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Die AfD bläst zum Kampf gegen das "Recht auf Geschlechtsumwandlung"

Wie queer.de berichtet plant die AfD-Politikerin Beatrix von Storch 200-tausend Flyer drucken zu lassen, in denen Widerstand gegen das "Recht auf Geschlechtsumwandlung" angekündigt wird. In einem Artikel vom 18. Januar, der den Islam thematisiert, äussert sich Wolfgang Prabel, Autor der AfD-Hauszeitung "Freie Welt" ähnlich: Er schreibt von geschlechtsumgewandelten Transvestiten. Die AfD traut sich immer mehr, zuzugeben, dass sie ein Rassen- und Bevölkerungspolitik betreiben will, das uns an Zeiten erinnert, die wir längst hinter uns geglaubt haben.

Auf der Website der AfD-Initiative "Familienschutz" steht die Parole "Ein Fisch ist ein Fahrrad und ein Mann keine Frau". Wenn dann im selben Artikel von "die größte Bedrohung der Familie seit Nationalsozialismus" geschrieben wird, dann sollte man sich fragen, ob sich die AfD damit sich selbst meint. Hier eine kleine Erinnerungshilfe:

In den 20er-Jahren existierte in Berlin das Institut für Sexualwissenschaft. Der Leiter dieses Institutes war der jüdische Mediziner Dr. Magnus Hirschfeld. Hirschfeld erforschte geschlechtliche Variationen und stellte fest, dass kein Mensch auf diesem Planeten der binären Idee von "Mann" und "Frau" entspricht. Genitalien, Brustwarzen, Körpergrösse, etc. können sich je nach Individuum so entwickeln, dass deren Ausprägung eher jeweils einem Spektrum von männlich bis weiblich entspricht und nicht dem binären Zustand männlich ODER weiblich. Manchmal kommt es vor, dass Genitalien nicht den Chromosomen entsprechen oder andere Merkmale in ihrer geschlechtlichen Ausprägung weit auseinander liegen. Ist sich ein Mensch darüber im Klaren, dass körperliche Merkmale von seinem Geschlecht abweichen, sprechen wir von "Transsexualität".

Transsexuelle Frauen sind demnach Frauen, die - vereinfacht gesagt - als Mädchen mit Penis und Hoden geboren werden. Sie wissen in der Regel gut über ihr Geschlecht Bescheid.

Das Institut von Magnus Hirschfeld wurde im Rahmen der Bücherverbrennung von den Nationalsozialisten zerstört. Grund dafür war, dass die Nationalsozialisten ein klares bevölkerungspolitisches Ziel hatten: Menschen nach Rassen zu trennen und unterschiedlich zu bewerten war eines davon. Dies führte beispielsweise zur Judenverfolgung und dem Mord an über 5 Millionen Juden. Das andere Ziel der Nationalsozialisten war, Abweichungen zur geschlechtlichen Norm zu verhindern. Darunter gehörte die Ermordung intersexueller Menschen, die Sterilisation homosexueller Menschen und die Verfolgung transsexueller Menschen. Transsexuelle Frauen, die in der NS-Zeit als "Mann" galten, kamen in die KZs.

Hintergrund der NSDAP war ein bestimmtes Weltbild: Dieses Weltbild basiert auf klaren identitären Vorstellungen. Neben einem klaren rassistischen Bild über "andere Menschen" hatten die Nationalsozialisten ein ebenso klares Frauenbild: Frauen waren lediglich Mütter, die Kinder in die Welt setzen sollten. Die Aufgaben sollten klar geregelt sein... die Welt aufgeteilt werden in rosa und blau. Letztlich wollte die NSDAP so etwas wie der "Familienschutz" der AfD: Ein bevölkerungspolitisches Programm des Staates mit dem Ziel, klare Gender-Rollen vorzuschreiben. Was das für transsexuelle Frauen bedeutet, die von der AfD als "Transvestiten" oder "Männer" bezeichnet werden, wollen wir uns gar nicht ausmalen.

"Die größte Bedrohung der Familie seit Nationalsozialismus" schreibt die Initiative Familienschutz der AfD. Ob ihnen klar ist, dass sie die Bedrohung ist? Wer genau dasselbe will wie die Nationalsozialisten, wem eine Bevölkerungspolitik ala NSDAP vorschwebt, wer geschlechtliche Vielfalt verhindern will (die in der Biologie ja vorhanden ist) wie die Leute, die damals zwischen 1933-1945 Deutschland in Schutt und Asche gelegt haben, der sollte sich einen Spiegel kaufen. Langsam machen wir uns ernsthaft Sorgen.

Noch einmal zur Erinnerung (auch für queer.de): Transsexuelle Frauen sind Frauen. Sie sind mit vermännlichtem Körper geboren. Sie sind keine Männer, keine Ex-Männer, nicht "geschlechtsumgewandelt" und auch keine Transvestiten. Auch wenn die AfD das behauptet.

Geschlechterschubladen und Fragen an die Grünen.

