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In Zeiten paternalistischer Übergriffe

Die AfD-Landesfraktion Schleswig-Holstein lud am 28. Mai zu einem Vortrag mit dem Titel "Mann=Frau? Wie weit geht der Gender-Wahn?" ein. Dazu ein paar Gedanken.

Was Rechtspopulisten und Rechtsextremisten nicht verstehen ist, dass das biologische Geschlecht sich nicht binär in "Mann" und "Frau" aufteilen lässt. Das biologische Geschlecht besteht aus Übergängen zwischen weiblich und männlich. Von diesen Übergängen gibt es ziemlich viele, da Menschen nicht nur eine einzige geschlechtliche "Ebene" mitbringen, sondern mehrere (Brüste, Genitalien, Körperformen, Stimme, etc. und selbst Chromosomen sind weit weniger binär, als es erst aussieht)

Aus der biologischen Vielfalt nun eine Frage von "Mann" und "Frau" zu machen ist die Deutung und Interpretation von Körperzuständen um diese dann einer sozialen Geschlechtervorstellung anzupassen. Körper werden gedeutet und dann gesagt: Das ist Geschlechterkategorie A oder B. Seit kurzem haben wir eine dritte soziale Kategorie, was die Sache aber nicht wesentlich verändert.

Das Kategorisieren und Schubladisieren ist der Akt, der Körper gesellschaftlich einordnet, um den Menschen - ausgehend dieser Einteilung - unterschiedliche Rechte zukommen zu lassen. Hätten Menschen gleiche Rechte, könnten die Kategorien ja einfach weggelassen werden. Es handelt sich bei dem Akt der Kategoriserung und Zuteilung um einen paternalistischen Akt. Menschen werden anhand ihrer Körper bewertet und Aussenstehenden das zynische Recht gegeben, Menschen Geschlechterkategorien zuzuteilen, anstatt anzuerkennen, dass Menschen selber besser über ihr Geschlecht Bescheid wissen, als alle Aussenstehenden.

Genau da setzen nun Rechtspopulisten an. Sie wünschen sich eine gesellschaftliche Ungleichbehandlung der Geschlechter, am besten staatlich verordnet. Sie konstruieren Gender-Kategorien. Es sollte immer klar sein, mit was wir es zu tun haben. Wer Genderkategorien erschafft und Menschen ausgehend ihrer Körperzustände solchen Kategorien zuteilt, will immer Ungleichbehandlung und Macht über Menschen. Die Zuteilung ist das staatliche und gesellschaftliche "Grab them by the Pussy".

Es gibt keinerlei Ausnahmen von dieser Regel, da - wie oben schon erwähnt - jede soziale Zuteilung unnötig wäre, wenn Menschen gleiche Rechte hätten.

Gender-Kategorisierungen abzuschaffen, bedeutet im übrigen nicht Geschlecht abzuschaffen. Im Gegenteil. Erst wenn Menschen nicht mehr binären oder trinären Kategorien zugeteilt werden, können sie in dem Geschlecht ernst genommen werden, welches sie haben. Deswegen muss eine echte Emanzipationsbewegung sich auch darauf veständigen, auf Gender-Kategorisierungen zu verzichten - vorallem wenn diese Kategorisierungen der Staat vornimmt und dafür Leute beauftragt, diesen Job zu übernehmen. Die Kategorisierungen beginnen dort, wo Körper=Geschlecht gesetzt wird und dann Menschen nur noch das Recht gegeben wird, sich bestimmten Identitäten zuzuordnen oder diese Zuteilung gleich von Medizinern und Psychiatern übernommen wird, wie das auch mit der Diagnose "Gender Inkongruenz" weiterhin auch im ICD11 der Fall sein wird.

Rechtspopulismus bekämpfen heisst daher Identitarismus bekämpfen. Oder positiv formuliert: Menschenrechte gehören wieder in den Mittelpunkt!

Ein nicht-diverses Diversity-Institut (und eine teilweise transsexuellenfeindliche LGBT-Community)

Es ist schon interessant. Da gibt es ein "Diversity-Institut". Dieses hat eine LSBT*-Broschüre heraus gegeben zu sexueller Identität und Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz. Der Verein BVT* verlinkt nun zu dieser Broschüre und nennt - das passiert nicht oft  - mehr als ein T, ein I und sogar ein A. Das verwundert sehr, da dieser Verein ja ansonsten Identität und Körper gerne zu ein und demselben erklärt und die Vermischung von Transsexualität und Geschlechtsidentität als Grundkonzept hat.

