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Der Berliner LSVD will Transsexualität unsichtbar machen

Der LSVD in Berlin hat eine transsexuellenfeindliche Aktion gestartet, die sich "Proud to be trans*" nennt. An ungefährt 1000 Stellen wird in Berlin plakatiert und für ein Weltbild geworben, in welchem "Transsexualität" gar nicht mehr vorkommt oder vorkommen soll. Der Verein meldet damit geschlechtlich-patriarchale Definitionsmacht an.

Aufmerksam geworden auf die Aktion sind wir u.a. auch dadurch, dass diese in Zeitungen beworben wird. In einem Arikel von "Neues Deutschland" heisst es zum Beispiel:

"Es gehe darum, Trans*personen nicht auf ihre Geschlechtsmerkmale zu reduzieren" (Quelle: Neues Deutschland, 16.07.2019, "Mit Sichtbarkeit zur Normalität")

Da stellt sich doch gleich die Frage, was die Kampagnenmacher als "Geschlechtsmerkmale" ansehen, und was dann das andere ist.
Weiter hilft der Blick auf die Kampagnenseite:

So fordern sie einen "selbstverständlichen Umgang mit Geschlechtsidentitäten", und dass "Trans*menschen" so definiert werden können, "dass ihnen gesellschaftlich zugeordneten Männer-und Frauenrollen nicht entsprechen". Transgeschlechtlichkeit beschreibe die "Geschlechtsidentität" und deswegen sei der Begriff "transsexuell" irreführend.
(Quelle: https://berlin.lsvd.de/buendniskampagne-2019/)

Die Kampagne ist transsexuellenfeindlich. Er stellt ein patriarchales Geschlechterverständnis über das Wissen, das Menschen über sich selbst haben. Offenbar soll dieser Definitionshoheitsanspruch über Menschen flächendeckend klar gemacht werden.

Wir haben deswegen an "Neues Deutschland" einen Brief verfasst:

Liebe Redaktion,

es ist sehr traurig, dass ihr gar nicht merkt, dass mit "trans*" eine neue patriarchale medizinisch-psychiatrische Fremdbestimmung von Menschen einhergeht. "trans*" will auch Transsexualität vereinnahmen. "trans*" geht um Identität und basiert auf der Idee, dass die "Geschlechtsidentität" von so etwas wie einem "biologischen Geschlecht" abweichen kann. Das wäre noch nicht schlimm. Schlimm ist aber, wenn dann Transsexualität, also das abweichen von Körpermerkmalen zum eigenen Geschlecht, zu dieser "Identität" gemacht wird. Weil: Dann heisst das in der Regel nämlich, dass an der patriarchalen Idee festgehalten wird, man(n) könne die Deutung körperlich-sichtbarer Gegebenheiten als das "biologische Geschlecht" bezeichnen, anstatt zu berücksichtigen, dass Menschen selbst ein besseres Wissen über ihr Geschlecht haben, als Aussenstehende.

Es sollte einem klar werden, dass a) die Deutung von Körpermerkmalen nie das "biologische Geschlecht" sind, sondern nur eine Näherung sein kann, die auf Gender(!) basiert. Und, dass b) Menschen - da sie keine Objekte sind - sich selbst besser zu ihrem Sexus äussern können, als jeder Aussenstehender.

Wenn nun in einer Stadt flächendeckend "Trans*" beworben wird, dann ist das für Menschen, die wissen, dass sie transsexuell sind, aber nicht "trans*", ein ziemlicher Horror. Weil damit dann Flächendeckend unsichtbar gemacht wird und zugleich das Signal gegeben wird: Wir definieren hier, wer Du bist... selbst, wenn Du es besser weisst.

Unsichtbarmachung "Sichtbarkeit" zu nennen, ist ein Zynismus.

Es wäre doch schön, wenn zu dieser Flächendeckenden Unsichtbarmachung von Transsexualität irgendwann mal ein Diskurs beginnen würde. Und dann auch darüber, was das mit patriarchalen Definitionshoheitsansprüchen, geschlechtlicher Gewalt und Herrschaft über Körper zu tun hat.

Schöne Grüsse,

Kim Schicklang

Die Leugnung transsexueller Körper. Ein Erklärungsversuch.

Dass Transsexualität - also die Abweichung von Körpermerkmalen zum eigenen Geschlecht - in Kontexten, in denen es um geschlechtliche Vielfalt gehen sollte, oft weggelassen wird, ist eine Tatsache. Auch die Nennung von trans* macht es nicht besser, da sich trans* auf eine Geschlechtsidentität (gender identity) bezieht, die als Abgrenzung zum biologischen Geschlecht (sex) erfunden worden ist.

Die Frage ist aber: Warum ist das so, dass Transsexualität unsichtbar gemacht wird?

Ein Erklärungsversuch.

