DEUTSCHLAND: Aktiv für Transphobie - Polemik

Akt 1: Deutscher Bundestag, 18. Juni

Am 18. Juni wurde im Bundestag der Gesetzentwurf der großen Koalition angenommen - gegen die Stimmen der GRÜNEN. Im Wesentlichen ging es dabei um die Umsetzung eines Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses, der die Zwangsscheidung transsexueller Menschen als grundgesetzwidrig einstufte. Eine wirkliche Änderung oder Abschaffung des Transsexuellengesetzes war von CDU/CSU und SPD eigentlich nie vorgesehen.

Beschlossen wurde somit indirekt auch, dass es transsexuellen Menschen in Deutschland nicht besser gehen solle als bisher und transsexuelle Menschen nicht die gleichen Menschenrechte haben sollen, wie nicht-transsexuelle Menschen. Nur "beschlossen", denn beraten wurde nichts. Keine, der im Bundestag vertretenen Parteien, hatte große Lust sich über so etwas zu unterhalten. Die "Reden" hierzu wurden deshalb nur zu Protokoll gegeben. Was für ein Interesse am Schicksal transsexueller Menschen!

DIE LINKE forderte immerhin eine offizielle Anhörung, also auch eine Anhörung der Betroffenen hierzu, was von den GRÜNEN unterstützt wurde - doch von den anderen Parteien mehrheitlich abgelehnt wurde. Dass es schön wäre, mal Betroffene zu einem neuen Gesetz zu befragen, hielt man für überflüssig - auch die Aufforderung der Vereinten Nationen, sich mit transsexuellen Menschen zusammen zu setzen, ging den Politikern von CDU/CSU und SPD am Wertesten vorbei. Der Antrag der LINKEN zur Verbesserung der Situation intersexueller und transsexueller Menschen wurde ebenso abgelehnt, wie der Gesetzentwurf der GRÜNEN, der für transsexuelle Menschen die vollen Menschenrechte vorsah.

CDU/CSU und SPD haben ihre transsexuellenfeindliche Haltung somit bekräftigt und die FDP sich herausgehalten um ja nicht eine zukünftige Koalition mit der CDU zu gefährden. Damit sind die Ansagen der FDP, dass sie sich für eine Verbesserung der Situation transsexueller Menschen einsetzen wolle, wertlos. Die FDP möchte eine Koalition mit der CDU - und die ist aus Prinzip  transphob. Mit der CDU wird es keine Verbesserung der Situation transsexueller Menschen geben. So unterstellte Helmut Brandt (CDU) in der zu Protokoll gegebenen Rede transsexuellen Menschen, sie würden, wenn das TSG menschenrechts- und grundgesetzkonform werden würde, die erhaltenen Menschenrechte nur "missbrauchen" um ihren Vornamen und Geschlechtseintrag zu ändern. Gabriele Fograscher (SPD), gab zwar zu erkennen, dass die SPD die Notwendigkeit einer TSG-Änderung sieht, bekräftigte aber auch ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Gesetzesvorschlag der GRÜNEN, und meinte, transsexuelle Menschen wären nicht fähig, selbst zu erkennen, welches Geschlecht sie haben, weshalb dies weiterhin vom Amtsgericht entschieden werden solle.

Nach diesem Ergebnis bleibt uns transsexuellen Menschen nur zu hoffen, dass die GRÜNEN und DIE LINKE sehr starke Parteien werden, da sie die einzigen sind, die sich auch im Bundestag offen für eine Verbesserung der Situation transsexueller Menschen einsetzten und nicht aus zukünftigen "Koalitionsgründen" schon mal sich enthielten oder für ein transsexuellenfeindliches Gesetz eintraten.


Akt 2: MDS:  Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität


Dann erreichte uns - etwas verspätet - die Richtlinien des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.) zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen bei Transsexualität. Der Bericht richtig sich nach dem TSG und den deutschen Standards - ist vor allem jedoch beeinflusst durch die transphoben Ansichten einer Sophinette Becker.

Bereits im Vorwort wird klar, dass hier keine wissenschaftlichen Grundlagen für den Text verantwortlich sind: "Störungen der Geschlechtsidentität sind charakterisiert durch ein anhaltendes und starkes Unbehagen und Leiden am eigenen biologischen Geschlecht. Sie gehen einher mit dem Wunsch und der Beteuerung, dem anderen Geschlecht anzugehören und entsprechend leben zu wollen." Hier wird gleich klar gemacht: Für den MDS gehört bei transsexuellen Menschen das Gehirn nicht zur Biologie, bzw. ist in den Genitalien enthalten. "Biologisches Geschlecht" wird fachmännisch durch die Hebammenmethode festgestellt. Die Genitalien sind identisch mit dem Gehirn, weshalb es keine Abweichungen geben kann und es sich somit bei transsexuellen Menschen nur um Menschen mit einer "Geschlechtsidentitätsstörung" handeln kann. Wobei ja bis heute wissenschaftlich die Existenz einer Geschlechtsidentitätsstörung nicht bewiesen ist. Aber was intersessiert das einen medizinischen Dienst? Biologie? Wissenschaft? Zu was ist das gut? Wir haben eine Ideologie - und das reicht doch!

