Psychische Störung? Gemeinsamer Brief an WHO

"Danke für Ihren Brief. Ich habe ihn an Geoffrey Reed weitergeleitet, der den Revisionsprozess beaufsichtigt" lautet die Antwort von Steven E. Hyman, dem Leiter des Stanley Centers für psychiatrische Forschung am Broad Institut in Cambridge, Massachusetts (USA). Vorangegangen war ein gemeinsamer Brief der change.org-Petenten Carla Antonelli (Spanien), Michelle Diamond (Australien), Rochelle Gregorie (Frankreich), Vladimir Luxuria (Italien), Jenna Talackova (Kanada), Maxwell Zachs (Vereinigtes Königkreich) und Kim Schicklang von ATME e.V.

Geoffrey Reed ist seit 2008 verantwortlich für die Überarbeitung der Bereiche pychische Störungen und Verhaltensstörungen im ICD. In einer Präsentation für eine Veranstaltung in Schottland im Sommer 2011 führt er u.a. folgende Schlussfolgerungen der Menschenrechtsdebatte der letzten Jahre auf:

  • in den letzten zwei Jahrzehnten hat es riesige Fortschritte und einen Wandel gegeben, was das Verständnis in Bezug auf "transgender issues" angeht
  • Es gibt eine starke Graswurzel- und Menschenrechtsbewegung
  • Es gibt Hinweise, dass der ICD-10 missbräuchlich eingesetzt wurde
  • Die WHO ist nicht daran interessiert, Transsexualtiät weiterhin als psychische Störung zu erachten
  • Eine ernsthafte Alternative ist nötig, welche die Gesundheitsversorgung sicherstellt und zugleich hilft, Menschenrechte zu schützen. Zudem solle diese auf breite Akzeptanz der betroffenen Menschen stossen.

Die Übersendung des gemeinsamen Briefes der Petition, die unter dem Slogan "Ich bin nicht krank, ich bin großartig." mittlerweile über 65-tausend Unterschriften erreicht hat (in Deutschland - trotz Gegenwehr - immerhin über 3000), kann ein wichtiger Baustein zur Anerkennung transsexueller Menschen als geschlechtliche Normvarianten sein.

ATME wird den Prozess nichts desto trotz kritisch verfolgen, denn sollte sich abzeichnen, dass Transsexualität weiterhin als "Gender"-Thema missbraucht wird bzw. so getan werden, als ob es hier um Verhaltensweisen geht, anstatt um geschlechtliche Vielfalt und möglicherweise Begriffe wie "Gender Dysphorie" oder "Gender Expression" für eine Fortführung der Psychopathologisierung "im neuen Gewand" genutzt würden, dann wäre neuer Protest angesagt. Die Unterstützung der change.org-Petition ist das eine - eine Anerkennung transsexueller Menschen als natürlich, das andere.

Transsexualität ist primär eine Frage geschlechtlicher Vielfalt. Die Anerkennung dieser Vielfalt steht dabei für uns an erster Stelle und ist der wichtigste Schritt um eine medizinische Behandlung transsexueller Menschen überhaupt sicher stellen zu können.

Link zur Petition:

WHO - Transsexualität ist keine psychische Störung