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Genderkonstruktionen und das Patriarchat

Genderkonstruktionen stützen patriarchale Machtstrukturen.

Ein Gedanke von Kim Schicklang.

1. Da Gender kulturabhängig ist, ist es auch Transgender
2. Wir leben immer noch in einer patriarchalen Welt, die Frauen als "das andere Geschlecht' definiert
3. Transgender meint immer Geschlechterrollen. Ohne Gender(Rollen) gäbe es auch kein Transgenderismus

Es ist auch auffällig, dass in einer patriarchalen Gesellschaft zwei Phänome als "männlich" angesehen werden. Zum einen sind das "Transmänner". Diese werden nach Aussen, also in der Ebene der Repräsentation von Geschlecht als Mann gesehen und gelesen. Zum anderen sind das "Transfrauen". Diese werden dann ebenfalls als Mann gesehen... als Männer, die nun als Frau leben. Wer den öffentlichen Diskurs verfolgt wird feststellen, dass von "Frauen, die als Mann leben" kaum die Rede ist. Umgekehrt ist das aber der Fall. Der Diskurs wird dann nicht zufällig auch genau aus dieser Perspektive verfolgt... ich denke, dass Machtstrukturen, also das "wer darf über den anderen entscheiden", "wer bestimmt, was eine Person ist" im Grunde genommen immer patriarchale Strukturen sind. Es verwundert auch nicht, dass die meisten Machtpositionen im Bereich Geschlecht männlich besetzt sind.

Ein "männliches Konzept" ist das dann deswegen, da Repräsentationen im Sinne von Macht-Über-Andere männliche Muster im Umgang der Menschen miteinander sind. Die Konstruktion von Rollen, von Bewertungen von Rollen sowie Körpern, entsprechen, so scheint mir, patriarchalen Selbstverständnissen.
Frauen mit Transsexualität, ja Transsexualität an sich (unabhängig des Geschlechts von Menschen), kommen im öffentlichen Diskurs daher nicht vor. Dass Frauen (unabhängig davon, ob sie transsexuell sind oder nicht) Gewalterfahrungen machen mit patriarchalen Konstrukten, ist Alltag. Immer noch.
Dazu gehört dann auch Transgender. Denn Transgender meint, geschlechtliche Rollen zu entwerfen, Menschen anhand dieser einzuteilen und ihnen gesellschaftliche Funktionen zuzuschreiben und diese Rollen dann zu bewerten. Frauen werden in diesem Zusammenhängen unsichtbar gemacht (das, was Simone de Beavouir gemeint hat, als sie davon gesprochen hat, dass Du zur Frau gemacht wirst) und abgewertet.

Wären wir in Sachen Gleichberechtigung weiter, würde nicht die Rolle eines Menschen zählen, sondern der Mensch an sich, unabhängig von Gender-Identitäts-Konstruktionen. Offenbar sind die aus patriarchaler Sicht aber notwendig, um Hierarchien bilden zu können und (männliche) Macht über andere ausüben zu können. Ich denke im übrigen nicht, dass Frauen nicht auch patriarchale Verhaltensweisen zeigen können. Sie können sich sehrwohl zu Komplizinnen machen und auch ein geschlechtliches Weltbild vertreten, in welchem die Bewertung von Rollen und Körpern als völlig normal angesehen wird. Unter Emanzipation verstehe ich, sich dieser Geschlechtermacht bewusst zu werden und sich zu Wort zu melden oder an anderen Umgängen miteinander zu arbeiten. Dazu gehört dann, Menschen als Mensch zu akzeptieren, ohne geschlechtlicher Deutung oder Bewertung und sich gegenseitig zuzuhören. Meine Erfahrung ist, dass Menschen, die gerne Geschlecht deuten und Gender konstruieren, an einem solchen wertschätzenden Umgang miteinander kein Interesse besitzen. Es geht Ihnen darum ja auch nicht. Deswegen ist "Transgender" ein patriarchales, also männliches Konzept.

