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Sachsen, ey!

Wir sind gerade von einem Mitarbeiter der Landesregierung Sachsen beschimpft worden. Er rief uns an und bezeichnete die Anerkennung von Transsexualität sinngemäss als Thema, das nur ganz wenige Leute beträfe und es deswegen besser sei, sich damit zu Frieden zu geben, wenn Menschen sich für Transidentität einsetzen. In Sachsen hätte man mit dem Rechtspopulismus und Rechtsextremismus genug zu tun und die Unterscheidung von Transidentität und Transsexualität im Vergleich dazu ziemlich unwichtig sei.

Was er offenbar nicht versteht: Die Nicht-Anerkennung dessen, dass Körpermerkmale vom Geschlecht abweichen können (Transsexualität) und die Umdeutung zu einer Frage der Identität ist ein Teil einer patriarchalen Rückeroberung, in der es darum geht, sich Körper verfügbar zu machen. Und DAS ist ein wesentlicher Bestandteil rechter Entwicklungen. In rechten Weltanschauungen geht es immer um die Verfügbarmachung von Körpern und Geschlecht.

Wer nicht anerkennen kann, dass Menschen ein besseres Wissen über ihr Geschlecht haben, als Aussenstehende versteht entweder nicht, dass die Werkzeuge der Verfügbarmachung von Geschlecht mittels medizinisch-psychiatrischee Diagnosen ein Baustein einer übergriffigen (und rechten) Weltanschauung ist oder er akzeptiert diese Anschauungen.

Auswirkungen dieser Anschauungen wären:

  • Genitalverstümmelungen bei Kindern, gegen den Willen der Kinder
  • Einsatz gegen Abtreibungen, gegen den Willen der Schwangeren
  • Infragestellen von Menschenrechten
  • etc.

Die Anerkennung von Transsexualität hatten wir als "Heucheltest" bezeichnet. Denn wer das Prinzip der körperlichen Selbstbestimmung anerkennt, der kann auch anerkennen, dass Menschen wissen, wer sie geschlechtlich sind und wird kein Problem damit haben, körperliche Abweichungen von Geschlecht (also Transsexualität) zu denken. Wer damit ein Problem hat, kann alles weitere kaum ernst meinen.

Wer Rechtspopulismus/Rechtsextremismus bekämpfen will, muss bei sich selber anfangen und sich von rechten Denkmustern lösen. Wir sind alle nicht frei davon. Aber jeder Mensch sollte in der Lage dazu sein, eigene Haltungen zu reflektieren.

Es geht um Emanzipation.

Korte und die Biologismen

Alexander Korte ist Kinder- und Jugendpsychiater. Einer der grossen Namen, die zu nennen wären im Zusammenhang mit der Psychosexologie. Er hat der katholischen Internetzeitung "Die Tagespost" ein Interview gegeben. Er zeigt in diesem Interview, dass er von Transsexualität keine Ahnung hat. Und er sagt Dinge, in denen "Biologie" angeführt wird, obwohl es um die Deutung von Geschlecht geht.

Zitat:
"Ärzte und Psychologen verwenden heute fachlich korrekt den Begriff Körper-Geschlechts-Inkongruenz, und das beschreibt die erlebte Diskrepanz zwischen dem geschlechtsbezogenen Identitätsgefühl einer Person einerseits und deren körperlich-biologischer Geschlechtszugehörigkeit andererseits."

Wir fügen das dann mal unserer Biologismen-Sammlung hinzu.

Zur Erinnerung: Biologismus meint, wenn Menschen die "Biologie" anführen, um ihre Vorstellung, die sie über andere Menschen haben, wissenschaftlicher klingen zu lassen. Dazu gehört, dass es sich nicht wirklich um "Biologie" handelt, sondern lediglich um einen Ausschnitt, der die jeweilige Ideologie desjenigen stützt, der mit Biologismen arbeitet. Was zu einem Biologismus führt, hat meistens nichts mit "Biologie" zu tun, sondern es handelt sich um eine Deutung. Diese Deutung basiert auf gesellschaftlichen Normen, Ideen, Haltungen, etc.

Ein Biologismus im Zusammenhang mit Transsexualität klammert einen Teil der Realität aus. Er behauptet eine vom "biologischen Geschlecht" abweichende Identität. Was ausgeklammert wird, sind die Menschen, um die es geht. Sie werden anhand des Körperzustandes geschlechtlich gedeutet. Die Äusserung, die dann die Gedeuteten über ihr eigenes Geschlecht treffen, wird als weniger wert betrachtet, als die Deutung des Aussenstehenden (in der Regel: ein Psychosexologe).

Wir sind hier sehr konsequent: Für uns ist die Aussage, die Menschen über ihr Geschlecht treffen richtiger, als die Aussage, die ein Aussenstehender über das Geschlecht eines Menschen trifft. Ausgehend dieses Wissens gibt es Menschen, deren Körper vom Geschlecht abweicht, also Menschen mit transsexuellem Körper.

Zurück zu Alexander Korte: Er deutet das Thema falsch. Er ist kein Experte. Wer Transsexualität für eine Frage eines "Geschlechtsrollen- und Geschlechtsidentitätskonfliktes" hält, irrt. Dieser Irrsinn muss endlich überwunden werden.

Das Interview vom 21. August 2019