grund ihrer körperlichen Variationen einen falschen Geschlechtseintrag erhalten haben, wird die Abschaffung des TSG und der bisherigen Begutachtungsverfahren damit begründet, dass neben "den Geschlechtskategorien Mann und Frau" noch andere "Geschlechtsidentitäten" existierten.

Nein, darum ging es uns nicht, als wir 2008 die Abschaffung der Begutachtung forderten. Es ging einfach nur darum, Menschen in ihrem Geschlecht anezuerkennen, welche die falschen Papiere erhalten haben (auf Grund körperlicher Merkmale) und daher bis heute eine medizinische Behandlung verweigert bekommen, die ohne Gender-Deutung auskommt. Beispiel: Frauen mit vermännlichten Körpern als "Männer, die sich fühlen wie Frauen" ("Geschlechtsidentität") zu behandeln, ist eine Menschenrechtsverletzung. Darum ging es.

Damit ist "Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität" auch etwas anderes als ein "Gesetz zur Anerkennung des Geschlechts" (was auch durch Änderung der Personenstandsgesetze erfolgen könnte).

Es ist sehr ärgerlich, dass ein wichtiges Anliegen, wie Menschen in ihrem Geschlecht anzuerkennen mittlerweile überlagert wird, von Diskussionen um "Lebensentwürfe" und "Geschlechtsidentitäten".

Dennoch hier einmal die Übersicht:

TOP 23
362/17 Entschließung des Bundesrates zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes sowie zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung

Mehr:

http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/958/tagesordnung-958.html
http://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/958/erl/23.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Update: Dem Antrag wurde zugestimmt.

IDAHOT am 17. Mai - Ein Grund zur Freude?

Am Mittwoch in dieser Woche ist IDAHOT, der internationale Tag gegen Homophobie und Transphobie. Der Tag soll daran erinnern, dass am 17. Mai 1990 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen hatte, Homosexualität solle nicht mehr im ICD auftauchen und nicht mehr "als Krankheit" gelten.
 
Homosexualität trug den Diagnoseschlüssel 302.0 und tauchte unter "Sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen" im ICD auf - ein Abschnitt, in welchem auch "Transsexualität" aufgeführt war.
 
Der Abschnitt wurde damals so beschrieben:
 
"302 Sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen
 
Abnorme sexuelle Neigungen oder abnormes sexuelles Verhalten, das zu einer ärztlichen Konsultation führt. Die Grenzen und Bilder normaler sexueller Neigung und normalen sexuellen Verhaltens sind in den verschiedenen Gesellschaften und Kulturen nicht absolut festgelegt worden, aber sind im großen und ganzen so, daß sie akzeptierten sozialen und biologischen Zielen dienen. Die sexuelle Aktivität der betroffenen Personen ist primär entweder auf Personen des gleichen Geschlechtes gerichtet oder auf in der Regel nicht mit dem Koitus verbundene sexuelle Verhaltensweisen oder einen unter abnormen Umständen ausgeführten Koitus. Falls das abweichende Verhalten nur während einer Psychose oder einer anderen psychischen Erkrankung manifest wird, sollte das Zustandsbild unter der Haupterkrankung klassifiziert werden. Haufig treten mehrere Abnormitäten zusammen in der gleichen Person auf. In dies em Fall sollte die im Vordergrund stehende Abweichung klassifiziert werden. Man sollte in dieser Kategorie solche Personen nicht aufführen, die sexuelle Verhaltensabweichungen ausüben, wenn ihnen normale, sexuelle Gelegenheiten nicht zur Verfügung stehen. "
 
Im ICD10, der aktuell noch gültig ist, wurde "Transsexualität" in "Transsexualismus" umbenannt - aber nach wie vor, als Abweichung der Identität von der Norm verstanden und nicht als körperliche Variation.
 
Im ICD11 wird "Transsexualismus" nicht mehr auftauchen - weiter wird aber gelten, dass eine abweichende Identität behandelt wird bzw. als Gender-Identitäts-Problem ("Gender Dysphorie"), also als Problem der sozialen Identifikation.
 
Für Menschen mit körperlichen Variationen muss klar sein, dass es im Grunde genommen, noch nicht wirklich etwas zu feiern gibt. Wir sollten nicht auf den ICD12 warten, der dann irgendwann zwischen 2030 und 2040 kommen wird, sondern uns schon jetzt stark machen dafür, dass ein anderer Umgang mit Menschen mit körperlichen Variationen möglich wird. Dazu gehört, dass Medizin sich völlig frei macht davon, die Aufgabe geschlechtlicher Normierung zu übernehmen.
 
Wir machen uns stark dafür, dass Medizin sich auf die eigentliche Aufgabe beschränkt: Zu helfen, Leid zu lindern. Darum muss es gehen. Konkret heisst das für uns, dass Hormone, Operationen oder andere Hilfen, die zur Verbesserung der Gesundheit von Menschen beitragen, nicht abhängig davon gemacht werden dürfen, welcher geschlechtlichen Normvorstellung ein Mensch entspricht. Wir sind fest davon überzeugt, dass es möglich ist, Leitlinien zur Behandlung auch so zu entwickeln, dass sie ohne gender-stereotype Vorstellungen auskommen.
 
Es mag zwar sein, dass psychiatrische Fachgesellschaften glauben, dass sie mit der Diagnose "Gender Dysphorie" durchkommen und so weiterhin ihre gender-deutende Macht über Menschen ausüben können - insbesondere dann, wenn sie dabei auf Verbündete aus einer trans*Community zurückgreifen können - wir halten es aber für erreichbar, dieser Geschlechtermacht etwas sinnvolles, menschenrecht-beachtendes entgegensetzen zu können. Das Zauberwort heisst hier: Emanzipation.
 
Einen emanzipativen Ansatz verfolgen wir, wenn wir auch die Stuttgarter Erklärung weiterentwickeln werden. Dazu laden wir herzlich all' diejenigen ein, die sich - wie wir - darauf konzentrieren, das Ende der gender-deutenden Medizin einzuleiten. Es mag sein, dass der ICD11 ein Sieg für die psychiatrischen Fachgesellschaften sein mag - wir werten das Festhalten an gender-deutender Medizin aber als Eingeständnis eines Versagens. Es zeigt, dass Lobbyinteressen über den Interessen von Menschen stehen. Sobald aber genügend Menschen begreifen, dass sie ihre Interessen auch selber wahrnehmen können - wird sich auch schon vor dem Einführen eines ICD12 der Wind gedreht haben. Emanzipation heisst auch, sich selbst ernst zu nehmen und dem Wissen über sich selbst nicht den Stempel "Unwissen" aufdrücken zu lassen.
 
Wer an der Weiterentwicklung der Stuttgarter Erklärung mitwirken will, meldet sich bei uns einfach. :-)