Ich würde das sogar noch erweitern: Auch "non-binary" ist ein männliches Konzept. Auch non-binary spielt sich auf der Gender-Ebene ab. Non-Binary ermöglicht nach Aussen als "non-binary" zu leben und in einer patriarchalen Welt erweitern sich dadurch die Möglichkeiten, entweder durch Zugewinn von sozialen Räumen, die vorher verschlossen gewesen sind, oder durch Beibehaltung dieser Räume.
Deswegen ist neben "Transgender" auch "non-binary" ein patriarchales Thema. Über die Gleichberechtigung von Frauen mit körperlichen Variationen redet niemand.

Das ist meine Erklärung dafür, warum "Transsexualität" öffentlich nicht diskutiert wird, aus Buchstabenkobinationen weggelassen wird (wie von LSBTI zu schreiben, anstatt von LSBTTIQ), umgedeutet wird (ganz bewusst) um Transsexualität dem Konzept Transgender unterzuordnen (obwohl Transsexualität eine Abweichung des Körpers zum eigenen Geschlecht meint, also keine "Identität" ist) und warum wir uns nie über Bewertungen von Körpern und Rollen unterhalten und was diese Bewertungen mit geschlechtlicher Macht (über andere) zu tun haben.

Wir erleben eine gesellschaftliche Phase männlicher Gewalt. Das passt dann interessanterweise auch zur rechtspopulistischen Zeit, in der Männlichkeiten wieder stark in den Mittelpunkt gestellt werden und die Konstruktion von Identität eine zentrale Rolle spielt.

Warum die Unsichtbarmachung von Transsexualität nichts bringt

Eigentlich hatten wollten ja nur schöne Weihnachten wünschen und wollten die Feiertage nichts zum Ärgern mehr veröffentlichen. Wir sind aber angeschrieben worden wegen einer zynischen Diskussion bei "Enough is Enough" in Facebook (einer lesbisch-schwulen Facebookseite). Es geht um den Artikel, den wir auch die Tage auf Facebook verlinkt hatten.

Dazu folgender Text:

Auch in LSBTI-Kreisen ist die Idee, dass es sich bei Frauen mit Transsexualtiät um Menschen handelt, sie sich geschlechtlich umwandeln lassen sehr verbreitet. Das liegt u.a. an der Idee, dass die Genitalien das "biologische Geschlecht" eines Menschen ausmachen und alles andere dann eine abweichende Geschlechtsidentität, eine "Gender Varianz" ist. Transvestit*innen hingegen gehen davon aus, dass die Kleidung, das Verhalten, die Sprache und Rollentätigkeiten das Geschlecht eines Menschen ausmachen. Auf Grund ihrer "Geschlechtsidentität" zeigen sie dann eine sogenannte "Gender Expression".
Der blinde Fleck beider Perspektiven nennt sich: Transsexualität. Dass Körper vom Geschlecht eines Menschen abweichen können (also Körpermerkmale transsexuell ausgeprägt sein können), kommt in der medizinisch-psychologischen Realität nicht vor. Die fehlende Perspektive führt dann dazu, dass zwar Menschen meinen, es würde ganz viel über Transsexualität gesprochen, es aber in Wirklichkeit nie darum geht. In Konfliktsituationen entstehen daraus dann zynische Gedanken, Herrschaftsphantasien und der Schrei nach autoritären Lösungen.

Einer dieser Konflike wird nun auf der Facebook-Seite "Enough is Enough" verlinkt: Die Geschichte eines Mannes, der gerne per OP zur Frau geworden wäre und hinterher darunter leidet. Die Kommentare sprechen Bände. Wir nennen Namen, da Enough is Enough eine öffentliche Seite ist und die Kommentare für jeden einsehbar.

