Agentur für Grundrechte weist auf Diskriminierung von LSBTTIQ in Deutschland hin

In einer aktuellen Broschüre mit dem Titel: "Fundamental rights: key legal and policy developments in 2013. Highlights 2013" weist die FRA, die Agentur für Grundrechte in der Europäischen Union, auf verschiedene Diskriminierungen hin und vergisst auch transsexuelle und homosexuelle Menschen nicht.fra-2014-annual-report-highlights-2013-coverBesondere Kritik erfahren dabei das TSG und die täglich erĺebet Diskriminierung und Angst vor Hate-Speech, welche wir ja Dank der rechten Bildungsgegner - einschließlich der CDU - auf Stuttgarts Straßen hier im Süden zur Genüge erfahren haben.

In der Broschüre heißt es u.a. auf Seite 27:
"Diskriminierung läuft häufig auf Ausschluss von der aktiven Teilnahme in vielen Gebieten des täglichen Lebens hinaus; es werden Barrieren errichtet, die viele Menschen davon abhalten, an der Gesellschaft auf einem gleichen/gleichberechtigten und nicht-diskriminierendem Stand teilzunehmen." [...]
"Beispielsweise müssen Transgender Personen in einigen EU-Mitgliedstaaten häufig komplizierten langen gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien entsprechen, bevor ihr Geschlecht in offiziellen Dokumenten geändert werden kann"
Und weiter heißt es:
"Solche Kriterien schließen den Nachweis einer medizinischen oder psychologischen Diagnose von Transsexualität oder Geschlechtsdysphorie/Transgenderismus mit ein.
Ohne dies Diagnosen stehen Transgenderpersonen Schwierigkeiten gegenüberstehen, wenn sie an einfachen täglichen Tätigkeiten teilnehmen wollen, die Ausweise (Identitätsdokumente) erfordern."

"Andere Barrieren für die Teilnahme entstehen aus der Brandmarkung und den negativen Stereotypieren, die zur Angst vor sprachlichen oder körperlichen Angriffen führen. Fast die Hälfte aller Befragten in der EU-LGBT-Befragung hat angegeben, dass beleidigende Sprache über LGBT Leute durch Politiker ziemlich oder sehr weit verbreitet in ihrem Land ist.

Ähnlich zeigt der Überblick von FRA über jüdische Personen in der EU, dass, durchschnittlich, mehr als Hälfte der Befragten antisemitische Anmerkungen in den Medien und durch Politiker wahrgenommen hat [...].
Die Überblickdaten zeigen auch, dass viele Menschen bestimmte Veranstaltungen, Plätze oder Positionen in ihrem lokalen Gebiet oder der Nachbarschaft meiden, weil sie fürchten schikaniert oder angegriffen zu werden. Fast Hälfte der jüdischen Befragten, die ein Opfer eines antisemitischen Ereignisses in den letzten 12 Monaten geworden war, sagt, dass sie bestimmte Plätze vermeiden, weil sie sich als Jude dort nicht sicher fühlen. Ähnlich äußerte sich etwa die Hälfte der LGBT-Befragten, dass sie bestimmte Plätze oder Veranstaltungen aus Angst vor Angriffen, Drohungen oder Belästigungen vermeiden, weil sie LGBT sind.”

Man muss sich ja immer wieder fragen: Ja wenn ihr das alles wisst, warum tut ihr dann so wenig bis garnichts dagegen? Da erinnert man sich vage an Marx und denkt sich: "Die Politiker haben die Welt nur interpretieret, es kommt aber darauf an, sie zu verändern." oder so. Und dieses "verändern" scheint noch nicht angekommen zu sein.
Dennoch zeigt diese Veröffentlichung, dass wir nicht alleine dastehen, als die Mahner in der Wüste, sondern dass unsere Probleme durchaus bekannt sind und wir auch eine breitere Unterstützung erfahren könnten, wenn wier alle mehr den Mut hätten, uns für unsere Rechte auch einzusetzen und solidarisch zu kämpfen.

Hier kann man die Broschüre auf englisch oder französisch herunterladen:
englisch, französisch




ADS an MDS - Eine Anfrage

Wir hatten die Antidiskriminierungsstelle des Bundes darum gebeten, zu überprüfen inwiefern die Richtlinien des MDS, des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, welche die Kostenübernahmen für Behandlungen im Fall von Transsexualität regeln, eine einseitige und unrechtmässige Auslegung von Gerichtsurteilen sein könnte. Nun hat die ADS ein Schreiben an den MDS mit der Bitte um Beantwortung geschickt, das wir der Öffentlichkeit nicht vorenthalten wollen.

Inhalt unserer Nachfrage waren zwei Punkte:

Erstens:

Aus Gerichtsurteilen geht zwar hervor, dass vor der Übernahme von Kassen-Leistungen ein "Leidensdruck" nachzuweisen ist. Was unserer Ansicht nicht aus den Urteilen zu Transsexualität hervor geht ist, dass die Überprüfung des Leidensdrucks mittels Wartezeiten, die Krankenkassen in den MDS-Richtlinien von 2009 verlangen, geschehen muss.

