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Fachgespräch (fast) ohne Fachleute im Bundesfamilienministerium

Am 21. November wird es im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erneut um Transsexualität und Transidentität gehen. Zu einem Fachaustausch sind unterschiedlichste Personen geladen, die sich u.a. zur "medizinischen Entwicklicklung" im Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt äussern sollen. Und hier fängt das Problem an: Die überwältigende Mehrheit der geladenen Personen sind Vertreter, deren Thema "Gender Identity" sowie "Gender Dysphorie" ist. Ob in einem solchem Umfeld Kritik an den Vertretern der Sexologie, die Transsexualität bis heute nicht als existent anerkennen will überhaupt möglich ist?

"Gender Identity" beschreibt seit den 60er-Jahren die Idee, Menschen ein biologisches Geschlecht zuzuschreiben und ihnen eine abweichende "Gender Identität", also die Identifizierung mit einem anderen sozialen Geschlecht, zu unterstellen, falls sie sich anderweitig zu ihrem Geschlecht äussern. So wird gesagt - auch in von der Politik geforderten Broschüren - dass es Menschen gebe, die zwar z.B. Mann seien, sich aber als "Frau fühlten" oder es wird angenommen, dass es Frauen gibt, die als Mann leben wollten. Diese Idee findet ihre Wiederspieglung im Wort "Transidentität", das Menschen verwenden, die sich in diesem Aufriss wiederfinden.

Beobachtbar ist aber, dass es Menschen gibt, die sich mit diesem Konzept nicht richtig beschrieben fühlen oder wissen, dass bei ihnen ein anderes Lebensthema vorliegt. Es handelt sich um Menschen, deren Problem weniger die soziale Identifizierung mit Geschlecht ist, sondern wissen, dass ihr Thema körperlicher Natur ist. Es existieren Menschen, die - unabhängig davon, ob sie eine Intersex-Diagnose erhalten haben oder nicht - wissen, dass ihre körperlichen Merkmale von ihrem Geschlecht (nicht: Gender) abweichen bzw. Variationen aufweisen. Das Wissen um die Abweichung des Körpers ist das Wissen um Transsexualität. Transsexualität meint die Abweichung körperlicher Merkmale zum eigenen Geschlecht.

Transsexuelle Menschen existieren. Darauf haben wir bereits 2008 in unserem ersten Menschenrechtsbericht hingewiesen. Menschenrechtsverletzungen treten dann auf, wenn ihre Existenz verneint wird und sie umetikettiert und umdefiniert werden. Ein transsexueller Mensch erwartet in erster Linie medizinische Hilfe wie Hormonbehandlungen oder (nicht immer, aber häufig) körperliche Anpassungen. Eine Behandlung, die transsexuelle Menschen anerkennt, stellt nicht "Gender Identität" in den Mittelpunkt der Behandlung, sondern kümmert sich um das Kernanliegen, das transsexuelle Menschen mitbringen. Oder, um es deutlich zu machen: Ein transsexueller Mensch will nicht primär darüber Reden, mit wem oder was er sich im sozialen identifiziert oder welche Kleidung er tragen soll, sondern er möchte Hormone und (häufig) Operationen. Der Wunsch nach diesen Massnahmen ist nicht auf einer Gender-Identifizierung begründet, sondern wohnt transsexuellen Menschen per se inne. Das Wissen um das eigene Geschlecht ist angeboren.

Eine Fachgespräch, bei dem die überwältigende Mehrheit der Podiumsteilnehmer, transsexuelle Menschen durch die "Gender Identitäts" oder "Transidentität" (Trans*)-Brille betrachten wird, ist unserer Ansicht nach kein Fachgespräch, in welchem transsexuelle Menschen zu Wort kommen werden. Die Auswahl der Podiumsteilnehmer, die mehrheitlich Experten für "Gender Identität" sein mögen, aber bereits mehrfach bewiesen haben, dass sie Transsexualität nicht anerkennen können oder wollen, lässt uns befürchten, dass das Gespräch dazu genutzt werden wird, Machtansprüche über transsexuelle Menschen zu formulieren, die vergleichbar sind mit den Machtansprüchen, die Männer über Frauen in unserer Geschichte immer wieder geäussert haben und äussern. Simone De Beavouir hatte einst darauf hingewiesen, dass Frauen zu Frauen gemacht werden. Heute werden transsexuelle Menschen zu Menschen mit "Gender Identitäts"-Problematik gemacht und somit beispielsweise transsexuelle Frauen zu "Männern, die sich wie Frauen fühlen".

