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Gewalttätige Kommunikation und geschlechtliche Gewalt

Es gibt etwas, das sich am Besten "gewalttätige Kommunikation" nennen liesse. Gewalttätige Kommunikation hat immer Deutung zum Kern. Es geht bei gewalttätiger Kommunikation darum, Menschen nicht zuzuhören, sondern in Gesprächen das Gegenüber als Projektionsfläche für die eigenen Probleme zu missbrauchen. Gewalttätige Kommunikation ist immer autoritär, da von vorne herein eine Hierarchie aufgebaut wird und das Gegenüber nicht als gleichwertig angesehen wird.

Aber wie lässt sich gewalttätige Kommunikation erkennen?

Gewalttätige Kommunikation besteht im Wesentlichen aus Zuschreibungen und Bewertungen:

"Du bist so und so", "Du kannst dies nicht", "Du meinst das", ...

Meistens folgt auf eine solche Zuschreibung eine Bewertung dessen, was da behauptet wird. Diese Bewertung fällt in der Regel negativ aus.

"Es ist schlecht, dass Du..." "Du bist unmöglich", ...

Menschen, die gewalttätig kommunizieren, kommunizieren im eigentlichen Sinne nicht, sondern nutzen die Abwertung des Gegenübers als Aufwertung der eigenen Person. Menschen die gewalttätig kommunizieren, haben häufig auch wenig Scheu davor, die Abwertung in Abwesenheit der zuvor missbrauchten Menschen weiterzuführen - zum Beispiel durch Verbreiten von Lügen.

Warum schreiben wir das?

  1. Im Zusammenhang mit der Diskussion über "Trans*" und der kritischen Auseinandersetzung mit geschlechtlicher Macht, wird gewalltätige Kommunikation auch dazu verwendet, Anliegen von Menschen abzuwerten. Unserer Erfahrung nach werden vorallem die Menschen abgewertet, die sich kritisch zu einer identitären Einteilung der Gesellschaft äussern und den institutionellen Machtmissbrauch, der auf der Aufteilung in Menschengruppen basiert, beklagen.

  2. Wenn Menschen in echten wie virtuellen Räumen, für die wir Verantwortung übernommen haben (und dazu gehört auch der Kommentarbereich unserer Facebookseite), gewalttätig kommunizieren, dann dulden wir so ein Verhalten nicht. Wer selbst dann nicht davon ablassen kann, gewalttätig zu kommunizieren, wenn wir zuvor darauf hingewiesen haben, dies bitte aus Respekt und Schutz vor den anderen Menschen (die sich auf Augenhöhe unterhalten können und wollen) zu unterlassen, der wird bei uns gesperrt.

Wir nehmen die Sache mit den Zuschreibungen und Deutungen sehr ernst. Geschlechtliche Deutung und das Mittel der Deutung in der Kommunikation - die wir als gewalttätige Kommunikation bezeichnen - haben nämlich sehr viel miteinander zu tun. Wer nicht auf Augenhöhe kommunizieren kann, erkennt in der Regel auch nicht die Selbstaussage von Menschen über ihr Geschlecht als Aussage über ihr Geschlecht an. Kommunikative Gewalt und geschlechtliche Gewalt haben einen Zusammenhang.

Ein "Trans*hype" oder eher ein Sexologenhype?

In letzter Zeit melden sich Einige zu Wort, die der Ansicht sind, dass es so etwas wie einen Transgender/Trans*-Hype gäbe und sich kritisch zu Transsexualität äussern. Die Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer widmet dem Thema viel Platz in ihrer Zeitschrift, der Psychosexologe Alexander Korte tourt durch Deutschland und bekommt dafür Raum in den Medien, etc. Dabei ist die Diskussion falsch. Es gibt keine Zunahme an Transsexualität. Denn "Trans*" und Transsexualität sind nicht dasselbe.

"Trans*" ist die szenekompatible Übersetzung der psychiatrischen Diagnose des DSM V (dem Statistischen Manual der psychischen Störungen der Amerikanischen Psychiatervereinigung APA), die sich "Gender Dysphorie" nennt und 2013 verabschiedet worden ist. Es waren Psychosexologen, die lange darauf hingearbeitet hatten, die Diagnose auf Menschen zu erweitern, die bisher noch gar nicht als "gender dysphorisch" oder "gender variant" erfasst worden sind.