Es liegt zu grossen Teilen an den Ängsten von Menschen, die sich ihr geschlechtliches Sein selbst erst erarbeiten mussten wie z.B. homosexuelle Menschen oder Transvestiten. In tiefergehenden Gesprächen wurden wir darauf hingewiesen, dass homosexuelle Kinder sich oft fragen, welches Geschlecht sie seien. Stellen wir uns einen femininen schwulen Jungen vor. Er stellt fest, dass er möglicherweise andere Dinge gern hat, wie andere Jungs. Vielleicht Dinge, die eher Mädchen mögen. Und dann interessiert er sich auch noch - wie die Mädchen - für andere Jungs. Ähnlich wird es sich bei lesbischen Mädchen verhalten, die schon früh gegen Rollenerwartungen rebellieren.

Zum homosexuellen Coming Out Prozess wird nun gehören, Gender-Erwartungen zu hinterfragen:

Ist es wirklich so, dass alle Jungs gleich sind? Übernehmen wirklich alle Jungs klassische Männerrollen? Oder sind dies eventuell Klischees und Stereotype? Machen Mädchen immer das, was andere Mädchen machen? Oder sollte dagegen rebelliert werden?

Am Ende eines homosexuellen Coming Out-Prozesses wird die Erkenntnis stehen, dass Vorlieben für typische "Männerdinge" oder "Frauendinge" gesellschaftlich gemacht sind und nicht angeboren sind. Was am Ende übrig bleibt ist der Körper, welcher der geschlechtlichen Selbstvergewisserung dient.

Der Körper ist die Konstante des homosexuellen und transvestitischen Selbstverständnisses, von der eine gesellschaftliche Rolle abweichen kann. Oder um es medizinisch-psychiatrisch auszudrücken: Der Körper ist das "biologisches Geschlecht" (sex), von dem eine Geschlechtsidentität (gender identity) abweicht.

Und was hat das nun mit der Unsichtbarmachung von Transsexualität zu tun?

Menschen mit Transsexualität machen ihr Geschlecht (sex), nicht an den äusseren Körpermerkmalen fest, sondern wissen, dass Körper vom Geschlecht abweichen können. Dies muss zwangsläufig Menschen verunsichern, die Geschlecht an den äusseren/sichtbaren Körper-Merkmalen festmachen und alles weitere als "Geschlechtsidentität" verstehen. Sie werden Menschen mit Transsexualität, die sich zu ihrem Geschlecht äussern, dahingehend falsch verstehen, dass die Aussage "ich bin eine Frau", "ich bin ein Mann", "ich bin ..." als Aussage über eine Geschlechtsidentität interpretiert wird, da die Gleichung Körper=Geschlecht der eigenen homosexuellen oder transvestitischen Selbstvergewisserung wegen nicht in Frage gestellt werden kann.

Daraus ergeben sich die bekannten Schwierigkeiten Transsexualität anzuerkennen. Dies galt lange Zeit auch für Intersexualität. Durch die Schaffung eines "dritten Geschlechts" und "Intergeschlechter" ist die homosexuelle Ordnung aber wieder hergestellt und das eigene geschlechtliche Sein muss nicht mehr in Frage gestellt werden.

Die Existenz von Menschen deren Körper vom Geschlecht abweicht, kann es für homosexuelle Menschen und Transvestiten, die ihre geschlechtliche Selbstvergewisserung aus ihrem Körperzustand ablesen, nicht geben. Sie stören das Narrativ, das für die eigene Selbstverständlichkeit erarbeitet worden ist.

Und noch eine Frage stellt sich: Wie kann das überwunden werden?

Unser Ansatz ist der, unterschiedliche Realitäten zuzulassen und anzuerkennen. Nicht alles muss von allen verstanden werden. Wenn Menschen ihre geschlechtliches So-Sein über angeborene Körperzustände definieren, dann ist das in Ordnung. Zumindest solange sie es für sich selbst so sehen und andere Realitäten zulassen. Deswegen unterstützen wir auch die Idee, Transsexualität in LSBTTIQ abzubilden, also Transsexualität und Trans* als unterschiedliche Lebensrealitäten und geschlechtliche Selbstverständnisse anzuerkennen. Wir gehen davon aus, dass es Menschen mit Transsexualität gibt.

Wir haben aber nicht den Anspruch, schwulen Jungs einzureden, ihr Verhalten würde sie zu Mädchen machen oder lesbischen Mädchen einzureden, sie müssten umbedingt Hormone nehmen, um "zum Mann zu werden". Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch ein Wissen über sich selbst hat. Jeder Mensch kann zu sich finden und sich irgendwann zu sich selbst äussern.

Es ist unser Selbstverständnis dass kein Mensch das Recht besitzt, das geschlechtliche Sein eines anderen Menschen anzuzweifeln. Wir arbeiten darauf hin, dass das auch bei Transsexualität der Fall sein wird. Noch ist das nicht so. Transsexualität ist nicht trans*.