Es mag sein, dass es Menschen gibt, deren Hauptthema "Gender Identität"/Transidentität ist. Wir sollten aber endlich einmal anerkennen, dass es auch Menschen gibt, deren Hauptthema Transsexualität darstellt. "Transidentität" und "Transsexualität" sind nicht zwei Worte für ein und dasselbe, sondern zwei Worte, die etwas unterschiedliches meinen. Leider fehlt bis heute bei manchen Menschen der Wille, anzuerkennen, dass dies so ist. Immer noch gibt es Menschen, die einen Machtanspruch über transsexuelle Menschen anmelden, indem sie als "transident", "trans*" oder Menschen mit "Gender Dysphorie", "Gender Varianz" oder dergleichen umgedeutet werden, und sie - nachdem sie erfolgreich umetikettiert wurden - dann in die völlige Unsichtabrkeit zu verdammen. Diese Unsichtbarkeit bedeutet, transsexuellen Menschen die Stimme zu verwehren, sie mundtot zu machen, ihren den Zugang zur Gesellschaft zu verwehren und sie von der Welt, in dem wir alle leben, auszugrenzen.

Wir treten entschieden dafür ein, dass der Definitions-Hoheitsanspruch über transsexuelle Menschen endlich beendet wird. Die Verantwortung der Politik ist es, die Mechanismen von Macht, geschlechtlicher Gewalt durch medizinische Definitionen und Ausgrenzung durch Umetikettierung zu kennen und ernst zu nehmen. Dieses Ernstnehmen muss dann aber auch an der Wahl der Podiumsgäste eines Fachgesprächs, an welchem es ja auch um Transsexualität gehen soll, erkennbar sein. Dies ist wieder einmal nicht der Fall.

Das muss sich ändern.

Liste der Teilnehmenden

Die leidige Selbstbezeichnungsthematik

Das Bundefamilienministerium führt zur Zeit eine Umfrage zum Thema Transidentität und Transsexualität durch. Oder, wenn wir ehrlich sind, führt das Ministerium eine Umfrage zu Transidentität durch. Abgefragt werden Erfahrungen auf Grund der "Geschlechtsidentität". Was sehr ägerlich ist, dass damit wieder einmal transsexuellen Menschen die Möglichkeit genommen wird, ohne bereits vorab zu lügen, an dieser Umfrage teilzunehmen. Transsexualität wird nämlich auch zu einer "Geschlechtsidentität" erklärt. Die alte Leier.

Es ist mittlerweile 8 Jahre her, als wir zum ersten Mal einen Menschenrechtsbericht verfasst haben, in dem wir darauf aufmerksam gemacht haben, dass Transsexualität keinen Geschlechtsidentität ist. Wir erklären es mal so, mal so, schreiben lange Texte, schreiben kurze Texte, malen Bilder, drehen Filme, machen Interviews, unterhalten uns am Telefon, in echt, etc. und immer noch sind wir nicht dort angekommen, wo wir gerne hinkommen würden: Anzuerkennen, dass "Transsexualität! abweichende körperliche Merkmale bedeutet und z.B. transsexuelle Frauen Frauen sind. Wir dachten echt nicht, dass das anscheinend so schwer zu verstehen ist, dass Mädchen manchmal mit vermännlichten Körpermerkmalen geboren werden und "Transsexualität" genau diesen Zustand beschreibt. Wenn "Intersexualität" uneindeutige körperliche Merkmale meint, dann meint "Transsexualitä"t die körperliche Abweichung zum eigentlichen Geschlecht.

Offenbar ist das Konzept der "Gender Identität" immer noch das einzige Erklärungsmodell dafür, wenn ein Mädchen, dass auf Grund seines Körpers für einen Jungen gehalten wird, äussert "ich bin ein Mädchen". Das muss sich ändern. Ok, das haben wir auch schon häufiger gesagt, aber möglicherweise erleben wir das ja noch im 21. Jahrhundert, wenn es nur oft genug wiederholt wird.

Die Umfrage findet ihr unter:

http://limesurvey13.init-ag.de/index.php/527929/lang-de

Kleiner Tipp: Es lassen sich die Textfelder auch zweckentfremden, um darauf hinzuweisen, dass Transsexualität keine Geschlechtsidentität ist. Das wäre, so wie wir das sehen, sehr, sehr wichtig. Denn offenbar ist der Einfluss derer, die meinen, es ginge hier um Gender-Identitäten immer noch zu gross. Wir vertrauen da mal auf Eure Kreativität.