Frankreich: Notwendigkeit der Unfruchtbarkeit für Personenstandsänderungen

Durften sich Menschenrechtsorganisationen transsexueller Menschen in Frankreich vor kurzem noch freuen, dass ihre Regierung Transsexualität nicht mehr als Geisteskrankheit auffasst, werden sie nun mit einem schweren Rückschlag konfrontiert: Wer in Frankreich als transsexueller Mensch Papiere erhalten möchte, die sein eigentliches Geschlecht ausweisen, muss unfruchtbar sein. Dies bestätigte Michel Mercier, der seit dem 14. November 2010 amtierende Justizminister Frankreichs.

Er äusserte zur Jahreswende in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage, dass eine Unumkehrbarkeit einer geschlechtlichen Änderung vorliegen müsse, die einige "körperliche Aspekte, einschliesslich der Unfruchtbarkeit" beinhalte. Der Nachweis der Unfruchtbarkeit müsse für die Änderung der Geschlechtspapiere erbracht werden. Die Transsexuellenorganisation "Trans-Aide" bezeichnete dieses Statement in einer Pressemitteilung vom 4. Januar 2011 als Heuchelei. So hätten sich Gerichte, die in Frankreich von Fall zu Fall die "unumkehrbare Umwandlung" überprüfen, in Vergangenheit mehr an chirurgischen Eingriffen orientiert. Die Französische Regierung hätte nun die Anweisung erteilt, in Zukunft verstärkt die Unfruchtbarkeit durch Hormonsubsitution als Kriterium für die Überprüfung heranzuziehen.  

Am 29. April 2010 hatten die Vertreter des französischen Parlaments im Europarat noch für die Resolution 1728 gestimmt, in dem die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen werden, den geschlechtlichen Status transsexueller Menschen auch ohne Zwangssterilisationen und anderer medizinischen Massnahmen anzuerkennen. Bereits im Frühjahr 2009 hatte die ehemalige Gesundheitsministerin Frankreichs, Roselyne Bachelot, mit der Abschaffung von Transsexualität als psychische Störung ein "starkes Signal" setzen wollen.

Diese widersprüchliche Haltung, einerseits für die Abschaffung der Zwangssterlisationen zu stimmen, andererseits die Beibehaltung solcher Regelungen zu bestätigen, mag dem Umstand geschuldet sein, dass auch in Frankreich die Menschenrechtsgruppen noch nicht deutlich genug machen konnten, dass z.B. eine transsexuelle Frau kein "Mann mit psychischer Störung" ist, aber ebenso wenig ein Mann ohne psychische Störung.

Es wird Aufgabe der französischen Transsexuellenorganisationen sein, ihrer Regierung klar zu machen, dass geschlechtliche Vielfalt keine Frage von Wünschen ist und es daher keinen Grund gibt, die selbstbestimmte Korrektur der Geschlechtspapiere transsexueller Menschen zu verhindern.

Link zur Pressemitteilung von Trans-Aide: Hier

Weitere Links:

Resolution 1728, Discrimination on the basis of sexual orientation and gender identity (2010)
Artikel: In Frankreich ist Transsexualität keine psychische Störung mehr (2009)