Grün-Rot in BaWü: keine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Organisationen transsexueller Menschen

Ein Kommentar von Christina Schieferdecker

Da staunten wir nicht schlecht, als wir uns gestern von 10 bis 12 Uhr im Sozialministerium in Stuttgart trafen, als uns Frau Rebmann erklärte, sie hätte uns – die Mitglieder verschiedener Gruppen transsexueller Menschen – zwar eingeladen, um ihnen den Aktionsplan für Toleranz vor zu stellen, doch als einziger Ansprechpartner gelte für die Grün-Rote-Landesregierung beim Thema Transsexualität ausschließlich das Lesben-und-Schwulennetzwerk in BaWü. Und um das zu verdeutlichen, waren die auch da.
Batsch!
Eine Ohrfeige für alle Anwesenden. Aber in den Workshops dürften wir gerne mitarbeiten, meinte man tröstlich. Klaro. Wir arbeiten für euch, für eure Publicity, dürfen aber nicht mitbestimmen – z.B. im Beirat – und als prinzipielle Ansprechpartner taugen die doofen Transen auch nicht.
Batsch!

Workshops. Etwas, das man tut, um zu verschleiern, dass man nichts tun will. Sie sollen dazu dienen, damit mehr Leute ihren Senf zur Problemwurst mit Ketchup dazu geben können, bis man sie nicht mehr sieht.
Workshops. Homo-Workshops mit nem Stück Trans als Zuckerzusatz.
Workshops, damit sich Rot-Grün öffentlichkeitswirksam für die Probleme von Minderheiten interessieren kann. Presse will man nämlich auch dabei haben. Bei den Workshops. Oder Workpress?

Schon etwas seltsam. Da schreiben wir seit Jahren Berichte zur Situation transsexueller Menschen, es gibt verschiedene Untersuchungen aus NRW, von der EU und Veröffentlichungen von der UN – doch wen kümmerts? Ein Workshop muss her, um die Probleme kennen zu lernen. Sonst müsste man ja unseren Menschenrechtsbericht und all die anderen Berichte lesen. Puh, wäre das anstrengend, und dann auch noch handeln! Lieber Workshops – möglichst nicht Sonntags, wenn alle Zeit haben – Workshops for everybody make everybody happy.
Lieber vom Land bezahlte Kaffeekränzchen, dringende Handlungsnotwendigkeiten leugnen, die Verantwortung einem „Workshop“ in die Schuhe schieben – dann kann man notfalls auch sagen: „Der Workshop war sich nicht einig. Wir können nichts tun.“

Wie lange müssen wir den Politikern und Verantwortlichen eigentlich noch unsere Probleme unter die Nase reiben, bis sie mal anfangen sie wahr zu nehmen und anzupacken? „Oh, ich rieche Probleme! Machen wir doch einen Workshop!“ Problem erkannt – in den Workshop verbannt - und die Presse macht noch ein Bild davon.

Was können unsere Politiker in den einzelnen Bundesländern tun?
  1. Sie können die Standesämter anweisen, Namensänderungswünsche gegen die übliche Gebühr durchzuführen. Es gibt kein Gesetz, das Standesämtern dieses verbietet. Genauso wenig, wie es ein Gesetz gibt, das ihnen verbieten würde, einen unrichtigen Geschlechtseintrag nach eigenem Ermessen zu korrigieren.
  2. Als oberste Aufsichtsbehörde über die AOKs könnten sie diese darauf hinweisen, dass es eine Grundgesetzverletzung darstellt, Menschen mit dem Ziel zu begutachten, ihnen eine psychische Störung zu unterschieben. Sie könnten sie auffordern diese Begutachtungen zu unterlassen und transsexuellen Menschen problemlos die international anerkannten notwendigen medizinischen Maßnahmen zu genehmigen.
  3. Als Zuständig für die Auswahl, Anstellung und Weiterbildung von Richtern, könnten sie diese weiterbilden – bzw. von uns weiterbilden lassen, damit auch diese sich mit transsexuellen Menschen auskennen und über die Angeborenheit und Unveränderbarkeit dieser aufklären.
  4. Gleiches gilt für das Kultusministerium, das seine Lehrer und sonstigen Bediensteten entsprechend weiterbilden könnte, nach einem gemeinsam mit uns transsexuellen Menschen ausgearbeitetem Konzept. Zudem könnte man die Schulbücher überarbeiten, da sich die Welt seit Hitler ja nun doch etwas weitergedreht hat – auch wenn man es nicht wahrhaben möchte.
  5. Schließlich könnte man alle öffentlichen Einrichtungen zu einer Weiterbildung verpflichten und öffentliche Gelder nur dann vergeben, wenn Institutionen eine entsprechende Weiterbildung ausweisen, bzw. sich zur Nichtdiskriminierung – aus welchem Grund auch immer – bekennen.
  6. Die Landesregierung könnte ein Zeichen setzen und die Landesverfassung dahingehend ergänzen, dass jede Form der Diskriminierung, egal aus welchem Grunde, untersagt ist und auf eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes mit hinwirken.
  7. Die Landesregierung könnte darauf hinwirken, dass Rundfunkräte so besetzt werden, dass auch transsexuelle Menschen dort vertreten sind
  8. Man könnte z.B. dafür sorgen, dass im so genannten Gleichstellungsbeirat (in BaWü) – der effektiv ein Schwulen-und-Lesben-Rat ist – genügend transsexuelle Menschen sitzen, damit deren Interessen nicht untergehen
  9. Man könnte ja so viel … wenn man die Probleme wahrnehmen und die Verantwortung für deren Lösung übernehmen wollte

Doch Verantwortung … was war das noch mal????

Bislang hat man nicht gezeigt, dass wir keine schwarz-gelbe Regierung mehr haben. Bislang lehnt man es ab, uns als gleichwertige Ansprechpartner neben Schwulen und Lesben zu respektieren. Die Anwesenden transsexuellen Menschen waren zum größten Teil nicht da, weil sie vom Ministerium eingeladen wurden, sondern auf Initiative von Franziska Hohmann (TransidentX). Na gut, man hat uns zum Kaffeekränzchen eingeladen (die 3 Kaffeekannen auf dem Tisch waren übrigens teilweise nur halb voll, an einem Platz gabs nur Kaffeesahne, am anderen nur Zucker und Süßstoff und Tee an einem dritten). Hat nicht viel gekostet, man hat Geld und Mühe gescheut, ein Protokoll des Treffens gibt’s nicht (ist nicht geplant), ebenso wenig, wie das zur Verfügung stellen irgendwelcher Unterlagen …

Gleichstellung?????

Machen wir doch lieber einen Workshop!