Interessanterweise hatte sich der Kern der Logik, die auch schon im DSM IV steckte, nicht verändert: Diagnostiziert wird, wer sich "gender-atypisch" verhält. Damit ist dann gemeint, dass sich beispielsweise Kinder, die sich nicht ihrem "biologischen Geschlecht" (in Anführungszeichen, da die Psychosexologie damit ihre eigene Deutung des biologischen Geschlechts meint, was mit Biologie wenig zu tun han) verhalten, als gender-variant bzw. "gender dysphorisch" klassifiziert und diagnostiziert werden. Wir hatten damals darauf hingewiesen, dass es sich um eine psychiatrische Weltsicht handelt, die sich bis heute nicht geändert hat.

Was sich geändert hat ist, dass die Diagnose breiter aufgestellt worden ist: Als gender-dysphorisch gilt seitdem auch das, was früher Transvestitismus genannt worden ist und bezieht sich auch auf gender-untypisches Verhalten von femininen Schwulen oder maskulinen Lesben, sowie intersexuellen Menschen. Wenn jemand eine psychiatrische Diagnose erweitert auf alles mögliche, was mit Gender Identity zu tun hat - und das ist mit dem DSM V geschehen - dann wird hinterher auch das, was als "transgender" diagnostiziert wird, zunehmen. So weit, so schlecht.

Dass es Menschen gibt, deren Körper vom Geschlecht abweicht, wurde weiterhin von der Psychosexologie abgestritten und Menschen, die darauf hingewiesen haben, dass Transsexualität existiert, auf vielfältige Weise aus dem Diskurs ausgeklammert. Zu Gesprächen, wie denn nun die DSM-Diagnose auch in den ICD, der Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation, aufgenommen werden könne, wurden Menschen, denen es "nur" um Transsexualität ging, erst gar nicht eingeladen. Wer eingeladen wurde, waren Personen und Vereine, welche die Erweiterung der Psychodiagnostik mittragen wollten.

Nun haben wir 2020 und müssen feststellen, dass Psychosexologen wie Alexander Korte sich über ihre eigene Weltsicht wundern und vor einem "Trans*-Hype" warnen. Das ist absurd.

Es haben sexistische und genital-basierte Definitionen von Geschlecht und damit - zugleich - auch die Klassifikation von Aussagen von Menschen als Varianten der Geschlechtsidentität zugenommen. Und das basiert auf der Weltsicht von Psychosexologen, die in Büchern von atypischen Geschlechtsidentitäten schreiben. Es gibt keine Zunahme an Transsexualität. Was es aber gibt: eine Zunahme von trans*-Diagnosen, da die Gruppe, die mit dieser Diagnose erfasst wird, erweitert worden ist.

So gesehen müsste man eher sagen, dass es einen Psychosexologen-Hype gibt, die mit dem DSM V neue Zielgruppen erfasst haben und zusätzlich die Menschen als "trans*" diagnostizieren, die gar nicht transsexuell sind und beispielsweise auch gar kein Körperthema haben. Das wird in den Texten der Psychosexologie ja ganz offen gesagt und ist auch Teil der Diagnose "Gender Dysphorie" und "Gender Inkongruenz", bei denen körperliche Massnahmen ja noch nicht einmal mehr dazugehören müssen.

Vielleicht noch einmal zur Erinnerung, was wir schon lange sagen: Die Behandlung von Transsexualität muss frei sein von Gender-Identitäten. Sie muss darauf basieren, dass Menschen einen Wissen über ihren Körper haben (und damit auch ein Wissen über das Leiden, dass ein Körper, der nicht dem eigenen Geschlecht entspricht, hervorruft). Voraussetzung dafür wäre aber, Transsexualität überhaupt erst einmal als existent anzuerkennen. Das geht aber nur, wenn die Gleichsetzung von Körper und Geschlecht, was von Psychosexologen gerne als "biologisches Geschlecht" bezeichnet wird (ein Biologismus, der bei nährerer Betrachtung auf einer Deutung von Körperzuständen basiert), beendet wird und anerkannt wird, dass Körper nicht immer dem Geschlecht entsprechen müssen - also auch Menschen geboren werden können, deren Körpermerkmale transsexuell sind. Transsexualität zu einer Frage einer Gender-Identiät zu machen, ist genau das Gegenteil davon.

Ein Artikel von 2010 (Hinweis: Beier ist ein Kumpel von Korte):
Ausweitung der Pathologisierung verhindern