Transsexuellenrechte - die Verschleierungstaktik der FDP

Am 13. 11. ging eine Meldung über den Ticker der Zeitungen, der oberflächlich betrachtet so aussieht, als ob jetzt endlich der Durchbruch für transsexuelle Menschen erreicht wäre und sich endlich einer mal des überalteten Transsexuellengesetzes annehmen will, um durch eine Reform endlich menschenrechtskonforme Regelungen für transsexuelle Menschen in Sachen Vornamens- und Personenstandsrecht zu erreichen. Es handelt sich um eine Meldung die z.B. bei rp-online folgende Sätze beinhaltet, die wir gleich kommentieren:

"Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat eine Reform des Transsexuellen-Rechts angekündigt. 'Es geht beispielsweise um Verfahrensfragen bei der Anerkennung als Transsexueller, die von den Betroffenen oft als diskriminierend empfunden werden', sagte die Ministerin."

Schon seltsam, dass die meisten transsexuelle Frauen als Frauen anerkannt werden wollen und transsexuelle Männer als Männer und nicht als "Transsexueller". Wenn die FDP nicht erkennt, dass in den letzten Jahren gegen Menschenrecht verstossen wurde, in dem man Menschen ihr Recht auf Anerkennung ihres eigentlichen Geschlechtes verwehrt hat (zu dem transsexuelle Menschen eigentlich bereits seit 1978 das Recht haben sollten), indem man ihnen eine "psychische Störung" angedichtet hat (was in der Realität eine psychiatrische Begutachtung mit sich bringt, an der die FDP vor der Wahl noch festhalten wollte) wird die offizielle von Gesetz "angeordnete" Transphobie nicht beendet werden.

Und weiter heisst es:

"Aber es gehe auch darum, ob zwei Gutachten für die Anerkennung erforderlich seien oder unter welchen Voraussetzungen man seinen Vornamen ändern könne, erklärte sie gegenüber der 'Berliner Zeitung' weiter."

Ärgerlich auch diese Formulierung, wenn man sie mit dem kombiniert, was die FDP vor der Wahl noch an Ideen zur TSG-Reform mitgebracht hat. Schauen wir doch einfach einmal nach - und zwar in ein Papier vom 28. Mai 2009, der Bundestagsdrucksache 16/9335. Hier heisst es:

"abweichend von § 4 Abs. 3 TSG reicht künftig für die Vornamensänderung das Gutachten eines Sachverständigen aus."

Es handelt sich hier zwar lediglich um einen Antrag zur Reform des Transsexuellengesetzes als die FDP noch Oppositionspartei war, dennoch lässt sich hier einiges herauslesen, wenn mensch sich das Interview mit der Berliner Zeitung eben etwas genauer ansieht und hinter den blumigen Versprechen die inhaltlichen Aussagen versucht hinauszuhören.

Schauen wir noch mal in die Bundestagsdrucksache vom Mai 2009:

"es ist zu prüfen, ob für die Änderung des Geschlechtseintrages die Anforderungen an die Begutachtung abgesenkt werden können. Insbesondere ist daran zu denken, für das Verfahren gemäß § 9 TSG die Begutachtung durch nur einen Sachverständigen vorzusehen;"

Damit hiesse das: Nach Vorstellung der FDP soll nun trotzdem noch zweimal begutachtet werden - einmal für die Vornamensänderung und einmal für die Personenstandsänderung.

Wir möchten noch einmal in Erinnerung rufen, was die Sache mit der "Begutachtung" bedeutet:

Eine transsexuelle Frau wird nach den Richtlinien der Begutachtung transsexueller Menschen als "Mann mit Identitätsstörung" begutachtet bzw. als "Mann der Frau werden will" (nach DSM, dem manual der psychischen Störungen und ICD der Weltgesundheitsorganisation).

Ein transsexueller Mann wird als "Frau mit Identitätsstörung" begutachtet (nach DSM und ICD).

