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Erste Lesung im Bundestag zum Selbstbestimmungsgesetz

Am 15.11. wurde in einer ersten Lesung im Bundestag über das "Selbstbestimmungsgesetz" debattiert. Während die Regierungsfraktionen den gebotenen Respekt vor der Geschlechtsidentität von Menschen betonte und darauf hinwies, wie wichtig das Gesetz für "Trans-, Inter- und nonbinäre Personen sei", phantasierte die Opposition u.a. von einer Gefahr der Geschlechtsumwandlungen für Kinder. Ein Argument, das auf beiden Seiten völlig Aussen vor blieb: Wie medizinisch-psaychiatrische Gender-Fremdbestimmung Menschen stereotypisiert und das alte TSG (Transsexuellengesetz) ein Baustein der Ungleichbehandlung der Geschlechter darstellt. Bis heute.

Bereits im Grundgesetz von 1949 ist die Gleichbehandlung der Geschlechter verankert. Dieses Gesetz existiert seit 8 Jahrzehnten. Würde die im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlung ernst genommen, dürften Menschen gesellschaftlich nicht auf Grund ihres Geschlechts unterschiedlich behandelt werden. Die Geschichte ist bekannt. Die Gleichberechtigung kam nicht 1949, sondern erst nach und nach (und ist offensichtlich noch heute nicht Realität). Und erst 1994 verpflichtete sich der deutsche Staat dazu, die "tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" zu fördern.

Wäre Deutschland ein gleichberechtigtes Land, wäre ein soziales Geschlecht, also das, was im englischen "Gender" genannt wird überflüssig oder - zumindest - nichts, was der Staat meint, regeln zu müssen. In einem solchen gleichberechtigten Land würden Ärzte und Mediziner bei der Geburt eines Kindes nicht Wert darauf legen, "welches Geschlecht" ein Kind hat, sondern ob das Kind gesund ist. Einen staatlichen Geschlechtseintrag würde es nicht geben. Eltern würden in einem solchen Land wissen, dass ihr Kind sich später selbst zu sich äussern wird. Und Eltern wären in einem solchen Land auch darüber informiert, dass Kinder mit körperlichen Variationen geboren werden können oder - besser - kein Körper dem sozialen Geschlechterstereotyp entspricht.
Eltern würden auch wissen, dass geschlechtliche, nach aussen sichtbare Körpermerkmale nicht in allen Fällen zur Deutung des Geschlechts herangezogen werden können. Das müssen sie - nimmt man ernst, dass jeder Mensch sich zu sich selbst äussern kann - auch nicht.

Wer ernsthaftes Interesse daran hat, Frauen und Kinder zu schützen (um mal auf das Krakeele von rechts zu antworten), der sorgt dafür, dass a) die im Grundgesetz verankerte Gleichstellung der Geschlechter endlich umgesetzt wird und b) dass Kinder geliebt und akzeptiert werden, auch dann, wenn sie sich zu ihrem Geschlecht anders äussern sollten, wie erwartet.

Es gibt Kreise in Deutschland, die an dieser Gleichberechtigung der Menschen kein Interesse haben. Sie sind daran interessiert, Menschen sozialen Geschlechtern bzw. Gendern zuzuorden - was bedeutet, Menschen gewisse soziale Rollen und Aufgaben zuzuweisen, geschlechtlich getrennt, basierend auf stereotyp interpretierten Körperzuständen. Dass dies seit 1949 überwunden sein sollte (spätestens seit 1994) soll hier noch einmal erwähnt werden.

Was wünschen wir uns?

  • Wir treten ein für eine selbstbestimmte Änderung der Geschlechtseinträge (weil sie in einer gleichberechtigten Welt gar keine Bedeutung mehr haben sollten)
  • Wir wünschen uns, dass medizinisch-psychiatrische Geschlechtszuweisungen beendet werden
  • Wir wollen, dass die Behandlung von Transsexualität nicht mehr von Gender-Identitätsdiagnosen abhängig gemacht wird

Mal sehen, ob eine gesellschaftliche Debatte dazu geführt werden wird.

Der Mitschnitt der Bundestagsdebatte findet sich hier: Mediathek des Bundestages

Nein, "Geschlechtsidentität" ist nicht biologisch - Transsexualität schon

Nora Eckert hat ein Buch geschrieben, queer.de berichtet darüber. Es geht um die These, dass "Geschlechtsidentität" biologisch sei. Dazu: So lange Autorinnen immer weiter die Erzählung, dass die "Geschlechtsidentität" Teil der Biologie sei, weiter führen, wird sich an dem Fehlen der Anerkennung der Existenz von Transsexualität als biologisches Phänomen nichts ändern.

Hier einmal eine Erklärung, warum das so ist:

"Geschlechtsidentität" heisst im englischen Original "Gender Identity". Damit wurde bewusst von den Erfindern des Begriffs (John Money und co) eine Abgrenzung zu dem vorgenommen, was im englischen "Sex" heisst und in der Regel als "biologisches Geschlecht" verstanden wird. Auch wenn manche meinen, man könne an der Geschichte vorbeikommen - das ist im Regelfall nicht möglich ohne Missverständnisse zu hervorzurufen.

"Gender Identity" ist als Abgrenzung zum "Sex" des Menschen erfunden worden und wird von der vereinigten Expertenschaft aus dem sexologischen Bereich auch genau so verwendet. Es gibt hunderte Bücher zum Thema, in denen die Trennung von "Gender Identity" und Sexus die Grundlage für alles weitere ist (medizinische Fragen, rechtliche Behandlung, usw.)

Würde man nun annehmen, dass "Gender Identity" angeboren ist, würde das zudem viele feministische Grundüberzeugungen in Frage stellen. "Gender" wurde auch von Frauenrechtlerinnen des 20. Jahrhunderts nicht als Schicksal verstanden. Das Leben als "Hausfrau" und rechtskonservative Ideen, dass Männer arbeiten und Frauen sich um den Haushalt zu kümmern haben, wurden - zu Recht - hinterfragt und dagegen protestiert.

Nein, "Gender Identity" ist nicht angeboren. So war das Wort nicht gemeint und es macht keinen Sinn, immer wieder zu versuchen, "Geschlechtsidentität" zu etwas biologischem zu machen.

Ja, aber... sind wir nicht diejenigen, die sagen, dass Transsexualität angeboren ist? Stimmt. Das sagen wir schon ziemlich lange. Aber - und jetzt kommt`s - wir halten "Transsexualität" nicht für eine "Geschlechtsidentität", sondern für eine geschlechtliche Variation, bei der Körpermerkmale nicht dem eigenen geschlechtlichen Selbstverständnis bzw. dem eigenen Geschlecht entsprechen. Mit "Gender Identity" hat Transsexualität nichts zu tun. Sondern mit dem Körper.

Wenn das immer noch nicht verstanden wird: Wir erklären es gerne. Und zwar so lange, bis es ankommt.

https://www.queer.de/detail.php?article_id=47334