ATME kritisiert Transphobie in deutschen Printmedien

Viele Zeitungen berichteten diese Tage über den Sohn der Sängerin Cher. Er hat sich nun als Transmann geoutet und betont, dass er schon immer wusste, dem männlichen Geschlecht zu zugehören. Keine deutsche Zeitung (selbst die deutsche Ärztezeitung nicht) hat es allerdings geschafft, hier aber die Geschlechtsientität des Sohns von Cher zu respektieren - alle haben es hier vorgezogen, lieber von "Geschlechtsumwandlung" zu schreiben, oder dass die Tochter (!) von Cher nun "ein Mann werden" würde.

Zwar wies der deutsche Presserat bereits am 6. März diesen Jahres darauf hin, dass "die Presse, in Fällen von Transsexualität bei Vokabular und Beschreibung der Personen sorgfältig und respektvoll vorzugehen" habe. "Der persönliche, oft mit schwierigen Umständen einhergehende Hintergrund transsexueller Menschen sollte ernst genommen werden und nicht zu Wortspielen und dem Benutzen falscher Begriffe führen." Doch zeigten diese Aussagen des deutschen Presserates wenig Erfolg - vielleicht, weil sie nicht eindeutig genug waren?

Der Verein Aktion Transsexualität und Menschenrecht hat nun in einem Schreiben an den Presserat Deutschlands darauf hingewiesen, dass der mangelnde Respekt vor der Geschlechtsidentität transsexueller Menschen nicht nur ein Verstoß z.B. gegen die internationalen Yogyakarta-Prinzipien ist, sondern auch gegen den Deutschen Pressekodex verstößt. Zudem wurde der Presserat dazu aufgefordert, die in Deutschland vorherrschende Transphobie endlich einmal aktiver und stärker zu bekämpfen, als das bisher der Fall war. Wer die Geschlechtsidentität transsexueller Menschen respektiert, weiß, welche geschlechtlichen Zuordnungen (zum Beispiel durch die Verwendung von passenden Personalpronomen) angebracht ist. Aktiv gegen mediale Transphobie vorzugehen, sollte auch zu den Aufgaben des Deutschen Presserates gehören.

 

Zusatzinfo:
Transsexualität und der deutsche Pressekodex

So schreibt der Deutsche Presserat auf seiner Internetseite unter "Regeln für einen fairen Journalismus": "Nicht alles, was von Rechts wegen zulässig wäre, ist auch ethisch vertretbar. Deshalb hat der Presserat die Publizistischen Grundsätze, den sogenannten Pressekodex, aufgestellt. Darin finden sich Regeln für die tägliche Arbeit der Journalisten, die die Wahrung der journalistischen Berufsethik sicherstellen, so z.B.: Achtung vor der Wahrheit und Wahrung der Menschenwürde, Gründliche und faire Recherche ..."

Im Pressekodex heißt es hierzu: "Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit ... bewusst sein. Sie nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr." Wenn Cher ihren Sohn "Sohn" nennt, warum nennt ihn die deutsche Presse dann "Tochter"? Das ist sicherlich nicht "unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen". Das ist bewusste Falschdarstellung und praktizierte Transphobie.

Ziffer 1 des Pressekodex lautet: "Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde:
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien."

Wenn hier tatsächlich die Menschenwürde geachtet werden würde, dann würde auch ein transsexueller Mann als Mann geachtet werden - und nicht als psychisch gestörte Frau, die ein Mann sein möchte dargestellt werden. Denn aus welchem anderen Grund sollte man zu einem transsexuellen Mann "Frau" sagen, außer aus dem Grunde, dass man seine Selbstbeschreibung für falsch hält und dem Menschen unterstellt selbst nicht zu wissen, was und wer er ist?

Hierzu heißt es in Ziffer 2: "Ziffer 2 – Sorgfalt:
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen ... sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf ... weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen."

Wenn Cher ihren Sohn "Sohn" nennt, dann darf die deutsche Presse ihn als "Frau" bezeichnen - und das soll dann "weder entstellt noch verfälscht" sein und der "gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt" hin gehorchen? Dies soll die Aussage von Cher und ihrem Sohn " weder entstellt noch verfälscht" wiedergeben?

"Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen."
heißt es in Ziffer 8 des Pressekodex - und das tut sie, indem sie einen Mann als "Frau" bezeichnet?

In Ziffer 9 des Pressekodex lesen wir: "Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen." "Niemand darf wegen seines Geschlechts ... diskriminiert werden." (Ziffer 12) Aber das Geschlecht darf man einem transsexuellen Menschen absprechen?

Der deutsche Presserat sollte endlich mal seinen eigenen Pressekodex durchlesen und dann für dessen Einhaltung sorgen - oder ihn entsorgen, wenn sich sowieso niemand daran hält oder daran halten muss. Das Grundgesetz, im Verein mit der Ethik, stehen schon lange im Widerspruch zum deutschen Journalismus. Will man daran ernsthaft etwas ändern?