ATME unterstützt die sogenannte Waldschlösschen-Erklärung nicht

Am 24.08.2014 haben mehrere Trans*-Vereine in Göttingen eine sogenannte "Waldschlösschen-Erklärung" verabschiedet. Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V., die vor einem Jahr am ersten Trans*-Aktiv-Treffen teilgenommen hatte, freut sich über den Forderungskatalog, der prinzipiell in die Richtung geht, kann die Erklärung auf Grund eines (nicht unerheblichen) Punktes dennoch nicht unterstützen.

Hier der Punkt, den wir für bedenklich halten, oder der geeignet sein kann, transsexuelle Menschen aus politischen Prozessen auszuschliessen oder unsichtbar zu halten:

"7. Das Hinwirken auf die Entpsychopathologisierung und Entstigmatisierung, z. B. durch eine daraufhin ausgerichtete Arbeit in der Kommission der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Überarbeitung der medizinischen Leitlinien. Wir vertrauen den dort repräsentierten Vertreter_innen von Organisationen, die sich für geschlechtliche Vielfalt einsetzen, und unterstützen ihre Arbeit."

Wir vertrauen den Vertretern der Trans*-Organisationen, die an der AWMF-Leitlinienerstellung mitarbeiten, nicht. Sie sprechen nicht in unserem Namen. Konzepte der medizinischen Behandlung, die von einer "Gender Dysphorie" oder "Gender Inkongruenz" ausgehen und als einzige Ansichten gelten sollen, entsprechen nicht unseren Vorstellungen einer medizinischen Behandlung, die ohne geschlechtliche Deutung auskommt. Eine Fortführung der Vermischung von Gender-Deutungen und medizinischer Behandlung, wie sie 2013 erneut in den DSM V Einzug gehalten hat und auch für den ICD 11 diskutiert wird, entspricht nicht unseren Vorstellungen menschenrechtskonformer Behandlung trans- und intersexueller Menschen.

ATME weist darauf hin, dass die Vertreter der Trans*-Organisationen, die bisher an der AWMF-Leitlinien-Entwicklung mitarbeiten, keinen allgemeinen Vertretungsanspruch besitzen. Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. fordert die medizinischen Vertreter dazu auf, davon Kenntnis zu nehmen, dass die Leitlinienentwicklung in Sachen "Gender Incongruence" bzw. "Gender Dysphorie" nicht etwa im Einverständnis mit allen Betroffenen in Deutschland steht.

Wir fordern dazu auf, einen öffentlichen und für alle offenen Diskurs über die Zukunft der Behandlung trans- und intersexueller Menschen zu beginnen. Der Diskurs muss transparent und offen gestaltet werden. Die Kritik an Konzepten wie "Gender Dysphorie" oder "Gender Incongruence" muss von der Politik in Deutschland ernst genommen werden.

Die medizinische Behandlung geht uns alle an.

Herzlichen Dank für's Beachten.

Die Erklärung: Download

Deklaration zu LGBTTTI-Rechten

Zwischen dem 3. und 14. Juni sind Verbände von LGBTTTI-Verbänden in Asunción, der Hauptstadt von Paraguay zusammengekommen um dort eine Deklaration zu verabschieden, welche die Rechte von LGBTTTI innerhalb der OAS, der Organisation Amerikanischer Staaten, stärken soll. Im Mittelpunkt steht dabei "soziale Teilhabe und Entwicklung". Gesellschaftliche Gruppen, die diskriminiert werden, hätten höhere Armutsraten und seien anfälliger für Gewalt.

Damit gesellschaftliche Entwicklung "inklusiv" ist, muss sie, so die Erklärung, die spezifischen Problemstellungen der Bevölkerung berücksichtigen, die diskriminiert werden, wie z.B. People of Color, indigene Leute, Menschen mit Behinderung, Sexarbeiter, alte Menschen, etc. aber auch LGBTTTI.

In der Schule belästigt zu werden, oder in manchen Fällen sogar von der Schule ausgeschlossen zu werden, führe zu einer Benachteiligung hinsichtlich späterer Integration in den Arbeitsmarkt. In Kombination mit Diskriminierungen bei Einstellungsverfahren werden LGBTTTI-Personen damit gleichberechtigte Berufsaussichten verwehrt, was insbesondere bei transsexuellen und transgender Menschen zu extremer Benachteiligung in der Arbeitswelt führt.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der in der Deklaration genannt wird, ist die Frage nach Sicherheit und Gewalterfahrungen. Latein-Amerika und die Karibik sei die Region mit der häufigsten Zahl an Hassverbrechen. In den meisten Ländern dieser Region würde Gewalt, die auf Homophobie, Tansphobie oder Lesbophobie zurückzuführen ist, weder erfasst noch bestraft werden. Die rechtliche Nicht-Anerkennung führe zudem bei transsexuellen und transgender Menschen dazu, dass sie sich in einer unsicheren gesellschaftlichen Situation befänden, die sie für Gewalt, auch Polizeigewalt, besonders anfällig machten.

Die Unterzeichner der Deklaration sprechen sich u.a. dafür aus:

  • Die Inter-Amerikanische Konvention Gegen jegliche Form der Diskriminierung und Intoleranz und die Konvention gegen Rassismus, Rassen-Diskriminierung und die damit verbundene Intoleranz soll ratifiziert werden
  • Gesetzgebung und staatliche Regelungen sollen in Übereinstimmung mit den Resolutionen zu Menschenrechten, Sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität stehen
  • Es sollen Massnahmen zur Gesundheitsversorgung, insbesondere unter Berücksichtigung der LGBTTTI-Gruppen, entwickelt werden
  • Rechtliche Regelungen, die Beziehungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechtes kriminalisieren, sollten abgeschafft werden
  • Gesetze, die trans-Menschen in ihrem Geschlecht anerkennen, sollen eingeführt werden
  • Alle medizinischen Praktiken, in denen die Genitalien von intersexuellen Kindern verunstaltet werden, um sie einem Geschlecht zuzuordnen, sollen abgeschafft werden
  • LGBTTTI-Personen sollen direkt an Prozessen beteiligt werden, die ihre Belange betreffen, dazu sind sie von der Politik anzuhören oder direkt zu berücksichtigen

Wir freuen uns, dass vorallem in Südamerika die Menschenrechte von LSBTTTI ernst genommen werden. Bereits Argentinien hatte ja bereits vorgemacht, wie eine menschenrechtliche Behandlung in Sachen Geschlecht aussehen kann. Dort gibt es seit 2012 das "Ley de identidad de género", das fortschrittlichste Gesetz der Welt, was die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt angeht. Für Korrekturen des Geschlechtseintrages sind hier keine Voraussetzungen nötig.

Es wäre doch schön, wenn etwas vom menschenrechtlichen Geist Südamerikas auch in Deutschland ankommen würde!

Hier ein Blogbeitrag von SASOD (Society Against Sexual Orientation Discrimination) zum Thema:

Link zur Verabschiedung der Deklaration