"Ziel der Begutachtung ist es, die Entwicklung der Geschlechtsidentität und ihrer Störung im psychosozialen Umfeld ... nachzuzeichnen. ... Das Vorliegen der Voraussetzungen zur Vornamensänderung muss aus der Beurteilung schlüssig hervorgehen"
(In "Sexualmedizin", 2005 von K.M.Beier,  H.Bosinski und K.Loewit mit einem Zitat von Sophinette Becker et al. 1997: 136-137)

Es spielt ja nun keine Rolle ob nun, einer oder zwei Gutachter einen transsexuellen Menschen für "geschlechtsidentitätsgestört" erklären, oder? Unabhängig davon bedeuten die Ideen der FDP ja weiterhin, dass transsexuelle Menschen keine Selbstbestimmung über ihr Geschlecht besitzen, wie es ja eigentlich 1978 von Bundesverfassungsgericht bereits gefordert war (siehe: Bundesverfassungsgericht am 11. Oktober 1978 - 1 BvR 16/72 -), da die Entscheidergewalt über die Vornamen und den Personenstand ja weiterhin in den Händen Dritter liegen würde.

Im Jahr 1978 hiess es:

"Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen, wie er sich in seiner Individualität selbst begreift und seiner selbst bewußt wird. Hierzu gehört, daß der Mensch über sich selbst verfügen und sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann."


So, und nun zurück zu den Aussagen von Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Sie fordert also nun Verbesserungen hinsichtlich der "Anerkennung als Transsexueller". Interessant, nicht wahr? Soll das heissen, dass die Pläne der FDP vom Mai 2009, nachdem weiterhin psychiatrisch begutachtet werden soll also noch Stand der Dinge sind und sich seitdem nichts bei den Liberalen geändert hat? Weiter spricht sie von der Frage, ob "zwei Gutachten für die Anerkennung erforderlich seien". Das sind deutliche Worte. Ärgerlich, dass die Medien hier wieder einmal solche Äusserungen unkritisiert übernehmen und stattdessen hinausposaunen, der FDP wäre es ernst in Sachen Transsexuellenrechten. Selbst der LSVD (der ja u.a. auch Sabine Maria Augstein,  selbst transsexuelle Frau und Rechtsexpertin des LSVD in Sachen Transsexuellenrecht, angehört) hielt sich nicht zurück, hier die FDP zu loben, obwohl bislang nichts dafür spricht, dass die FDP die Forderungen internationaler Menschenrechtler (z.B. der Forderungen des CEDAW-Ausschusses der UN Anfang des Jahres in Genf, bei dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, die psychiatrische Begutachtungspraxis abzuschaffen) ernst nimmt - was sich durch dieses Interview mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger in der Berliner Zeitung ja sogar noch zu bestätigen scheint.

Zitat LSVD: "Die FDP hat ihre Wahlversprechungen gehalten! Wir sind mit dem Entwurf des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und FDP nicht unzufrieden. ... Manfred Bruns, Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)"
(http://www.lsvd.de/1242.0.html)

Der LSVD zitiert hier den Koalitionsvertrag im Zusammenhang mit Transsexualität so:

"Das geltende Transsexuellengesetz ist in seinen wesentlichen Grundzügen inzwischen fast dreißig Jahre alt. Es entspricht nicht mehr in jeder Hinsicht aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wir werden das Transsexuellengesetz deshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf eine neue zeitgemäße Grundlage stellen, um den betroffenen Menschen ein freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen."

Wer weiterhin an einer psychiatrischen Begutachtung festhält, dem kann es in Wirklichkeit nicht darum gehen, transsexuellen Menschen ein "freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen". Auch wenn er es noch so oft behauptet, wie die FDP. Damit steht die FDP entgegen der Forderungen von ATME e.V., die vollständige rechtliche Anerkennung transsexueller Menschen zu erreichen, wie z.B. in den Yogyakarta-Prinzipien gefordert wird und wie sie auch von vielen anderen menschenrechtlich arbeitenden Trans-Organisationen in Deutschland geteilt wird. Hoffen wir, dass das bisherige Blendwerk der FDP auch als solches erkennbar wird.