Maischberger offenbart Transsexuellenfeindlichkeit

Am Ende bleibt eine transsexuelle Frau in unserer Gesellschaft immer ein Mann. So liesse sich eine Ausgabe des TV-Talkformats "Menschen bei Maischberger", die unter dem Titel "Sexuelle Vielfalt: Mann, Frau, egal?" am 15. April 2015 ausgestrahlt wurde, zusammenfassen. Sowohl Moderatorin, als auch Gäste bewiesen, dass die von ihnen selbst propagierte geschlechtliche Weltanschauung ein Loch hat, da sie selbt anscheinend nicht daran glaubten. An den Personalpronomen "sie" und "er" offenbarte sich die Heuchelei.

Alice Schwarzer, die bereits vor ein paar Monaten in einer Kolumne der Emma der Mutter eines transsexuellen Jungen geraten hatte, er solle sich doch überlegen, ob er nicht als burschikose Frau leben möchte und offen zur Umpolung riet, liess in der Talkrunde durchblicken, dass sie davon ausgehe, dass die "sexuelle Orientierung" nicht angeboren sei, sondern später erst später entwickele, das Geschlecht, so wie sie es sieht - also ziemlich eingeschränkt, aber schon. Entlarvend - und symptomatisch für das, was transsexuelle Menschen in Deutschland zur Zeit fast täglich erleben - waren vorallem die Widersprüche zwischen Anspruch und dem, was immer wieder durchblitzte.

Es waren die kleinen Zwischentöne, an denen die Transsexuellenfeindlichkeit der Runde ablesbar war, und die konservativen Gäste der Sendung wirkten dabei weit harmloser als Maischberger und Schwarzer. Während eine Dragqueen mit Bart "sie" genannt wurde, obwohl Schwarzer die Kunstfigur "Conchita Wurst" als Zwischenwesen zwischen Mann und Frau anzusehen behauptete, konnten Maischberger und Schwarzer fast selbstverständlich bei einer Frau, die nicht ihrem Bild einer Frau entspricht, selbst dann noch von einem "er" sprechen, wenn diese mit wasserstoff-blonden Haaren und hochhackigen Schuhen - den Mann-Frau-Stereotypen entsprechend - auf der Gästecouch sitzt.

Woran aber, so können wir uns fragen, machen Maischberger und Schwarzer nun fest, ob sie jemanden "sie" oder "er" nennen? Da zu Beginn der Sendung so getan wurde, als ob eine transsexuelle Frau ein umoperierter Mann sei - ein Klischee, das zur Zeit wieder in einer scheinbaren Endlosschleife in den Medien penetriert wird - und Frau Schwarzer Conchita als Mischwesen anzusehen behauptete, ist eine derartige Wahl der Personalpronomen sehr entlarvend. Sie offenbart aber nicht nur, wie zwei Menschen, Schwarzer und Maischberger, nicht an das glauben mögen, von dem sie behaupten, sie täten es, sondern es zeigt beispielhaft die Perversität im Umgang mit Transsexualität in unserer Gesellschaft. Da wird Anerkennung geheuchelt, doch die Ausgrenzung wird uns täglich vor Augen geführt. Transsexuelle Menschen kennen das, und erleben diese täglich.

Wenn in einer TV-Runde eine bärtige Drag-Queen, die damit gekonnt die Gender-Stereotype bricht, eher als Frau angesehen werden kann, als eine transsexuelle Frau, die sich Mühe gibt, die Rollen-Erwartungen zu erfüllen, dann verrät das einiges über die Heuchelei, die transsexuellen Menschen täglich begegnet. Aber machen wir uns nichts vor: Um deren Belange geht es bislang ja auch weder im Fernsehen, noch in anderen Medien in Deutschland. Und wenn dann 20 Minuten vor Sendungsende das transsexuelle Klischee bestätigt wurde und die Figur des "umgewandelten Mannes" nicht mehr gebraucht wird, dann ist es auch kein Problem für Maischberger diese mit dem Hinweis auf mangelnden Platz im Studio vorzeitig zu verabschieden.

Fazit: Maischbergers "Sexuelle Vielfalt: Mann, Frau, egal?" fasst gut zusammen, wie Transsexuellenfeindlichkeit in Deutschland aussieht. Dass es Frauen mit vermännlichten Körpermerkmalen gibt, ist hierzulande nicht vorgesehen. Die sind dann nämlich "er". Was für eine geheuchelte Toleranz. Was für ein Körperfaschismus.

