Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz fordert transsexuelle Arbeitnehmer zum Zwangs-Outing auf

Will ein transsexueller Arbeitnehmer Schutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) geniessen, muss nach Auslegung des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz die Transsexualität vorher bekannt gemacht worden sein. In einem Urteil, das nun veräffentlicht wurde, führt das Gericht aus, dass es erforderlich sei, "dass der Arbeitgeber oder sein Vertreter das Vorliegen des Nachteils kennt oder jedenfalls vom Vorliegen dieses Merkmals ausgeht."

Einer transsexuelle Frau, die bereits eine Zusage für eine Stelle als Kommissioniererin in einem Schmuckhandelsunternehmen hatte, war nach dem Treffen mit dem Logistikleiter mitgeteilt worden, dass die Stelle anderweitig besetzt würde.

Botschaft des Urteiles des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz ist, dass transsexuelle Arbeitnehmer nur dann Schutz vor Diskriminierung geniessen können, wenn sie nachweisen können, dass sie ihre Transsexualität vorher bekannt gemacht haben. Aus Sicht der Aktion Transsexualität und Menschenrecht bedeutet dies eine Aufforderung zum Zwangsouting. Damit wird der Sinn von Antidiskriminierungsregelungen auf den Kopf gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2006 dazu noch folgendes geäussert (BVerfG, 1 BvL 1/04):

„Der vom Persönlichkeitsrecht geschützte Wunsch nach Ausdruck der eigenen Geschlechtlichkeit im Vornamen umfasst damit auch das Recht [...] sich nicht im Alltag Dritten oder Behörden gegenüber hinsichtlich der eigenen Sexualität gesondert offenbaren zu müssen (vgl.BVerfGE 88, 87 <97 f.>)."

Der Widerspruch ist offensichtlich. Wenn man berücksichtigt, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes verstärkt dazu aufruft "anonymisierte Bewerbungsverfahren" einzusetzen und Christine Lüders, die Leiterin der ADS meint, dass die anonyme Bewerbung ein "sehr gutes Mittel gegen Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt" sei, möchte man sich nicht ausmalen wie (un-)wirkungsvoll das für transsexuelle Menschen sein kann.

Der Gerichtsentscheid aus Rheinland-Pfalz zeigt wie wichtig es ist, über geeignete Mittel gegen die Diskriminierung transsexueller Menschen im Arbeitsumfeld nachzudenken. Antidiskriminierungsgesetze, die in der Anwendung die Folge haben, Zwangsoutings zu fordern, und damit selbst Teil der Diskriminierung zu werden, sind ziemlich absurd.

Der Link zum Urteil:

Zur Diskriminierung wegen Transsexualität