Ausweitung der Pathologisierung verhindern

Am 9. Februar hat die APA (American Psychiatric Association) ihre Vorschläge zur Reform des Buches der psychischen Störungen, dem DSM V, der 2012 erscheinen soll, veröffentlicht. So soll es auch bei der Einteilung und Beschreibung transsexueller Menschen Neuerungen geben.
 
Neben einer kosmetischen Korrektur der Begriffe ("gender identity disorder" soll z.B. durch den Begriff "gender incongruence" ersetzt werden) soll wohl in erster Linie der Eindruck erweckt werden, man hätte die internationalen Proteste, die sich gegen eine Pathologisierung von transMenschen ausgesprochen hatten, ernst genommen. Das Gegenteil scheint aber genau der Fall zu sein - so hält die Gender-Arbeitsgruppe unter der Leitung des Kanadischen Umpolungstherapeuten Ken Zucker, in der auch deutsche Sexologen mitwirken (wie z.B. Friedemann Pfäfflin aus Ulm), an einer Geschlechtervorstellung fest, die nicht anerkennen will, dass es sich bei transsexuellen Frauen um Frauen handelt und bei transsexuellen Männern um Männer. So sprechen die Macher des DSM-Arbeitspapieres noch stärker von "Männern, die wie Frauen fühlen" ("a man [...] believes he has the typical feelings of a woman") oder "Frauen, die wie Männer fühlen", anstatt die biologische Existenz transsexueller Menschen endlich anzuerkennen.

Eine weitere Sorge bereitet aus menschenrechtlicher Sicht eine Ausweitung der Pathologisierung auf Menschen, die bisher noch wenig Notiz von den Ideologien der internationalen Sexologie genommen haben. So sollen in Zukunft neben eindeutig transsexuellen Menschen auch all diejenigen in den Genuss kommen als "geisteskrank" eingestuft zu werden, die bisher gar nicht erwähnt wurden: Queere oder feministische Lebensentwürfe, bei denen Menschen nicht eindeutig die ihnen bei der Geburt zugewiesene Geschlechtsrolle erfüllen, gelten in Zukunft ebenso als psychische Störung wie auch das geschlechtliche Wissen intersexueller Menschen, die beispielsweise bei der Geburt oder im Kindesalter genitale Zuweisungen durch Chirurgenhand erfahren haben und hinterher feststellen, dass diese geschlechtliche Fremdbestimmung falsch gewesen ist.

Vermutet werden darf, dass die Pläne der APA-Gruppe eine Reaktion auf die weltweiten Proteste von trans- sowie intersexuellen Menschen ist, endlich ernst genommen zu werden und die APA hier vor hat, durch eine Neuformulierung des Kapitels der "gender identity disorders" noch stärker als bisher die Verantwortung für die in vielen Ländern praktizierten Menschenrechtsverbrechen abzustreiten. Zwar ist es jetzt schon schwer, die Beteiligten der Medizin für geschlechtliche Fehlzuordnungen verantwortlich zu machen, doch könnte es, sollten die Pläne der APA Wirklichkeit werden, in Zukunft noch leichter sein, Menschen, die zu Recht eine Benennung der Täter fordern, als "gender incongruent" zu betiteln und tatsächlich stattfindende Menschenrechtsverbrechen zur reinen Befindlichkeit der Opfer zu erklären.

Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. ruft alle Verbände und Organisationen auf, sich hier stärker als bisher solidarisch mit den Menschen zu zeigen, die von geschlechtlichen Abweichungen betroffen sind. Wir rufen dazu auf, transsexuelle und intersexuelle Menschen endlich als biologisch existent anzuerkennen. Wir rufen dazu auf, endlich diejenigen als Täter zu outen, die das Wissen um das eigene Geschlecht eines Menschen als Befindlichkeit verstehen wollen und nicht bereit sind, sich von aktiquierten Geschlechtervorstellungen zu lösen. Eine Ausweitung der Gender-Stereotypisierung von Geschlecht kann nicht im Sinne der Menschenrechte sein.

Wir fordern die deutsche Politik auf, die Interessen von Menschen, die von biologischen Geschlechtsabweichungen betroffen sind, endlich ernst zu nehmen. Die Zwangssterilisationen transsexueller Menschen und die Zwangsverstümmelungen intersexueller Menschen dürfen nicht durch eine Neufassung der Bücher der psychischen Störungen und der Ausweitung der Psycho-Pathologisierung dieser Menschen, die auch eure Kinder sind, noch stärker vertuscht werden, als das bisher schon der Fall ist. Helft mit, die Pläne der APA zu verhindern.

Hier die Drafts vom Februar 2010:
 
 
Zu den Personen:

Ken Zucker ist ein kanadischer Sexologe, der vorallem deswegen in den letzten Jahren verstärkt von Menschenrechtsorganisationen kritisiert wird, da er Umpolungstherapien von Kindern, die sich gender-atypisch verhalten propagiert (wer mit dem falschen Spielzeug spielt gilt bereits als gender-atypisch). Auf diese Therapien berufen sich auch deutsche Kollegen von ihm, wie z.B. der Kindertherapeut Bernd Meyenburg an der Universität Frankfurt oder auch der Direktor des Instituts für Sexualwissenschaften und Sexualmedizin an der Charité  in Berlin, Klaus M. Beier.

Friedemann Pfäfflin ist Leiter der Sektion Forensische Psychotherapie der Universitätsklinik Ulm.