Einer von der taz schreibt und ATME schweigt immer noch.

Warum der Unterschied zwischen einem "ist ein Mädchen" und "lebt als Mädchen" im Falle von Transsexualität wichtig ist, zeigt ein aktueller Artikel, den ein taz-Schreiberling in den LAMBDA-Nachrichten, einem Blatt der Homosexuellen Initiative (HOSI) in Wien, verfasst hat. Es geht um die Frage: Wer bestimmt hier, wer ein transsexueller Mensch ist? Ein transsexueller Mensch selbst, oder jemand anders?

Wir sind geschockt, aber keinesfalls verwundert - denn die Fremdbestimmung hat bekanntlich System.

Da wir immer noch schweigen und das Mädchen nicht selbst zu Wort kommen darf, werden wir hier den Artikel nun als Grosszitat ungekürzt veröffentlichen. Es dient zur Erläuterung einer menschenverachtenden Fremdbestimmmung, die wir das "System Trans" nennen möchten, dem sowohl Medienvertreter, Soziologen, Politiker, als auch Psychoanalytiker angehören.

"Transsexuell - ab wann denn?

Neulich gab mir ein tragischer Fall aus unserer Community zu denken: In Berlin möchte ein kaum pubertierender Junge, der sich seit langem wie ein Mädchen fühlt, unbedingt von seinem biologischen Sein als männliches Wesen befreit werden, um durch eine Operation zu einem Mädchen, später zu einer Frau zu werden. Die Berliner Gutachter verweigern ihm, mittels hormoneller Gaben wenigstens die Pubertät, die ihn körperlich zu einem Mann auswachsen ließe, zu stoppen.

Das geht technisch-medizinisch: mit Hormonen die körperliche Reife wenigstens aufzuhalten. Die Mutter des Noch-Jungen unterstützt den Wunsch ihres Kindes. Auch Hamburger WissenschaftlerInnen haben sich mit diesem Patienten solidarisiert: Man möge diesem Noch-Kind ersparen, später sich einer transsexuellen Operation zu unterziehen, aber gewisse männliche Erscheinungen nicht mehr tilgen zu können.

Um es mit einer prominenten Person zu illustrieren, worum es geht: Dana International, die transsexuelle israelische Eurovisionsgewinnerin von 1998, ist vor ihrer Pubertät zu einer Frau umoperiert worden, sodass sie körperlich in fast nichts an einen Mann erinnert. Ihre Handwurzeln, ihr Gesicht, überhaupt ihr Körperliches lässt keinen Verdacht, wenn man so will, aufkommen, sie könnte einmal ein männliches Wesen gewesen sein.

Der hier geschilderte Berliner Fall berührt allerdings Grundsätzliches: Was ist, wie die Frankfurter Sexualwissenschaftlerin Sophinette Becker einmal zu bedenken gegeben hat, wenn dieses Gefühl, im falschen Körper geboren worden zu sein, auf eine Leugnung eines möglichen homosexuellen Triebschicksals (psychoanalytisch gesprochen) hindeutet? Becker weiß, wovon sie spricht. Sie hat eine Fülle von transsexuell empfindenden Patienten betreut, begutachtet und unterstützt. Und es sei mitunter doch so: Gerade später schwule Jungs empfänden sich als körperlich falsch, ja "weiblich", weil sie eben andere Jungs, später Männer begehren.

Will sagen: Es war früher ein gängiges Modell - und wird in Ländern wie Indien, Pakistan oder Indonesien als quasi naturhaft empfunden -, dass, wenn einer einen Mann begehrt, dieser dann kein Mann sein könne, sondern eine Frau sein müsse. Also ein Mensch im falschen Körper. Viele, ich würde sagen, die meisten schwulen Männer kennen diese Gefühle - gerade wenn sie in einer Atmosphäre familiärer oder überhaupt gesellschaftlicher Homophobie aufwachsen. Man darf das, finde ich, die Identitätsstörung nennen, die aus einer Zeit stammt, in der Homosexuelle als abartig, krank, anormal und unnatürlich genommen worden sind.

Insofern ist es kein medizinisches Problem, das das Kind aus Berlin umtreibt. Hinter dem körperlichen, medizinischen Aspekt verbirgt sich ein eminent politisches, gesellschaftliches Problem: Wer ein Coming-out fürchtet, wer nicht möchte, ein Leben als Homosexueller zu verbringen, könnte psychisch so disponiert sein, lieber eine Operation zur Geschlechtsumwandlung zu bevorzugen. Ich nenne das: einen Wunsch nach Verstümmelung im Namen einer Identität, die in unserer Community gern transsexuell genannt wird - und als eigenständige sexuelle Andersartigkeit gilt.

Will sagen: Die Option, sich umoperieren zu lassen, wird nach meinem Gefühl viel zu stark unterstützt. Du empfindest dich als im falschen Körper befindlich? Na, dann holen wir mal die Hormonpillen und das chirurgische Skalpell. Es wird immer einfacher, diese Option zu wählen - der medizinische Fortschritt, wenn man ihn als einen solchen bezeichnen will, ist so weit gediehen, dass transsexuell inspirierte Operationen mittlerweile Routine sind.

Dabei muss man zunächst festhalten: Wer als Mann sexuell das männliche Geschlecht begehrt, ist nicht krank, sondern gesund. Nicht abweichend, sondern nur anders als die meisten anderen. Mit der Not, durch ein Comingout zu gehen, also zu lernen, das eigene Begehren zu realisieren, es zu leben, mit dieser Lust zu leben - und im günstigsten Fall es in ein Leben ohne Lügen zu integrieren - mussten wir uns alle auseinandersetzen.

Früher gab es diese Alternative auf dem OPTisch nicht - und auch heute müssen Gutachten vorliegen, ehe sich jemand einer transsexuellen Operation unterziehen darf. Aber wird denn immer auch geprüft, ob, wie beispielsweise die Mutter des oben genannten Jungen, ob nicht die Eltern insgeheim und unbewusst sich von ihrem Kind ein anderes Geschlecht wünschen? Dass also die Mutter keinen Sohn möchte, sondern schon immer eher ein Mädchen gewollt hat?

Ich finde, dieser Fall verdient nähere Erörterung. Er möge nicht nur in den Meldungsspalten der Medien - Abteilung Kuriositäten - verhandelt werden. Transsexualisierung um jeden Preis bedeutet immer, einen Menschen körperlich um etwas zu bringen, was psychisch schon vor einer OP problematisch war. Wer von Natur redet, gar von einer transsexuellen Natur, hat die Gesellschaftlichkeit unserer Körper längst verdrängt. Es wäre eine Verdrängung, die einer Körperverletzung gleichkäme.

Jan Feddersen ist Publizist und Redakteur der taz (die tageszeitung) in Berlin und seit Ende der 1970er Jahre homopolitisch aktiv. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! "
(Veröffentlicht in LAMBDA-Nachrichten, die Zeitschrift der HOSI Wien, Ausgabe LN1/2012, Seite 20, Abgerufen am 14. März 2012)

Wir halten den Artikel für ehrlich. Dafür herzlichen Dank. Aber es nicht so, dass wir es nicht längst wussten. Transsexuellenfeindlichkeit ist in unserer Gesellschaft tief verankert.