Die Idee, dass es darum geht, zum "Gegengeschlecht" zu werden ,treffen auf Vorstellungen, die Gutachterei weiter zu betreiben. Zynische Realität: Die Begutachtungen existieren. Das hat aber nicht verhindert, dass Menschen sich unters Messer legen (lassen) und anderen die Operationen verweigert werden, da sie keine stereotype Geschlechtsidentitätsvarianz zeigen.

Die Kommentare:

Anja Peisler: "Tatsächliche Trans*idente Personen haben keine Zweifel. Ihr innerer Leidensdruck ist enorm. Ihr gesamtes Leben ist sehr schwer. Sie fiebern den Tag der Tage herbei um zum Beispiel endlich mit den gegengeschlechtlichen Hormonen zu beginnen."

Kai Herlemann, Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen: "Das ist etwas, was die Gutachtenpflicht für Operationen nicht als völlig unberechtigt erscheinen lässt." (Likes: Über 20. Darunter Lesben, Schwule, Dragqueens, AIDS-Hilfe-Mitarbeitende, ...)

Juliane Brantner: "Der Artikel zeigt natürlich die Erlebnisse eines Menschen, vergleicht dabei aber nicht, dass es den meisten anderen anders geht. Das schürt dann wieder die Einstellung 'Na, DIE können sich net entscheiden, ob Manderl oder Weiberl'."

Pia Lahner, lesbisch: "Ich seh hier den Fehler bei offiziellen Stellen. Denn natürlich sollte immer ein gewisser Zweifel bestehen, ob alle Angaben zu 100% korrekt sind, die bei Gutachtern gemacht werden. Und die ganze Prozedur in 10 Monaten durchzuziehen ist einfach zu kurz. Da hätten Krankenkassen, Gutachter, und Ärzte in der Klinik hellhörig werden müssen. [...] Betroffene sollten über einen langen Zeitraum Gutachten erstellen lassen, bereits in der Zeit als das tatsächliche Geschlecht leben." (Likes: Vor allem vom anderen Lesben)

Jobst Mahrenholz: "Da kommt ja ne Menge zusammen. Stellt sich doch die Frage, ob da richtig diagnostiziert wurde."

Oliver Zick: "In meinem Bekanntenkreis gibt, bzw. gab es sehr viele Transfrauen, Transvestiten, Drags, ... Erschreckend viele Transfrauen bereuen irgendwann den Schritt der geschlechtsangleichenden Operation."

Markus Jöckel: "Der Artikel zeigt eindrücklich, wie wichtig für Transmenschen eine gute Psychologische Betreuung ist [...]"


Ergänzend:

Anja Peisler fragte dann: " Ist Trans*ident nicht ein anderes Synonym für Trans*sexuell?"

Nein.

"Alles gehört ja in die Gruppe Transgender"

Auch das nicht.

"Transident" meint, dass jemand eine vom "biologischen Geschlecht" abweichende "Geschlechtsidentität" hat. So wird das in der Regel verstanden. Die Idee dahinter ist, dass sich Menschen einer anderen sozialen Gruppe zugehörig fühlen können, als derjenigen, die das "biologische Geschlecht" so erst einmal vorgeben würde. Dieses "biologische Geschlecht" wird dieser Perspektive nach über Genitalien definiert und das, was abweicht als "Gender Identität bezeichnet" eine Abweichung bezogen auf den Sexualpartner wird von denselben Quellen als "sexuelle Orientierung" bezeichnet. Die Idee ist, dass z.B. Männer auch andere Männer lieben können (Sexuelle Orientierung) und Männer auch als Frau leben können oder Frauen als Mann leben können (Geschlechtsidentität). Gerne wird von Menschen, welche diese Perspektive einnehmen betont, dass Menschen auch ohne Operationen "als Frau" oder "als Mann" leben können.

Diese Perspektive ist eine genital-fixierte. Es ist die Perspektive vornehmlich von Lesben, Schwulen und Transvestit*innen (also das, was heute trans* genannt wird).

