Was wird aus den Transsexuellenrechten nach der Wahl?

Eine Zukunftsprognose von Kim Schicklang

Einerseits haben Parteien massiv Stimmen dazugewonnen, welche umfassende Verbesserungen der menschenrechtlichen Situation transsexueller Menschen gefordert haben, wie die Fraktion Die Linke und die Grünen. Diese hatten explizit vor der Wahl geäussert, dass transsexuelle Menschen in Deutschland nicht mehr als geisteskrank angesehen werden sollen. Diese Forderung wurde an die Bundesrepublik Deutschland vor der Wahl auch im Rahmen der Berichterstattung zum Frauenrechtsabkommen CEDAW von der UN gestellt. Prof. Silvia Pimentel vom UN-Frauenrechtskommitee äusserte Anfang 2009 dazu:

„Dass transsexuelle Frauen als psychisch kranke Männer bezeichnet werden, um als Frauen akzeptiert zu werden, ist ein Paradoxon. Dem muss ein Ende gesetzt werden.“
(Vereinte Nationen, Februar 2009)

Sowohl die Linken als auch die Grünen forderten zudem, eine weitere Diskriminierung transsexueller Menschen zu beenden: Die Zwangssterilisationen als Bedingung für die Änderung von offiziellen Papieren. Die FDP, die ja nun auch reichlich Stimmen für sich gewinnen konnte, sprach sich im Vorfeld ebenso öffentlich für eine Beendigung dieser Praxis aus. Damit folgten diese drei Parteien dem EU-Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg, der im Sommer folgendes bemerkte:

"Es ist besorgniserregend, dass transsexuelle Menschen die einzige Gruppe in Europa zu sein scheint, die sich einer gesetzlich vorgeschriebenen, vom Staat erzwungenen Sterlisationspraxis unterziehen muss."
(Thomas Hammarberg, Juli 2009)

Damit gäbe es eigentlich einen Grund zur Freude, dennoch wird es noch spannend werden, wenn man bedenkt, welche Koalition nun auf uns zukommen wird: Schwarz-Gelb. Zwar hatte sich die FDP ja für die Beendigung der Zwangssterilisationen ausgesprochen, dennoch wollte sie das sogenannte Gutachterverfahren zur Vornamens- und Personenstandsänderung, nach dem sich eine transsexuelle Frau zu einem "identitätsgestörten Mann" bzw. ein transsexueller Mann zu einer "identitätsgestörten Frau" erklären lassen muss, zwar vereinfachen, aber beibehalten. In Kombination mit der CDU/CSU-Fraktion, sieht die Zukunft hinsichtlich einer Reform der Menschenrecht verletzenden Rechtspraxis, dem Transsexuellengesetz eher düster aus. Im April äusserte die CDU noch zu den Zwangssterilisationen:

"Gleichwohl kann auf die grundsätzliche Bedingung dauernder Fortpflanzungsunfähigkeit nicht verzichtet werden."
(Bundesinnenministerium, April 2009)

Alles in allem, würde man nun zusammenlegen, wie nun die zukünftigen Regierungsparteien transsexuelle Menschen ansehen, die FDP eben als "geisteskrank" (daher eben noch das Festhalten am Gutachterverfahren, wie in Bundestagsdrucksache 16/9335 ersichtlich) und die CDU/CSU als "Menschen die fortpflanzungsunfähig sein müssen", würde das, was in den nächsten Jahren auf transexuelle Menschen zukommt, folgendermassen aussehen:

Transsexuelle Menschen werden nur noch von einem Gutachter als "geschlechtsidentitätsgestört" bezeichnet, die Verfahren werden ein wenig schneller, eine Anerkennung im eigentlichen Geburtsgeschlecht gibt es aber weiterhin nur mit dem Nachweis einer Fortpflanzungsunfähigkeit. Es sieht nicht gerade danach aus, als ob die neue Bundesregierung hier Menschenrechte in den nächsten Jahren ernst nehmen will.

Angesichts der Forderung von Europarat, UN und einigen Transgender-/Transsexuellengruppen, dass Menschenrechte auch für transsexuelle Menschen gelten müssen, wird sich die Arbeit der Menschenrechtsaktivisten in den nächsten Jahren daher auch schärfer abzeichnen als bisher. Eine deutlichere, stärkere Positionierung in der Öffentlichkeit wird das Ergebnis dieser Wahl sein. Vielleicht hat so ein Wahlergebnis daher auch etwas gutes: Die Konturen werden klarer und die Misstände deutlicher werden. Eine Gute Zeit für gemeinsame Aktionen. Ab auf die Strasse!