Transsexuelle Menschen - Respekt vor biologischen Realitäten in den Medien

Folgende Stellungnahme hat ATME e.V. am 15. Juli 2009 an einige deutsche Medien und den Deutschen Presserat geschickt:

Es ist manchmal nicht einfach biologische Tatsachen zu akzeptieren, besonders dann nicht, wenn Menschen aus der Medizin und diejenigen, welche Gesetze formulieren, sich mehr von Ideologien beeinflussen lassen, als von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Trotzdem ist es gerade dann für Medienschaffende wichtig, genauer hinzusehen, Ungereimtheiten aufzudecken und mögliche Missstände aufzudecken, wenn Menschen von Ideologien nicht nur indirekt sondern direkt betroffen sind. Das sollte auch so sein, wenn es um transsexuelle Menschen geht.

Bis heute wird allzugerne ein Geschlechtsbild aufrecht erhalten, dass entgegen allen uns zur Verfügung stehenden Wissens steht und transsexuellen Menschen bis heute nicht nur das Leben schwer macht, sondern durch Ignoranz und Desinteresse am Eigentlichen weiterhin eine Ungleichbehandlung, Diskriminierung und Aberkennung von Menschenrechten ermöglicht.

Wir wehren uns gegen die Unwahrheiten, die weiterhin über transsexuelle Menschen verbreitet werden. Zu den Unwahrheiten und Unlogiken gehören einige Behauptungen, deren zentrale, die folgende ist: Transsexuelle Menschen würden ihr Geschlecht wechseln.

In vielen Berichten und Abhandlungen über transsexuelle Menschen ist zu lesen, sie wechselten ihr Geschlecht. Begriffe wie "Geschlechtsumwandlung" und Satzbausteine wie "sie war mal ein Mann" oder "er ist als Frau geboren" sind häufig zu lesen. Häufig wird auch von "biologischen Männern" gesprochen, die sich "fühlen wie eine Frau" (wobei kein Mensch wissen kann, wie sich ein anderer Mensch denn so geschlechtlich fühlt, ohne hier Klischees zu gebrauchen).

Hier ein Beispiel:

"Es ist die unglaubliche Geschichte eines Kindes aus dem Rheinland, das sich gefangen fühlte im falschen Körper, schon seit es zwei war. Tim spielte immer mit Barbies. Mit vier Jahren griff er zur Schere, hielt sie an sein Glied und drohte: "Jetzt schneid ich es ab!""
(aus dem Berliner Kurier vom 15. Juli 2009)

Nun ist es aber kein Geheimnis, dass das biologische Geschlecht des Menschen in Wirklichkeit weitaus komplexer ist, als gerne mal (auch in der Medizin) behauptet und die geschlechtlichen Facetten eines Menschen - wie Chromosomen, Hormonwerte, Innere Sexualorgane, Genitalien, usw. - sich nicht immer nur 100-prozentig männlich oder 100-prozentig weiblich herausbilden. Genauso wenig lässt sich aus den Naturwissenschaften und Forschung ableiten, dass sich die geschlechtlichen Facetten eines Menschen immer auf einer "geschlechtlichen Seite" befinden müssen.

Die Behauptung transsexuelle Frauen wären biologische Männer ist daher nicht Ergebnis wissenschaftlicher Erkenntnisse sondern Produkt geschlechtsstereotyper Ideologien.

Die Folgen dieser Ideologien sind bis heute fatal. So werden z.B. transsexuelle Mädchen, die mit Penis und Hoden geboren werden, bis heute von verblendeten Geschlechtsideologen als identitätsgestörte Jungs betrachtet, die gerne Mädchenkleidung tragen und mit Puppen spielen und deswegen eine Geistesstörung haben sollen. Diese erfundene "Geschlechtsidentitätsstörung" ähnelt der Störung, die bis Anfang der 70er-Jahre noch homosexuellen Menschen unterstellt wurde, da man sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingestehen wollte, dass auch im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung des Menschen die Natur vielfältiger ist, als irgendwelche konstruierten Geschlechterklischees. Diese Klischees existieren bei transsexuellen Menschen allerdings bis heute.

