BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bringen Gesetzentwurf zur Änderung des TSGs neu ein

Der „Entwurf eines Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG) “ wurde von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schon einmal in der letzten Legislaturperiode eingebracht. Damals scheiterte er an der mangelnden Zustimmung, bzw. Ablehnung durch die SPD, CDU und FDP.

Nun wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen neuen Versuch wagen. „In Zukunft sollen die Betroffenen selbst über ihre Geschlechtszugehörigkeit entscheiden. Zwangskastration, sogenannte geschlechtsanpassende Operationen gegen den Willen der Betroffenen und Gängelei durch Behörden und Gutachter gehören endgültig abgeschafft. Derartige Praktiken sind eines modernen Rechtsstaats nicht würdig.“, so Volker Beck, der menschenrechtspolitische Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag.

Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entspricht u.a. den Forderungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE), der die Mitgliedstaaten dazu aufrief (siehe ATME-News am 3.05.10), transsexuellen Menschen „(16.11) … insbesondere in der Gesetzgebung und in der Praxis (16.11.2) ihr Recht auf Dokumente zu sichern, die die bevorzugte Geschlechtsidentität einer Person widerspiegeln, ohne vorherige Verpflichtung sich sterilisieren zu lassen oder andere medizinische Verfahren vorgenommen zu haben, wie geschlechtsangleichende Maßnahmen oder Hormontherapie.“

Etwas überarbeitet wurde das Offenbarungsverbot, das in seiner bisherigen Fassung den Namen nicht verdient. So hat man zwar bisher auf dem Papier das Recht seine Dokumente ändern zu lassen, doch hat man keine Möglichkeit bei einer Weigerung Rechtsmittel einzulegen. Dies soll sich, wenn es nach den Grünen geht, ändern: „Ordnungswidrig handelt, wer die in den Absätzen 1 bis 4 enthaltenen Verbote und Pflichten beharrlich und vorsätzlich missachtet. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfhundert Euro geahndet werden.“ Dennoch fehlt in diesem Gesetzentwurf eine deutliche Vorschrift, das Geschlecht entsprechend dem richtigen Geschlecht in allen Dokumenten abzuändern und den alten Geschlechtseintrag vollständig aus allen Datenbanken zu löschen.

„Das geltende Transsexuellengesetz ist in seinen wesentlichen Grundzügen inzwischen fast dreißig Jahre alt. Es entspricht nicht mehr in jeder Hinsicht aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wir werden das Transsexuellengesetz deshalb unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf eine neue zeitgemäße Grundlage stellen, um den betroffenen Menschen ein freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.“ So heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP. Die Annahme des Gesetzentwurfes der Grünen würde völlig dem Vorhaben des Koalitionsvertrages entsprechen – mal sehen, wie ernst sie ihn nehmen und ob die Versprechungen zu einen „freien und selbstbestimmten Leben“ genauso im Sand verlaufen, wie die Versprechen einer Steuersenkung.

Was etwas stört, am Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ist die Tatsache, dass auch mit diesem Gesetzentwurf wieder einmal über die Köpfe transsexueller Menschen hinweg über sie bestimmt wird, wie mit ihnen umgegangen werden soll. Bereits im Frühjahr 2009 forderte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zu CEDAW die Bundesregierung deutlich auf, „... in einen Dialog mit Nichtregierungsorganisationen von intersexuellen und transsexuellen Menschen einzutreten, um ein besseres Verständnis für deren Anliegen zu erlangen und wirksame Maßnahmen zum Schutz ihrer Menschenrechte zu ergreifen." Und das Ministerkomitee des Europarates forderte am 31.03.2010: „Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Maßnahmen zu entwickeln, um mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die die Menschenrechte von ... transsexuellen Menschen verteidigen“. Nur durch diesen  notwendigen Dialog und die Zusammenarbeit, verbunden mit der Bereitschaft, transsexuelle Menschen wirklich  als Menschen kennen zu lernen, ihnen offen, ohne Pathologisierung und Vorurteile, zu  begegnen, sehen wir die Möglichkeit, einer echten meschenrechtskonformen Änderung der bestehenden Gesetze und Verordnungen.

Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist ein großer Schritt in die richtige Richtung, geht aber noch nicht weit genug. Eine Änderung des Transsexuellengesetzes erleichtert vieles, doch die Hauptursachen der Diskriminierung werden nicht beseitigt. So fehlen transsexuellen Menschen Sicherheiten zur Übernahme notwendiger medizinischer Leistungen, die man sich momentan meist rechtlich erkämpfen muss – notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Bis heute haben transsexuelle Menschen kein Recht auf medizinisch notwendige Leistungen, die eine Diskriminierung verhindern könnten. Auch fehlt es an der Pflicht zur Aufklärung über Transsexualität und an einem Verbot von Hassreden und Falschdarstellung von Transsexualität – wie in jeder (!) Fernseh-Sendung und jedem (!) Buch über Transsexualität in Deutschland üblich.

Auch DIE LINKE versprach übrigens ihrem Antrag vom 06.05.2009 erneut einzureichen. Wir sind gespannt darauf.

Weitere Infos zur Situation transsexueller Menschen in Deutschland und zu notwendigen Änderungen, gibt der aktuelle Menschenrechtsbericht 2010 von ATME e.V.