Argentinien macht es vor - Deutschland schläft

Mittwoch, der 9. Mai. Ein Termin, der für viele transsexuelle Menschen in Argentinien in Zukunft ein ganz besonderer Tag sein wird. Denn nun können Menschen, die von der geschlechtlichen Norm abweichen, ihren Geschlechtseintrag auf Antrag korrigieren lassen, ohne dass dafür medizinische Voraussetzungen oder Menschenrecht verletzende psychiatrische Begutachtungen erforderlich sind.

Die überwältigende Mehrheit des argentinischen Senates sprach sich für diesen wichtigen Schritt, der Anerkennung transsexueller Menschen, aus. Gleichzeitig wurden Krankenkassen nun zur Kostenübernahme medizinischer Massnahmen verpflichtet. Einen ganz besonderen Schutz geniessen in Zukunft auch transsexuelle Kinder. Sollten Eltern das Geschlecht ihres Kindes nicht anerkennen wollen, können diese sich in Zukunft an einen Kinderanwalt wenden.

Wir begrüssen diesen mutigen Schritt, transsexuelle Menschen als existent anzuerkennen, und können die Politik in Deutschland nur dazu ermutigen, nicht weiterhin an menschenverachtenden Regelungen wie z.B. psychiatrischen Begutachtungen zur Änderung des Geschlechtseintrages, wie zur Zeit durch das sogenannte Transsexuellengesetz geregelt, festzuhalten. Doch die Realität sieht in Deutschland immer noch anders aus. Am 7. Mai, zwei Tage vor der positiven Nachricht aus Argentinien, erreichte ATME e.V. ein Brief der SPD-Bundestagsabgeordneten Gabriele Fograscher, aus dem klar hervor geht, dass sie weiterhin psychiatrische Begutachtungen für nötig erachtet. So schreibt sie:

"Deswegen setze ich mich dafür ein, unnötig komplizierte Verfahren für die Vornamensänderung zu vereinfachen, beispielsweise durch einen Verzicht auf Mehrfachbegutachtungen..."

Scheinbar ist bei der SPD in den letzten Jahren wenig passiert. Wer, trotz existierender Menschenrechtsberichte zum Thema und deutlichen Statements von Vereinten Nationen und Europarat, nicht versteht, dass auch eine Menschenrecht verletzende psychiatrische Begutachtung zwar weniger ist als mehrere Menschenrecht verletzende Begutachtungen, aber immer noch eine Menschenrechtsverletzung darstellt, den können wir in der Sache nicht ernst nehmen. Vielleicht sollte die SPD darüber nachdenken, ob es nicht jüngere Parteikollegen gibt, die mehr Interesse daran haben, sich des Themas Transsexualität anzunehmen, wenn die Stehengebliebenen ihre Weltanschauung immer noch auf der Stufe "konservativ" und "gestern" eingestellt haben, und wenig Hoffnung besteht, dass sich daran je etwas ändern wird.

In Argentinien hat sich nicht zuletzt deswegen etwas geändert, da verschiedene Gruppierungen und Vereine sich gegenseitig in ihrer Arbeit respektiert haben, ohne dass hier die üblichen Vereinnahmungsspielchen (z.B. dem Versuch transsexuelle Menschen durch angebliche Überbegriffe unsichtbar machen zu wollen) stattfanden, die in stereotyp geprägten Gesellschaften wie Deutschland leider noch üblich sind. Wollen wir hoffen, dass Deutschland seine Rückständigkeit überwindet und sich Argentiniens Politik in Sachen Anerkennung geschlechtlicher Minderheiten zum Vorbild nimmt. Argentinien zeigt, dass Respekt möglich ist.

Links:

Ley de Identidad de Género (automat. Übersetzung)
ATME-Forderungen
CAT-Bericht 2011