Zum Frauentag
Wer nur Frauen mit bestimmten Körpereigenschaften als echte Frauen ansieht, ist nicht feministisch, sondern selektiert Menschen im Sinne patriarchaler Machtansprüche.
Ein Text zum Frauentag von Kim Schicklang
Immer noch und immer wieder werden Körper von Frauen gedeutet und daraus diverse Dinge abgeleitet. Der Millimeterstab ist immer noch das Werkzeug der primären Geschlechtsbestimmung (Sex = vermeintlich biologisches Geschlecht). "Frau*", "Trans*", "Inter*", "Mann". Die Kategorie wird gesetzt, der Rahmen bestimmt, in welchem sich der Diskurs bewegen darf. Der Rahmen wird durch Mediziner und Psychiater kontrolliert, in Personenstandsgesetze gegossen und die Aufgaben der Zugeteilten festgelegt. Dies ist die sekundäre Geschlechtsbestimmung (Gender = vermeintlich soziales Geschlecht).
Wer der sekundären Geschlechtsbestimmung widerspricht, wird vorwiegend sanktioniert. Wer der primären Geschlechtsbestimmung widerspricht, diagnostiziert.
Der Widerspruch wird als Störung der Geschlechtsidentität angesehen. Nach Protesten derer, die sich gegen die Zuteilungen zur Wehr gesetzt hatten, haben die Psychiaterverbände die psychische Störung, die immer noch in ihrem Büchern steht - und für deren Behandlung sie sich immer noch hauptverantwortlich fühlen - umbenannt in "Gender Varianz". Wer sich schlecht mit der Zuteilung fühlt, soll - so die Idee - spezielle Beratungsstellen (das ist das mindeste) aufsuchen oder spezielle medizinisch-psychiatrische Hilfe beim Gender-Spezialisten einfordern, eine "Trans* Gesundheitsversorgung". Was Psychiater und ihre Komplizinnen, die gerne Geschlecht bestimmen, gerne sagen, ist: Dort wird Menschen geholfen, die damit ein Problem haben, wie ihr Geschlecht bestimmt worden ist.
Was sie nicht sagen ist, dass erneut eine Geschlechtsbestimmung stattfindet: Es wird geteilt in "cis*" und "trans*", in "binär" und "non-binär", in die Normalen und die Anderen. Die Normalen sind in der Regel dann diejenigen, die sich nicht gegen die Geschlechtsbestimmung zur Wehr gesetzt haben. Die Anderen werden dann "Trans*"menschen genannt. Oder "Inter*"menschen, wenn sie vorher schon bei der primären Geschlechtsbestimmung aussortiert wurden und dadurch zu den anderen Anderen geworden sind.
Die Normalen sind dann die, die ihr Geschlecht brav an ihren Genitalien festmachen und sich so verhalten wie diese. Deswegen existieren die Anderen, die zu "Trans*" und "Inter*" erklärt worden sind. Die Anderen stützen die erzwungene Normalität der Normalen. Es ist aber eine Normalität, die nicht existiert, sondern die gemacht worden ist durch den Akt der Geschlechtsbestimmung. Es ist ein Normalität, die Geschlecht verfügbar macht.
Deswegen fängt Emanzipation ganz am Anfang an. Sie fängt dann an, wenn der Akt der Geschlechtsbestimmung und der Zuteilung von Menschen selbst in Frage gestellt wird. Warum soll ein Millimeterstab ein besseres Werkzeug sein, um ein biologisches Geschlecht zu bestimmen, als das Gehirn, das Menschen zum Denken gegeben wurde und Menschen befähigt, sich zu sich selbst zu äussern? Wieso sollte ein Mensch der erst Körperteile vermisst und später Verhaltensweisen geschlechtlich definiert befähigter sein, sich zu einem Geschlecht zu äussern, als ein Mensch selbst?
Geschlechtsbestimmung, bei der Dritte das Geschlecht von Menschen deuten und dabei messen, interpretieren und bewerten, anstatt Menschen selbst zu Wort kommen zu lassen ist ein Werkzeug geschlechtlicher Macht über andere. Sie ist nicht feministisch, sondern ein geschlechtlicher Übergriff.