In Bezug auf die Ergebnisse einer Umfrage des UKE, die sich u.a. mit der Frage beschäftigt hatte, wie Menschen, die geschlechtlichen Normen nicht entsprechen, selbst von sich sprechen, hatten wir der Grünen Bundestagsfraktion einen Fragenkatalog zugesendet. Die Grünen hatten am 17. Dezember eine Kleine Anfrage formuliert, in der von "Intergeschlechtliche Menschen in Deutschland" die Rede war. Laut der Ergebnisse der Umfrage des UKE, die am 25.11.2015 in Berlin vorsgestellt wurde, präferierieren die Erfahrungsexpert_innen ("Betroffene") die Bezeichnung "Varianten der körpergeschlechtlichen Entwicklung", während Dritte von "Intergeschlechtlichkeit" sprechen.

Da wir Menschen mit Intersex-Diagnose in unserem Verein haben, und wissen, dass es unmöglich ist, so etwas wie eine Trennung zwischen "Trans*menschen" oder "Inter*Menschen" vorzunehmen, erachten wir die Bezeichnung "Intergeschlechtlichkeit" als politisch gewollt, um Geschlechterschubladen zu konstruieren, Gruppen voneinander abzugrenzen (basierend auf identitären Konstruktionen), und geschlechtliche Macht ausüben zu können. Das Spiel "teile und herrsche" gehört mit zu der Machtausübung über Menschen, deren Körper nicht der Norm entspricht. Die Idee einer "Trans-" oder "Inter-"geschlechtlichkeit deutet Geschlecht anhand kultureller Vorstellungen von Geschlecht und ist nicht geeignet geschlechtliche Vielfalt begreifbar zu machen. Im Gegenteil: Die Teilung in identitäre Gruppierungen wie "Trans*menschen", "Inter*menschen", "Homo*menschen" etc. dient dem Errichten von gesellschaftlich konstruierten Grenzziehungen um sich Geschlecht medizinisch und staatlich verfügbar zu machen.

Aus Sorge um eine Entwicklung, die wir als kritisch erachten, hatten wir die Grünen um Stellungnahme gebeten.

Hier eine Zusammenfassung der Antworten.

1. Warum verwenden die Grünen den Begriff „Intergeschlechtlichkeit“, obwohl klar aus einer Studie des UKE hervorgeht, dass ErfahrungsexpertInnen sich selbst so NICHT bezeichnen, sondern Menschen mit „körperlichen Variationen“ bevorzugen?

Was die Selbstbezeichnung der Erfahrungsexpert*innen betrifft, gibt es keine einheitliche Nomenklatur. Beim letzten, am 04.11.2015 stattgefundenen Fachaustausch zum Thema Intergeschlechtlichkeit/-sexualität des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gab es viele intergeschlechtliche/-sexuelle Menschen, die die Bezeichnung „Intergeschlechtlichkeit“ deutlich präferiert haben. Deshalb haben wir sie zum ersten Mal in unserer parlamentarischen Arbeit benutzt.

2. Wie bewerten die Grünen, dass auch „Transgeschlechtlichkeit“ von ErfahrungsexpertInnen als Begriff abgelehnt wird – und zwar aus ähnllchen Gründen, wie „Intergeschlechtlichkeit“: Der Reduzierung von Geschlecht auf körperliche Merkmale und die genitalistische Gleichsetzung Körpermerkmal = Geschlecht des Menschen.

Wir nehmen diese Information zur Kenntnis und weisen darauf hin, dass wir den Begriff „Transgeschlechtlichkeit“ in unserer parlamentarischen Vorlagen noch nie benutzt haben (sehe beispielsweise: Große Anfrage „Zur internationalen Lage der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen“ http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/069/1806970.pdf)

3. Warum verweisen die Grünen auf ein höchst problematisches Papier der ADS, in welchem nicht geschlechtliche Vielfalt (LSBTTIQA) anerkannt wird, sondern beispielsweise Transsexualität synonym mit Trans*Identität genannt wird?

Die Frage soll dazu dienen, nach den Aktivitäten der Bundesregierung in diesem Bereich sowie nach der Umsetzung der existierenden Forderungen zu fragen.

4. Ist den Grünen der Unterschied zwischen Genderidentität und Körperwissen bewusst? Ist den Grünen klar, dass „Transsexualität“ sich auf den Körper bezieht (z.B. wenn ein Mädchen weiss, einen vermännlichten Körper zu „besitzen“), aber „Trans*identität“ sich auf Gender-Identität bezieht, also auf eine soziale Identifikation?

Ja.

5. Ist den Grünen klar, dass Menschen mit intersex-Diagnose auch transsexuell sein können (z.B. wenn sie wissen, Frau oder Mann zu sein, deren körperliche Merkmale Variationen aufweisen, sprich: transsexuell ausgebildet sind)?

Ja.

6. Erkennen die Grünen an, dass Intersexualität, Trans*Identität und Transsexualität sich auf unterschiedliche geschlechtliche Ebenen des Menschen beziehen und von daher keine „Intermenschen“ von „Transmenschen“ abgegrenzt werden können?

Es gibt „Intermenschen“, die sich in ihrer Identität von „Transmenschen“ klar abgrenzen. Das nehmen wir ebenfalls zu Kenntnis und akzeptieren es selbstverständlich.

