Wahl in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz - Chancen für transsexuelle Menschen?

Mehr Rechte für transsexuelle Menschen durch veränderte Mehrheiten? Am 27. März sind Landtagswahlen in Baden Württemberg und Rheinland Pfalz. Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. schrieb alle Parteien an und fragte sie nach ihrer Haltung zu den Rechten transsexueller Menschen. Dabei haben besonders die GRÜNEN in Baden-Württemberg gezeigt, dass sie die Probleme transsexueller Menschen kennen und sich für die notwendigen Änderungen stark machen werden. Dafür gab es von ATME die Note 1. Die SPD in BW bekam mit der Note 2 die zweitbeste Wertung, dicht auf gefolgt von den Linken.

Zum Hintergrund: Besonders demütigend ist die Pflicht im Transsexuellengesetz, dass sich transsexuelle Menschen in Deutschland durch einen sogenannten „Gutachter“ für geistesgestört erklären lassen müssen um überhaupt Rechte zu bekommen, wie das Recht auf das eigene Geschlecht oder den eigenen Vornamen. Rechte, die für alle anderen Menschen als selbstverständlich gelten. Damit transsexuelle Menschen sie selbst sein dürfen, was eigentlich jedem Menschen von Geburt an zusteht, müssen sie dafür auch noch tausende an Euros an den Staat (das Amtsgericht) bezahlen.
Die Abhängigkeit transsexueller Menschen von diesen "Gutachtern" und deren Urteil, nutzen viele "Gutachter" aus und werden sexuell übergriffig, so dass leider nicht wenige transsexuelle Menschen sehr traumatisiert die so genannte „Begutachtung“, die eigentlich eine Begrabschung ist, verlassen.

Dementsprechend lautete auch die Hauptfrage von ATME an die Politiker:
„Wird ihre Partei die gegen Menschenrecht verstoßende Begutachtung im Transsexuellengesetz, die im Kern nach dem DSM, dem internationalen Manual der psychischen Störungen abläuft und immer noch davon ausgeht, transsexuelle Frauen wären „Männer mit Identitätsstörung“ und transsexuelle Männer „Frauen mit Identitätsstörung“, abschaffen, wenn sie dazu die Möglichkeit hat?“
Die kompletten Fragen und die Antworten der Parteien, kann man hier für Baden-Württemberg und hier für Rheinland-Pfalz herunterladen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, das bei den Antworten der Parteien vor allem die Uneinigkeit zwischen den einzelnen Bundesländern auffiel. Die GRÜNEN in Baden-Württemberg erkennen die Verankerung des Themas in verschiedenen Bereichen: Schulen, Kindergärten, Vereinen, bei der Ausbildung, in Betrieben und in den Medien. Die GRÜNEN sprechen sich klar für eine Abschaffung der bisherigen psychiatrischen Zwangsbegutachtungen aus und plädieren dafür, dass die Papiere auf den Standesämtern geändert werden können. Außerdem weisen sie darauf hin, dass sich nach Änderung des Transsexuellengesetzes auch die Diagnosen in ICD/DSM ändern müssen und wollen sich dafür einsetzen, dass transsexuelle Menschen die medizinischen Leistungen erhalten, die sie benötigen.

Leichte Unterschiede gibt es zu den GRÜNEN in Rheinland Pfalz. Sie verweisen darauf, dass es sich bei dem sog. Transsexuellengesetz um ein „Bundesgesetz“ handelt, und die Länder hier nur beschränkte Mitgestaltungsmöglichkeit hätten. Eine ähnliche Argumentation, der auch die FDP folgte und deshalb auf die Fragen von ATME nicht nennenswert einging. Dennoch finden die GRÜNEN in Rheinland-Pfalz, im Gegensatz zur FDP (bundesweit), genügend Ansätze das Thema auch landespolitisch zu behandeln. Leider fällt negativ auf, dass die GRÜNEN in Rheinland-Pfalz Geschlecht für ein „soziales Konstrukt“ halten. Mit dieser Haltung liegen sie sehr nahe an den LINKEN.

Die LINKE in Baden-Württemberg unterstellt, dass Transsexualität etwas mit einem so „leben wollen“ zu tun hätte (als wäre irgend jemand so verrückt und wolle transsexuell sein). Die Genitalien eines Menschen hält die Linke in Baden-Württemberg für das „Geschlechtsteil“ und dies impliziert, dass sie nicht davon ausgeht, dass transsexuelle Menschen in der Realität existieren, sondern es sich um einen Wunsch handelt, eine bestimmte Lebensweise anzustreben. Gerade aber auf diesen Ansichten baut die Diskriminierung transsexueller Menschen auf. Auch treten die LINKEN nicht deutlich für eine Abschaffung des Gutachterverfahrens ein. Positiv ist die Forderung nach der Beendigung der Psychopathologisierung transsexueller Menschen (also, dass Transsexualität nicht mehr als psychische Krankheit gilt). Zudem will die LINKE, dass die medizinisch notwendigen Maßnahmen komplett gezahlt werden.

Eine echte Überraschung lieferte die SPD in Baden-Württemberg. Wo sich die Bundespartei – und auch die SPD in Rheinland Pfalz - deutlich zurück und bedeckt hält, zeigt sich die SPD in Baden-Württemberg aufgeschlossen. Sie sagt zwar nicht, dass sie die Begutachtungen abschaffen will, was sehr negativ auffälllt, ist aber stark dafür, transsexuelle Menschen nicht weiterhin als „identitätsgestört“ zu erachten, sondern als Menschen, die wegen ihres So-Seins (und nicht wegen „Wünschen“) medizinische Leistungen benötigen.

Die CDU hielt es übrigens nicht für nötig, auf Fragen von ATME zu antworten.

Unterm Strich fällt auf, dass die GRÜNEN sich fernab von Ideologien für die Rechte und die Anerkennung transsexueller Menschen stark machen, die anderen Parteien sich diesem Thema jedoch eher zögerlich oder sehr ideologiebeladen nähern. Für eine Abschaffung der Psychopathologisierung würde sich eine Mehrheit unter den Parteien finden, nicht jedoch für eine Beendigung des menschenverachtenden und demütigenden Gutachterverfahrens. Hier sprechen einzig und allein die GRÜNEN eine deutliche Sprache für eine Abschaffung des Gutachterverfahrens und für uneingeschränkte Menschenrechte.