Transsexuelle Mädchen werden nicht nur dann wie geisteskranke Jungs behandelt, wenn sie eine medizinische Korrektur ihrer körperlichen "Fehlbildungen" wünschen, man verwehrt ihnen auch bis heute die rechtliche Anerkennung als "Frauen", wenn sie sich zuvor nicht per Gesetz dazu bereit erklärt haben, sich als "geschlechtsidentitätsgestörte Männer" begutachten zu lassen. Diese Frauen werden als Männer behandelt, die gerne Frauen "wären" - ihre biologische Zugehörigkeit zu ihrem Geburtsgeschlecht wird ihnen bis heute auf Grund von unwissenschaftlichen Ideologien verwehrt. Die Folgen dieser Aberkennung ihrer biologischen Existenz sind nicht selten psychische Probleme (bis hin zum Suizid der Betroffenen), Gedrängt werden in die soziale Isolation, der Verlust des Arbeitsplatzes und Auslösen schwerer psychischer Traumata.

Gerade hier, wenn man den Hintergrund und die Folgen einer geschlechtlichen Fehlzuordnung kennt, sollten Medien doch die Aufgabe haben Klischees zu hinterfragen, anstatt sich blindlings weiterhin daran zu beteiligen weiteres Leid auszulösen.

Hier ein weiteres Beispiel für eine unreflektierte Fehlzuordnung transsexueller Menschen und eine, die ebenso zeigt, welche Ignoranz transsexuellen Menschen meist entgegengebracht wird:

"Transsexuelle Menschen sind sich sicher: Das Geschlecht, dem sie zugeordnet werden, ist das falsche. Sie sehnen sich nach dem Gegengeschlecht - wollen also das sein, was sie - biologisch gesehen - nicht sind."
(HWelt, 29.Juni 2009)

Obwohl hier richtig dargestellt wird, dass transsexuelle Menschen ihr Geburtsgeschlecht kennen ("...sind sich sicher..."), wird ihnen unterstellt das biologische "Gegengeschlecht" werden zu wollen. Wie schon oben dargestellt, wird hier ein angebliches "biologisches Geschlecht" behauptet, dass bei näherem hinsehen nichts weiter ist, als eben eine Behauptung.

Das "biologische Geschlecht" eines Menschen ist bis heute nicht messbar. Man weiss aber sicher, dass das biologische Geschlecht eines Menschen ebensowenig automatisch am Vorhandensein oder Fehlen eines Penis abzulesen ist, wie man es auch nicht auf xx- oder xy-Chromosomen reduzieren kann, was z.B. an der Existenz von xx-Männern oder xy-Frauen erkennbar ist.

Wir fordern die deutschen Medien daher auf, die Geschlechtsidentität transsexueller Menschen nicht weiterhin als "unwahr", "Wunsch das Geschlecht zu wechseln", oder "psychische Störung" zu verkaufen, sondern sie als Teil der biologischen Wahrheit zu betrachten. Wir fordern zudem, dass Artikel und Berichte, die das übliche Geschlechtsklischee bedienen (z.B. durch Überschriften wie "sie war mal ein er" oder "er war mal eine sie") von Presserat und Medienanstalten als kritisch eingestuft werden, da sie nicht darauf abzielen, aufzuklären, Geschlechterklischees abzubauen oder die biologische Realität darzustellen. Wir forden, dass die deutschen Medien Geschlechterideologien bekämpfen, anstatt sie durch Fehlberichterstattungen über transsexuelle Menschen noch zu stärken, die indirekt für Diskriminierungen (sei es im Berufsleben, im Alltag oder im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung) im realer Leben transsexueller Menschen sorgen.

Wir fordern die Akzeptanz realer Lebewesen - Menschen, die biologisch existieren. Dies sollte nicht zu viel verlangt sein.

Mit freundlichen Grüssen,

Kim Anja Schicklang
1. Vorsitzende
Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V.