Die EU vergisst transsexuelle Menschen

Die EU hat ein Papier veröffentlicht, in dem - neben der Forderung Zwangssterilisationen als Bedingung für die rechtliche Anerkennung zu verbieten - die WHO aufgefordert wird, "Störungen der Geschlechtsidentität von der Liste der psychischen Störungen" zu streichen. So schön das einerseits ist, so ärgerlich ist es, dass transsexuelle Menschen von der EU weiterhin als "Transgender-Identitäten" subsumiert werden. Damit ist weiterer geschlechtlicher Fremdbestimmung Tür und Tor geöffnet.

In dem Text heisst es u.a.:

"fordert die Kommission und die WHO auf, Störungen der Geschlechtsidentität von der Liste der psychischen Störungen und Verhaltensstörungen zu streichen; fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Beendigung der Pathologisierung von Transgender-Identitäten zu verstärken; fordert die Staaten auf, schnelle, zugängliche und transparente Verfahren zur Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit sicherzustellen, in deren Rahmen das Recht auf Selbstbestimmung respektiert wird;"

Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. kritisiert seit Jahren die Trennung in "biologische" und "unbiologische Geschlechter" und die Ansicht, es würde sich bei Transsexualität um das Gefühl handeln, dem anderen Geschlecht angehören zu wollen. Bezogen auf "Gender", das soziale Geschlecht ist dieser Wunsch zwar vorhanden, macht aber nicht den Kern von Transsexualität aus. Wenn beispielsweise ein Mädchen mit vermännlichten Körpermerkmalen äussert "ich bin ein Mädchen", dann ist es ein Mädchen und nicht etwa ein "biologischer Junge", der gerne Mädchen wäre.

Dies ist deswegen von Relevanz, da davon irrtümlicherweise auszugehen, dass es sich bei Transsexualität primär um ein Gender-Thema handele, anstatt um eine tatsächlich existierende geschlechtliche Variation, zu einer medizinischen Behandlung unter falschem Vorzeichen führt. Transsexuelle Menschen brauchen in erster Linie Hormone oder Operationen nicht etwa deswegen, weil sie eine bestimmte geschlechtliche Rolle (Gender-Role) einnehmen wollen, sondern weil sie um ihre körperliche Abweichung wissen. Transsexualität hat primär mit körperlichen Bedürfnissen zu tun und nicht etwa mit dem Wunsch, stereotype Rollenklischees zu erfüllen.

Wird nun das Verlangen körperlicher Veränderung als Geschlechtsrollen-Thema umgedeutet - eine der Grundlagen für Psychopathologisierung - folgt daraus eine medizinische Behandlung, die Gender-Rollen, also gender-spezifisches Spielzeug, Spielkameraden, etc. oder Kleidung als Überschrift wählt. Diese geschlechtliche Deutung hat unserer Ansicht nach im Umgang mit transsexuellen Menschen nichts zu suchen.

Wenn die EU also nun davon ausgeht, dass transsexuelle Menschen "Transgender-Identitäten" seien und sich für eine "Beendigung der Pathologisierung von Transgender-Identitäten" ausspricht, dann hiesse das zwar, dass transsexuelle Mädchen die sagen "ich bin ein Mädchen" für diese Aussage nicht pathologisiert werden sollen, aber noch lange nicht, dass anerkannt wird, dass es sich um Mädchen handelt. Genauso gut können diese Mädchen weiterhin als "biologische" Jungs, die sich wie Mädchen fühlen angesehen und so behandelt werden - denn eine "Beendigung der Pathologisierung von Transgender-Identitäten" kann hier auch bedeuten, dass Jungs zugestanden wird, dass es nicht schlimm sei "wie ein Mädchen zu fühlen".

Für transsexuelle Menschen ist dies unbefriedigend. Mit der Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt hat der Text der EU nämlich wenig zu tun. Vielmehr geht es hier bei genauerer Betrachtung lediglich um die Anerkennung geschlechtlichen Handelns, also einem Text der Toleranz gegenüber sexuellen Identitäten einfordert, aber noch lange nicht die per se existierende geschlechtliche Vielfalt meint.

Es ist nach wie vor ärgerlich, dass die EU bislang nicht bereit ist LSBTTIQ anzuerkennen und transsexuelle Menschen hier als "Transgender-Identitäten" subsumiert werden sollen.

Wir fragen uns: Was ist eigentlich das Problem? Warum ist das scheinbar doch so schwer?

Link:

Menschenrechte und Demokratie in der Welt und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A8-2015-0023+0+DOC+XML+V0//DE