Zweitens:

Die Kostenübernahmen an einen sogenannten "Alltagstest" von mehreren Monaten (in der Regel 12 Monate) zu knüpfen, ist aus Sicht der Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. ebenfalls eine Schlussfolgerung, die der MDS aus den Urteilen zu Transsexualität nicht ziehen dürfte.

Bedanken möchten wir uns, bei unseren Mitgliedern, welche die Anfrage an die ADS noch mit den richtigen Links zu bestehenden Urteilen (auch des EGMR) versehen haben und auch bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für das nun aktuelle Schreiben an den MDS:

"Anfrage zur Begutachtungsanleitung des MDS zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen bei Transsexualität

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach § 27 des Allgemeinen Gieichbehandlungsgesetzes (AGG) kann sich, wer der Ansicht ist, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt worden zu sein, an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wenden.

In diesem Zusammenhang wurden wir durch eine Eingabe auf die in der Begutachtungsanleitung des MDS genannten Regelfristen für die positive sozialmedizinische Empfehlung von geschlechtsangleichenden Maßnahmen aufmerksam gemacht. Aus Sicht der betroffenen transsexuellen Personen würden die genannten Fristen zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen, insbesondere wenn sich durch die zeitliche Verzögerung der damit verbundene Leidensdruck erhöht.

Um den genannten Einwänden nachgehen zu können, bitten wir Sie um eine Stellungnahme zu folgenden Fragestelllungen:

Die in der Begutachtungsanleitung genannten Regelfristen für eine psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung werden nicht einheitlich bemessen. Während in der Regel für geschlechtsangleichende Maßnahmen eine psychiatrische Behandlung von achtzehn Monaten empfohlen wird, ist für eine Hormonbehandlung ein Zeitraum von in der Regel zwölf Monaten vorgesehen. Wir bitten Sie um eine Einschätzung, wie diese unterschiedlichen Zeiträume begründet werden.

Weiterhin bitten wir Sie Ihre Einschätzung darzulegen, auf welche Grundlage die Notwendigkeit einer psychiatrischen Behandlung vor Durchführung geschlechtsangleichender Maßnahmen gestützt wird. In der Begutachtungsanleitung wird im Kapitel „2.4-Leistungsrechtliche Aspekte zu medizinischen Behandlungsmaßnahmen“- auf den Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.06.2005, Az. B 1 KR 28/04 Bezug genommen. In diesem Beschluss stellt das BSG fest, dass die Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation nur dann von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen sind, wenn psychiatrische und psychotherapeutische Mittel das Spannungsverhältnis nicht zu lindem oder zu beseitigen vermögen.

Aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes besagt das Urteil nicht, dass die Kosten für geschlechtsangleichende Operationen nur dann übernommen werden können, wenn diesen im Vorfeld eine erfolglose psychiatrische Behandlung vorausgegangen ist.
Sofern die genannten Regelfristen seitens des MDS auf das genannte Urteil gestützt wurden, wäre dieser Schluss aus Sicht der ADS nicht zwingend.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich in der Entscheidung VAN KÜCK gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 35968/97 vom 12.06.03, unter den Ziffern 79-80 dahingehend geäußert, dass nicht ohne Weiteres auf die Möglichkeit einer Psychotherapie als milderes Mittel zur Behandlung verwiesen werden darf. Dies gilt jeden Falls dann, wenn ein Sachverständigengutachten die Notwendigkeit von geschlechtsangleichenden Maßnahmen bestätigt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Kosten für geschlechtsangleichende Maßnahmen auch ohne eine vorherige psychiatrische Behandlung von den Krankenkassen ersetzt werden müssten, sofern ein Sachverständigengutachten ergibt, dass eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung das Spannungsverhältnis nicht lindem/beseitigen kann.

Aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt sich daher die Frage, an welcher Stelle diese Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Begutachtungsanleitung Berücksichtigung finden. Auch diesbezüglich bitten wir Sie Ihre Einschätzung darzulegen.

In der Begutachtungsanleitung ist ferner geregelt, dass der Patient/die Patientin das Leben in der gewünschten Geschlechterrolle erprobt haben muss. Hierfür ist ein Alltagstest von in der Regel zwölf Monate vorgesehen. In dem genannten Urteil des EGMR erwähnt das Gericht, dass es unverhältnismäßig sei, wenn eine Person einen Beweis für die „Echtheit“ ihrer Transsexualität erbringen muss und die Beweislast für die medizinische Notwendigkeit einer solchen Behandlung erbringen muss. Aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes könnte die Regelung der Notwendigkeit eines solchen Alltagstest einer solchen Beweiswirkung nahekommen. Auch diesbezüglich bitten wir um eine Darlegung, inwieweit die Erwägungen des genannten Urteils des EGMR in der Begutachtungsanleitung Berücksichtigung finden.

Abschließend bitten wir Sie mitzuteilen, ob wir Ihre Antwort an den betroffenen Personenkreis weiterleiten dürfen."

(Brief der ADS vom 11. Juli 2014)