Presserat spricht Hinweis gegen Focus aus

"Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden." heisst es in Ziffer 12 des Deutschen Pressekodex. Im Falle der Berichterstattung über den Tod einer transsexuellen Frau aus Italien, die laut Medienberichten zuvor in einen "Sex-Skandal" Silvio Berlusconis verwickelt gewesen sein soll, ist der Deutsche Presserat nun einer Beschwerde von Aktion Transsexualität und Menschenrecht gefolgt. Da das Nachrichtenmagazin Focus in seinem Artikel vom 20. November 2009 durchgängig männliche Personalpronomen verwendet und die Tote als "er" bezeichnet hatte, hat der Presserat nun einen Hinweis an die Redaktion des Nachrichtenmagazins ausgesprochen - ein wichtiges Signal für die Einhaltung der Menschenrechte transsexueller Menschen.

Der Deutsche Presserat führt im Einzelnen aus:

A. Zusammenfassung des Sachverhalts

FOCUS-ONLINE veröffentlicht am 20.11.2009 einen Beitrag unter der Überschrift „Sex-Skandal um Politiker in Rom". In dem Beitrag geht es um einen Oppositionspolitiker, der eine Affäre mit einer transsexuellen Frau gehabt haben soll. Diese wurde tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Dem Beitrag beigestellt ist ein Foto der Frau Brenda. In dem Beitrag wird von der transsexuellen Frau stets als „der Transsexuelle" gesprochen.

Die Beschwerdeführerin erkennt einen Verstoß gegen den Pressekodex, da es sich bei der transsexuellen Frau um eine Frau und nicht um einen Mann handelt. Es sei nicht das richtige Personalpronomen verwendet worden und somit liege ein Verstoß gegen die Ziffern 1, 2 und 12 vor.

Mit Schreiben vom 15.02.2010 antwortet die Tomorrow Focus AG, dass sie die Beschwerde für unbegründet hält. FOCUS-Online habe sich bei der männlichen Geschlechtsangabe, die in dem Artikel für „Brenda" verwendet wurde, auf die übereinstimmende Berichterstattung der Nachrichtenagenturen DPA und AFP verlassen und dürfe dies auch. Die beiden Meldungen des fraglichen Tages, auf die als Quelle in dem Artikel auch hingewiesen werde, füge man als Anlage bei. Die Forderung des Presserats, bei der Beschreibung von Personen sorgfältig und restpektvoll vorzugehen, sei für die Redaktion eine Selbstverständlichkeit. Die Sorgfaltsanforderungen könnten jedoch nicht so weit gehen, dass alle Angaben renommierter Nachrichtenagenturen durch weitere eigene Recherchen überprüft werden müßten. Eine solche Forderung wäre für ein Nachrichtenportal, das einen umfassenden Überblick über das Zeitgeschehen bieten wolle, wirtschaftlich nicht zu erfüllen.

Es entspreche auch der Spruchpraxis des Presserates, dass eine Redaktion sich in der Regel darauf verlassen müsse, dass Nachrichtenagenturen ihre Meldungen sachgerecht nachrecherchiert hätten und diese korrekt seien. Der gleiche Vertrauensgrundsatz sei im Presserecht ganz allgemein anerkannt. Zudem sei den Agenturmeldungen auch nicht zu entnehmen, dass „Brenda" in Wahrheit eine Frau sei. Genau genommen enthalte nicht einmal die Beschwerde hierfür irgendeinen Anhaltspunkt. Transsexualität gebe es in beide Richtungen. Lange Haare oder sekundäre Geschlechtsmerkmale gäben keine verlässliche Auskunft. Es sei daher auch rückblickend völlig in Ordnung gewesen, dass die Redaktion sich auf die Agenturmeldung verlassen habe.

B. Erwägungen des Beschwerdeausschusses

In der vorliegenden Berichterstattung über den Sexskandal in Rom wird dem Beitrag ein Foto zugestellt, auf dem eine Frau zu erkennen ist. Auch wenn sich die Redaktion darauf bezieht, dass die Nachrichtenagentur dpa und AFP übereinstimmend die männliche Geschlechtsangabe gewählt haben, so hätte der Redaktion spätestens mit dem Beistellen des Fotos deutlich werden müssen, dass es sich hier um eine Frau handelt. Der Beschwerdeausschuss erkennt durchaus die Schwierigkeit in der vorliegenden Berichterstattung an, nicht genau zu wissen, welche Geschlechtsbezeichnung man wählen soll, eben weil die Agenturen eine männliche Bezeichnung wählten. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder kam jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kontext durch das Foto deutlich macht, dass es sich bei Brenda um eine Frau und nicht um einen Mann handelt. Von daher hätte die korrekte Beschreibung auf einen weiblichen Artikel lauten müssen. Der Beschwerdeausschuss wird jedoch diese Beschwerde auch zum Anlass nehmen, die Agenturen dpa und AFP in diesem Fall noch einmal anzuschreiben, um sie darauf hinzuweisen, dass auch sie insbesondere bei der Berichterstattung über transsexuelle Menschen auf die Anwendung des richtigen Geschlechtsartikels achten sollen. Da auf dem beigestellten Foto zu der Meldung eine Frau zu sehen ist, die Geschlechtsbezeichnung im Beitrag jedoch männlich ist, erkennt der Presserat einen Vestoß gegen die Ziffer 12* des Pressekodex.

C. Ergebnis

Als Ergebnis seiner presseethischen Bewertung erteilt der Beschwerdeausschuss der Redaktion gemäß § 12 Beschwerdeordnung einen Hinweis.
Die Entscheidung über die Begründetheit der Beschwerde ergeht sieben Ja-Stimmen und einer Enthaltung, die Entscheidung über die Wahl der Maßnahme ergeht fünf Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und einer Enthaltung.


Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. bedankt sich beim Deutschen Presserat für diesen Schritt, kann er doch dazu beitragen andere Redaktionen zu sensibilisieren, über transsexuelle Menschen respektvoll zu berichten. Insbesondere kann es aber auch den vielen Vereinen, die sich für die Belange transsexueller Menschen in Deutschland einsetzen, Mut machen sich noch konsequenter für die Rechte transsexueller Menschen einzusetzen.

Downloads:

Entscheidung des Beschwerdeausschusses 2 zu Focus Online
Originalmeldung des Focus vom 20.11.2009