7. Ist den Grünen bewusst, dass Sätze wie „Wenn sich schon nach der Geburt zweifelsfrei ergeben hat, dass das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann“ deswwegen problematisch sind, da die Zuordnung selbst auf Gender-Deutung basiert (der Idee, ab wann ein Körpermerkmal nicht mehr der Norm entspricht), anstatt auf biologischen Tatsachen?

In der Tat ist die Formulierung problematisch. Die Frage bezieht sich allerdings auf die Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (VwV-PStG), die diese Formulierung benutzt.

8. Ist den Grünen klar, dass bereit eine deutliche Kritik (bereits zum CEDAW-Bericht 2008) an identitären Geschlechterkonzepten - dem biologistischen Einteilen von Menschen in Gender-Schubladen wie „Mann“ und „Frau“ (bezogen auf den Gender-Teil), aber auch „Intermensch“, „Transmensch“, etc. - formuliert wurde?

Ja.

9. Ist der Bundestagsfraktion der Grünen bewusst, dass die Schriftreihe der ADS nicht den Erfahrungen der transsexuellen, transidenten und intersexuellen Menschen in Deutschland entspricht, sondern nur einer kleinen, aber lauten nicht-repräsentativen Lobbygruppe? Wissen Sie, dass das "Themenjahr" der ADS in seiner Umsetzung bei vielen von geschlechtlichen Normen abweichenden Menschen für ziemlich schlechte Laune gesorgt hat und die ADS von einigen bereits Diskriminierungsstelle genannt wird?

Wir nehmen diese Information zur Kenntnis, teilen aber die Kritik bezüglich der Arbeit der „nicht-repräsentativen Lobbygruppe“ und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nicht.

Der letzte Punkt ist insofern interessant, da wir die Frage an die Grünen nicht "einfach so" gestellt hatten. Wenn wir Fragen formulieren, dann basieren diese auf uns zur Verfügung stehenden Informationen. Dazu gehören neben den Rückmeldungen auf unsere Veröffentlichungen auch Erfahrungsberichte von Menschen, die auf uns zukommen, die Expertise unserer Mitglieder, aber auch Ergebnisse von Umfragen und/oder Studien. Die Einseitigkeit der Veröffentlichung der (A)DS im Themenjahr 2015 ist auch unabhängig davon offensichtlich. Wenn Menschen in "Transgeschlechter" oder "Intergeschlechter" eingeteilt werden und die Kritik an dieser identitären Geschlechterschubaldisierung bekannt ist, dann ist es nicht "vielfältig" diese einfach unberücksichtigt zu lassen. Wer trotz des besseren Wissens eine politische Agenda (gegen Menschen in diesem Land) dürchdrücken will, der hat kein Interesse sich für Minderheitenrechte einzusetzen.

Über das Wort "Minderheit" in diesem Punkt noch einmal genau nachzudenken, würde sich zudem lohnen. Es dürfte bekannt sein, dass in demokratischen Strukturen insbesondere Minderheiten von Diskriminierung betroffen sind. Das heisst, dass Antidiskriminierungspolitik immer an der kleinsten Minderheit zu orientieren hat: Dem Menschen an sich. Dies ist das Prinzip der Menschenrechte. Unabhängig unserer Skepsis darüber, dass die Geschlechterschubladenpropaganda, die uns da bis zum Erbrechen vorgesetzt wurde, wirklich dem enspricht, wie sich Erfahrungsexpert_innen (die "Betroffenen") das wünschen (siehe: der Anfang dieses Artikels), wäre selbst dann äusserste Skepsis in der Beurteilung der Arbeit der (A)DS angebracht, wenn dem nicht so wäre und sich tatsächlich eine Mehrheit origanisieren liesse, die sich mit der "Transmenschen"-"Intermenschen"-Schubladiserung einverstanden erklären würde, und diese konstruierte "Mehrheit" (die wir in seiner Existenz stark bezweifeln - Lobbyismus hin oder her) dann zum Mass aller Dinge genommen würde. Es würde dann nämlich bedeuten, dass die (A)DS Mehrheitspolitik präferierte, anstatt sich für den Schutz von Minderheiten einzusetzen.

Hier würde auch den Grünen gut zu Gesicht stehen, sich etwas mehr mit dem Prinzip der Menschenrechte auseinander zu setzen. Menschenrechte sind die Rechte eines jeden (einzelnen!) Menschen. Sobald dieses Prinzip verletzt wird, und daraus Gruppenrechte werden, oder sogar Gruppen konstruiert werden (wie eben "Inter*menschen" oder "Trans*menschen") ist dies der erste Schritt, um das Prinzip der Menschenrechte zu verlassen. Wer Schubladen konstruiert, dem geht es um Lobbyismus und eine politische Agenda, in der es nicht darum geht, allen Menschen gleiche Rechte zukommen zu lassen, sondern in der die Rechte von Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Und das ist dann nicht das, was wir unter dem Einsatz für Menschenrechte verstehen, sondern genau das Gegenteil davon. Es ist Herrschaftspolitik.

Die Präsentation des UKE: Link