Landesregierungen gegen Diskriminierung

Unter der Überschrift „Vielfältiges NRW mit gleichen Rechten “ hat sich die Rot-Grüne Koalition in ihrem Koalitionsvertrag einiges vorgenommen und eine gute Richtung vor gegeben. Wir hoffen, sie schaffen es, diese einzuhalten. Ein Lob gebührt auch der Abkürzung LGBTTI. Aber auch die Landesregierung von Schleswig-Holstein verspricht Reformen, wenn auch nicht im Umfang der Regierung in NRW. Natürlich gelten auch für diese und alle anderen Lanfdesregierungen unsere Forderungen, die wir bereits an die Baden-Württembergische Landesregierung geschickt haben (siehe Artikel vom 17. Mai 2012).

Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung von NRW heißt es u.a.: „Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTTI) sind ein Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Wir werden auch weiterhin dafür eintreten, dass alle Menschen in NRW, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Behinderung, Religion oder sexueller Identität, diskriminierungsfrei leben können. [...] Wir werden die Umsetzung eines Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie kontinuierlich vorantreiben. Die LSBTTI-Nichtregierungsorganisationen sind dabei unsere wichtigsten Partner.
Die Arbeit der unterschiedlichen Verbände, Beratungsstellen, regionalen und landesweiten Projekte im Bereich Selbsthilfe, [...] Beratung von Diskriminierungsopfern [...] wollen wir unterstützen, stärken und vernetzen. […] Wir wollen die Gender- und Queerkompetenzen in allen pädagogischen Berufen stärken und sie zu einem festen Bestandteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung machen. LSBTTI soll Eingang in die Lehrpläne finden und in den Lehr- und Lernmaterialien berücksichtigt werden. Auch in der außerschulischen Jugendarbeit setzen wir uns für eine verstärkte Sensibilisierung für LSBTTI-Belange ein. Besonders im Bereich der Trans- und Intersexualität gibt es in unserer Gesellschaft noch tiefsitzende Vorurteile, die sicherlich zu einem nicht unerheblichen Teil auf Unwissenheit zurückzuführen sind.
Wir wollen die Akzeptanz und das Selbstbestimmungsrecht von trans- und intersexuellen Menschen in unserer Gesellschaft stärken und Beratungsangebote für Trans- und Intersexuelle fördern. [...] Unser Ziel ist die vollständige rechtliche Gleichstellung aller Menschen in NRW - unabhängig von ihrer sexuellen Identität. Dies umfasst alle Rechtsbereiche [...] und die Ergänzung des Art. 3 des Grundgesetzes um das Merkmal sexuelle Identität. [...] Des Weiteren werden wir uns für die Reform des Transsexuellen-Gesetzes einsetzen.“

Auch die neue Landesregierung von Schleswig-Holstein möchte die Rechte von Minderheiten stärken. So heißt es dort in Zeile 2135:
„Wir werden rechtliche und gesellschaftliche Initiativen ergreifen und unterstützen, um die  rechtliche und faktische Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Intersexuellen  und Transgendern zu beenden.  […] Auf Landesebene wollen wir geeignete Institutionen, Organisationen, Einrichtungen und Veranstaltungen anregen und unterstützen, um den Abbau von Diskriminierung in Schleswig- Holstein voranzutreiben. Wir werden die landesweite Vernetzungsarbeit finanziell unterstützen und eine zuverlässige Ansprechperson im Sozialministerium verankern. Wir wollen mit Kooperationspartnern einen Aktionsplan gegen Homophobie erarbeiten und flächendeckend umsetzen. Ein Baustein soll dabei sein, dass in Schulen unterschiedliche sexuelle Identitäten als selbstverständliche, normale Lebensweisen vermittelt und wertneutral behandelt werden.“

In Schleswig-Holstein gibt es wohl keine transsexuellen Menschen und Transphobie gleichfalls nicht. Wir hoffen, dieser Umstand im Koalitionsvertrag geht auf mangelnde Bildung zurück, die sie ja verbessern wollen. Anders in NRW, was uns Hoffnung auf Veränderung im BRD-Bewusstsein gibt.

Auch das Saarland hat, als CDU-SPD-Regierung, die Diskriminierung von transsexuellen menschen nicht ganz vergessen. So heißt es in ihrem Koalitionsvertrag immerhin noch:
„Mit der Aufnahme des Merkmals der sexuellen Identität wurde 2011 ein Diskriminierungsverbot von homo-, bi- und transsexuellen Menschen in der saarländischen Verfassung verankert.  Diesem Beispiel folgend setzen wir uns auch für die Verankerung dieses Merkmals in Art. 3 des Grundgesetzes ein.“
Es wäre wünschenswert, wenn auch im Saarland zusätzlich die Diskriminierungen im eigenen Bundesland angegangen werden und die wichtige Pflicht der Aufklärung und Bildung nicht vergessen wird.

Der Einsatz verschiedener Landesregierungen und Nichtregierungsorganisationen für eine Änderung des Artikel 3 des Grundgesetzes ist lobenswert, sollte aber dahingehend abgeändert werden, dass das Diskriminierungsverbot durch den Zusatz „oder aus irgend einem anderen Grund“ erweitert wird. Damit würde das Diskriminierungsverbot in Art. 3 dem Diskriminierungsverbot in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gleichkommen (dort heißt es: „or other status“). Wir wünschen uns einen neuen Artikel 3 in dem es also heißt:
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder aus irgend einem anderen Grund benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Wir hoffen, die neuen Landesregierungen nehmen ihre eigenen Koalitionspapiere wirklich ernst und erarbeiten Verbesserungen gemeinsam mit den Nichtregierungsorganisationen und Selbsthilfegruppen der Betroffenen und nicht über ihre Köpfe hinweg. Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen, das sich mit der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts befasst (CEDAW), hatte im Dezember 2011 erneut die Bundes- und Landesregierungen aufgefordert "zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um in einen Dialog mit den relevanten Nichtregierungsorganisationen zu gelangen, um besser ihre Forderungen zu verstehen, sowie Maßnahmen zu entwickeln, um effektiv zum Schutz der Menschenrechte transsexueller Menschen [...]“ bei zu tragen (siehe ATME News vom 04. Dezember 2011).
Und auch die transsexuellen Menschen sind nun aufgefordert, die Regierungen beim Wort zu nehmen. Zur Neufassung des ICD sagte Frau Helena Nygren-Krug etwas, das auch hier gelten muss: „Ich hoffe, dass transsexuelle Menschen und die Transgender-Bewegung uns bei der Bewältigung dieser Herausforderung helfen, unter Berufung auf das zentrale Menschenrechtsprinzip der Partizipation - "Nichts für uns ohne uns"."
Wir von ATME stehen gerne als Gesprächspartner mit unseren bundesweiten Mitgliedern bereit.

 

Der Koalitionsvertrag von NRW, Schleswig-Holstein, Saarland
Die Forderungen von ATME an die Landesregierung in Ba-Wü: hier
Die Menschenrechtstexte von ATME: hier