Das wirklich interessante ist aber nun die Reaktion in den Kommentaren darauf.

Da heisst es dann:

"Jana Maria Knoop Frage aus Interesse: LSBTTIQA? ist das jetzt das Wording auch vom BVT? [... und weiter...] (Info: Vor ein paar Minuten, gab es noch eine Antwort, die besagte, dass es ein Versehen war .. kurz danach war diese wieder gelöscht und LSBTTIQA steht immer noch da, obwohl die Studie dieses Wording gar nicht benutzt) Was ist passiert?"

Ja, Unsichtbarmachung von Transsexualität ist ein aktiver Prozess. Menschen machen das nicht ausversehen, sondern ganz gezielt. Das ärgerliche daran sind die Folgen dieser Unsichtbarmachung:

  • Menschen werden bei einer medizinischen Behandlung, bei der sie z.B. Hormone oder Operationen wünschen mit Identitätsdiagnosen konfrontiert oder medizinische Behandlung von bestimmten Identitäten abhängig gemacht
  • Menschen, die ihr Geschlecht kennen, werden umgedeutet zu Menschen, die eine bestimmte Geschlechtsidentität ausleben wollen, anstatt dass ihr Geschlecht als Geschlecht anerkannt würde

Die Unsichtbarmachung geschlechtlicher Vielfalt ist Teil einer LSBT*-Community, die sich "divers" nennt, aber in welcher Personen existieren, die ein sehr eingeschränktes Verständnis von Diversity haben. Die Unsichtbarmachung wird in der Regel mit der Behauptung begründet, bei Transsexualität ginge es um eine der vielen Trans*-Selbstbezeichnungen und Geschlechtsidentitäten, anstatt anzuerkennen, dass Transsexualität etwas völlig anderes meint, als eine "Geschlechtsidentität" oder "Selbstbezeichnung", nämlich einen vom Geschlecht abweichenden Körper.

Hier, wie die Unsichtbarmachung von Transsexualität neuerdings begründet wird:

"Auch wenn wir befürchten, dass sich nicht alle Personen mit der Bezeichnung Trans* identifizieren können und/oder wollen, bitten wir an dieser Stelle um Verständnis für diese – im Rahmen der Publikation notwendige – Verkürzung. Gleichzeitig möchten wir betonen, dass sich die Befragung ausdrücklich auch an Personen gerichtet hat, die sich in den binären Geschlechtskategorien nicht wiederfinden, die sich als non-binary persons beschreiben, die sich als Frauen und Männer mit transsexueller Vergangenheit verstehen und/oder sich dem Sammelbegriff Trans* nicht zuordnen möchten."
(Ausschnitt aus der Broschüre "Out im Office?!", 2019)

Dies wird dann zynischerweise auch noch als "diskriminierungsfreie Sprache" bezeichnet.

Gefördert wurde das Papier, in dem es nicht um Intersexualität und Transsexualität geht und Menschen mit Transsexualität bewusst unsichtbar gemacht werden, von der (Anti)diskriminierungsstelle des Bundes und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

Wir möchten noch einmal darauf hinweisen, dass es sich bei dem Vorgehen, Transsexualität als Trans* umzudeuten um den Versuch handelt, geschlechtliche Herrschaft auszuüben. Es geht um Macht über Körper und die Konstruktion von Identität. Transsexualität beschreibt - und das kann nicht oft genug gesagt werden - in unserem Verständnis die Abweichung des Körpers vom eigenen Geschlecht. Diese Abweichung ist identitäts-unabhängig. Wenn wir von Transsexualität sprechen meinen wir nicht, dass es um "Geschlechtsidentitäten" geht und auch nicht, dass Menschen sich so oder so identifizieren oder benennen. Wir meinen damit einen vom Geschlecht abweichenden Körper und gehen davon aus, dass solche Abweichungen existieren. Die Deutung eines Körperzustandes als "Geschlecht" erachten wir als institutionelle Übergriffigkeit einer patriarchalen Welt. Die Folgen dieser Weltanschauung sind die Verfügmarmachung von Körpern und Einteilung von Menschen in Identitäten (ähnlich nationaler Identitäten der neuen Rechten).

Zu dieser Übergriffigkeit gehört die Unsichtbarmachung von Transsexualität durch Trans*-Vereine und Lesben-Schwulen-Organisationen bzw. einer LSBT*-ohne-zweites-T-ohne-I-ohne-A-etc.-Community.