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Hand in Hand im Deutungsland

Nils Pickert von Pinkstinks schreibt am 8. Januar über den Koluminsten Jan Fleischhauer und beklagt sich über Ignoranz gegen über LGBTI. Die These ist, dass Fleischhauer sich nicht auf Fakten beziehe, wenn er über Gender Studies schreibt. Da haben wir sie wieder: Die zwei Lager, die Transsexualität nicht als existent anerkennen. Im Grunde genommen machen in Sachen Transsexualität dasselbe: Sie lassen das zweite T weg oder deuten es um.

Es ist das alte Lied: Menschen die transsexuell sind, werden vereinnahmt. Einerseits von offen Konservativen und Rechten, die meinen, dass Geschlecht nicht gewechselt werden könne, da "biologische Realitäten" nicht geleugnet werden könnten (kann es tatsächlich nicht, denn Menschen haben ihr eigenes Geschlecht). Andererseits diejenigen, die Transsexualität für eine Frage der Genderidentität halten und - auch wenn sie das nicht offen zugeben - sich nicht vorstellen können, dass sichtbare Körpermerkmale nicht immer dem Geschlecht eines Menschen entsprechen. Beide liegen falsch und arbeiten sich damit gegenseitig in die Hände, teilen sie doch im Grunde genommen dasselbe Weltbild: Eines, in dem das "biologische Geschlecht" an Körperzuständen gedeutet wird und gar nicht darüber nachgedacht wird, ob diese Deutung nicht vielleicht mehr auf gesellschaftlichen Konventionen basiert, als auf der "Biologie", die immer gerne angeführt wird. Dass es sich dabei um Biologismen handelt - und eben nicht um Biologie - haben wir schon mehrfach ausgeführt.

Die Arbeitsteilung, die dieses Weltbild hervorbringt, gestaltet sich wie folgt: Die einen nennen ihre Deutung von Körperzuständen "biologisches Geschlecht" - obwohl es sich um eine auf Gender basierende Interpretation von Gesehenem handelt und die Aussagen, die Menschen über sich selbst treffen völlig unberücksichtigt bleiben - und die anderen reden von Variationen der Gender Identitäten, wenn Menschen sich anders äussern, als die Deutung. Sie nutzen dabei "Gender", ein Wort, das ja einst in Abgrenzung zu so etwas wie dem Sexus, dem angeblich "biologischen Geschlecht" erfunden worden ist. Der übegriffige Akt geschlechtlicher Deutung bleibt unhinterfragt.

Der Artikel von Nils Pickert ist einer, der uns die Debatten der letzten Jahren wieder einmal vor Augen führt: Da streiten sich offenbar welche, die dasselbe Weltbild teilen. Dieses Weltbild ist ein patriarchales Weltbild. In diesem gilt die Regel: Aussenstehende haben mehr Recht über das Geschlecht anderer Menschen eine Aussage zu treffen, als Menschen selbst. Diese Regel bleibt unangetastet. Dabei gäbe es jeden Grund, diese Regel in Frage zu stellen.

Ist das wirklich so, dass Aussenstehende mehr über Menschen wissen, als ein Mensch selbst? Oder ist es nicht umgekehrt und Menschen können sich selbst besser zu ihrem Geschlecht äussern? Selbst wenn jemand hier keine Position einnehmen will, so sollte doch klar sein, dass es sich um zwei unterschiedliche Ansätze handelt, die Welt zu betrachten, in der wir leben. In dem einen Fall sagt jemand "Du bist" und ordnet dann die Aussage eines Menschen, die von diesem "Du bist" abweicht, bestimmten Erklärungsmustern zu, wie beispielsweise Gender-Identitäts-Diagnosen. In dem anderen Fall akzeptiert jemand, dass das Gegenüber sich ehrlich zu sich äussern kann und anerkennt den Wahrheitsgehalt.

Wenn Nils Pickert über "Ignoranz als Waffe" schreibt, dann wäre es eigentlich eine gute Überschrift für einen Artikel, der sich mit der Ignoranz beschäftigt, die Transsexualität aus dem öffentlichen Diskurs ausklammert. Darum geht es aber nicht. Es wäre aber schön, wenn sich das endlich einmal ändern würde.

Es wäre wirklich toll, wenn anerkannt werden könnte, dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen Trans*(identität) und Transsexualität existiert. Es gibt Menschen, deren Körper von ihrem Geschlecht abweicht (der Körper ist dann transsexuell) und diese sind nicht automatisch trans*ident. Wer Transidentität als ein Mittel eines deutenden Weltbildes begreift, wird sich möglicherweise bereits befragt haben, für wen ein Mensch "transident" ist: Für sich selbst, oder für die Aussensicht? Ja, es gibt emanzipierte transsexuelle Menschen. Nicht alle Menschen haben ein grosses Interesse daran, sich irgendwelchen Gruppen zuzuordnen oder mit diesem oder jenem zu identifizieren. Insbesondere dann nicht wenn es um Gender-Identitäten und konstruierte soziale Geschlechter geht. Manche Menschen wollen lediglich eines: Sie selbst sein.

Wenn pink stinkt, dann deswegen, weil Gender Identitäten konstruiert werden. Das trifft auch auf das Konzept trans* zu, ein Konzept, in welchem Gender Identität zum Kern medizinischer Diagnostik erklärt wird. Diejenigen, die dieses Konzept verfolgen, vertreten ein gewalttätiges medizinisch-psychiatrisches System, in dem Gender immer noch eine Diagnose ist und zur Bedingung gemacht wird dafür, eine medizinische Behandlung zu erhalten, wenn der Körper eine Variation mitbringt. Solange Menschen mit Transsexualität, die eine genderidentitäts-freie Behandlung wünschen immer und immer wieder in eine konstruierte Schublade wie "trans*" gesteckt werden, gibt es Menschen, die auf Grund von Genderkonstruktionen missbraucht werden. Und zwar von zwei Seiten. Denen, die Transsexualität als "trans*" (also Transidentität) missinterpretieren und den Fleischhauers dieser Welt.

Wie wäre es denn, wenn wir mal einen Schritt weiter kommen?

Link: Ignoranz als Waffe bei Pink Stinks