Interessant ist folgender Abschnitt: "Weitere kosmetische Eingriffe: Gelegentlich besteht der Wunsch nach weiteren kosmetischen Eingriffen wie Facelifting, Nasenkorrekturen, Fettabsaugungen etc. Solche Maßnahmen fallen nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung und bedürfen in der Regel keiner Begutachtung."
"Bei Frau-zu-Mann Transsexualität besteht gelegentlich das Problem, voluminöse weibliche Brüste in der Phase der Alltagserprobung zu kaschieren. Weite Oberbekleidung, enge Unterkleidung, Mie-der bzw. Bandagen (z. B. Rippenbruchbandagen) sind als Möglichkeiten bekannt, die Brüste breit- flächig zu komprimieren. "


Im Gegensatz dazu schreibt WPATH, die Herausgeberin der internationalen "standards of care":
"Nichtgenitale chirurgische Verfahren, besonders Brustamputation bei transsexuellen Männern, und Gesichtsfeminisierende Chirurgie und/oder Brustaufbau bei transsexuellen Frauen werden … routinemäßig durchgeführt. Diese chirurgischen Eingriffe sind häufig von größerer praktischer Bedeutung im täglichen Leben des Patienten, als eine Rekonstruktion der Geschlechtsorgane." ...
Die medizinischen Verfahren zur Geschlechtsangleichung sind nicht "Schönheitsmittel" oder "Wahl" oder für die bloße Annehmlichkeit des Patienten. Diese das Geschlecht wiederherstellenden Verfahren ... werden ... als notwendig verstanden, für die Behandlung der diagnostizierten Vorbedingung. ... Diese medizinischen Verfahren und protokollierten Behandlungen sind nicht experimentell: Jahrzehnte sowohl der klinischen Erfahrung als auch der medizinischen Forschung zeigen, dass sie für das Erzielen des Wohlbehagens für den transsexuellen Patienten notwendig sind."

Die vom MDS vertretenen Ansichten entstammen also vielmehr einer Transphobie, als eines international anerkannten Vorgehens bei Transsexualität. Hier ist zu bemerken, dass die deutschen "Standards zur Behandlung und Begutachtung Transsexueller" von den internationalen "standards of care" stark abweichen und als völlig veraltet und transphob bezeichnet werden können.

So enthält auch der Bericht des MDS die transsexuellenfeindliche Ansicht, Transsexuelle wären nicht intelligent genug zu wissen, welchem Geschlecht sie angehörten und bräuchten deshalb erst einmal einen 1-jährigen Alltagstest, bevor medizinische Maßnahmen erfolgen können (z.B. Bartepilation oder Perücke). Eine transsexuelle Frau soll also erst mal ein Jahr lang als Frau mit Bart und Halbglatze beweisen, dass sie als Frau im Berufsleben akzeptiert wird und ihren Job nicht verliert, um dann erst die Hilfsmittel zu bekommen, die sie eigentlich benötigt hätte, um den Alltagstest zu bestehen.

Dass auf der Internetseite des MDS nicht ganz groß: "Wir hassen transsexuelle Menschen!" steht, ist doch sehr verwunderlich - oder einfach nur scheinheilig.

Diese Scheinheiligkeit zeigt sich auch im ausführlichen Zitieren verschiedener Gerichtsurteile, einschließlich des TSGs und der Schriften von Frau Becker und Co. ("primäre und sekundäre Transsexuelle"), einschließlich der transphoben deutschen "Standards" - doch "vergisst" man völlig, dass es schon Urteile vor 1982 gab, dass es ein Grundgesetz gibt und ein internationales Menschenrechtsgesetz - wie z.B. das Recht auf Gesundheit im Sozialpakt und das ausdrücklich garantierte Recht auf Nichtdiskriminierung als transsexueller Mensch.

"... müssen sie weiterhin in dem Zwiespalt zwischen ihrem empfundenen Geschlecht ebenso wie ihrem äußeren Erscheinungsbild einerseits und ihrer in allen amtlichen Dokumenten und im offiziellen Umgang sichtbaren anderen rechtlichen Geschlechtszuordnung andererseits leben. Auch dies benachteiligt diesen Personenkreis ... schwerwiegend, weil es die Betroffenen zugleich in empfindlicher Weise in ihrem Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung und Wahrung ihrer Intimsphäre aus beeinträchtigt." (BVerfG-Beschluss vom 18.07.2006 – 1 BvL 12/04)
Oder anders ausgedrückt: Wenn in meinem Personalausweis ein anderes Geschlecht steht, als mein äußeres Erscheinungsbild angibt, ist dies eine Verletzung "Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG". Wenn ich also meinen Vornamen ändern kann, jedoch keine Maßnahmen erhalte, so dass mein Erscheinungsbild dem Vornamen entspricht, so verletzt dies mein Persönlichkeitsrecht.
Aber so etwas übersieht man gerne. Sind ja nur Transsexuelle - interessiert sich für die jemand?


Schluss

In Frankreich gilt Transsexualität nicht mehr als psychische Störung - gibt das in Deutschland jemandem zu denken?
Vielleicht liegt die Schwierigkeit des Denkens darin, dass in Deutschland die Genitalien als identisch mit dem Gehirn gesehen werden (weshalb sie nicht voneinander abweichen können) und das Genitaliengedenke nicht so gut funktioniert, weil ständig die Blase drückt, man sie in enge Hosen klemmt oder für den Sexualverkehr benötigt. Und dazwischen bleibt kaum Zeit zum Denken - dazwischen schaut man die Oliver Geissen Show.

 

(Ein polemischer Kommentar von Christina Schieferdecker)