Es gibt aber auch Menschen, die eine andere Perspektive haben. Diese Perspektive kommt aber in der Öffentlichkeit so gut wie nie vor. Es ist die Perspektive von Menschen mit Transsexualität. Diese Perspektive einzunehmen, meint, das biologische Geschlecht nicht an den Genitalien festzumachen, sondern anzuerkennen, dass diese (wie auch andere Merkmale des Körpers) vom Geburtsgeschlecht abweichen können. Nicht alle Männer haben einen langen Penis, manchmal ist er ziemlich kurz und manchmal eben eine Klitoris. Nicht alle Frauen haben eine kurze Klitoris. Geschlechtliche Verdrehungen des Körpers existieren.
Weicht nun der Körper vom Geschlecht eines Menschen ab, dann ist dieser Mensch transsexuell. Das sagt noch nichts zu der "Geschlechtsidentität" dieses Menschen aus. Diese kann ganz anders sein. Frauen, die transsexuell geboren werden müssen nicht immer das Verlangen haben, wie Barbiepüppchen zu leben oder nur rosa lieben.

Das Problem ist nun, dass Transsexualität unsichtbar gemacht wird. Das führt dann am Ende dazu, dass Menschen mit Abweichungen des Körpers (zum eigenen Geschlecht) nur dann Hilfe erhalten, wenn sie sich der "Geschlechtsidentitäts"-Erzählung hingeben und sich dementsprechend stereotyp verhalten, um Operationen zu erhalten. Da wird dann Gender und Sex (Sex im erweiterten Sinne und nicht beschränkt auf Genitalien) verwechselt. Diese Vermischung ist aber ursächlich der Grund, warum Menschen hinterher merken, dass eine OP ein Fehler gewesen ist.

Der Grund für Missbrauch bei der Behandlung und zugleich der Grund für die aktive Verwirrung von Menschen, die dann in OPs gedrängt werden, während andere stereotypen Unsinn über sich ergehen lassen müssen ist folgendes: Dass Transsexualität unsichtbar gemacht wird. Und lesbisch-schwule Organisationen und Transvestitenvereine sowie Lesben, Schwule und Transvestit*innen in der Medizin, tragen einen grossen Teil dazu bei. Indem sie ja beispielsweise nicht von LSBTTIQ sprechen, sondern nur von LSBTIQ, oder dann meinen Transsexualität dem Bereich "Transgender" unterordnen zu müssen. Und wenn dann am Ende das Ergebnis ist, dass Menschen OPs machen lassen, die nicht nötig gewesen wären, spucken sie noch auf die Personen und wünschen sich, dass noch stärker mit der Unsichtbarmachung weiter gemacht wird. Das ist zynisch.

Fazit:

Offenbar wollen Menschen, die Geschlecht über Genitalien definieren, Menschen mit Transsexualität nicht zu Wort kommen lassen. Sie engagieren sich dafür, dass Transsexualität zu einer Frage der Geschlechtsidentität umdefiniert wird (oder zumindest nicht dafür, dass damit aufgehört wird), engagieren sich in LGBTI-Kreisen, werden Mediziner*innern und Psycho*sexologinnen, führen Begutachtungen in Fragen der "Geschlechtsidentität" ein, sind der Ansicht, dass mehr Expert*innen her müssten und wenn dann das Ergebnis dieser Massnahmen ist, dass ein Mensch in eine Operation gedrängt wird, die er nicht wollte, wird gesagt, es braucht mehr Menschen, die gerade so weiter machen.

Wir haben da einen anderen Vorschlag: Hört endlich auf damit Transsexualität unsichtbar zu machen. Wäre das eine Idee? Körper können vom Geschlecht eines Menschen abweichen. Das hat wenig mit "Geschlechtsidentität" zu tun. Es wäre nett, wenn das ankäme. Lasst uns endlich offen und ehrlich darüber reden. Ok?

Vielleicht sind die Feiertage eine Zeit, darüber mal nachzudenken.

Schöne Weihnachten.