ATME bittet um Stellungnahme in Sachen TSG

Es ist fast schon normal, dass das Thema "Transsexualität" und seine rechtlichen wie medizinischen Diskussionen hinter verschlossenen Türen stattfinden und die meisten transsexuellen Menschen von der Diskussion ausgeschlossen sind. Wir dachten uns, dass es an der Zeit wäre, mal eine öffentliche Stellungnahme der Beteiligten anzufragen. Wir denken, dass die medizinischen und juristischen Menschenrechtsverletzungen an transsexuellen Menschen endlich öffentlich diskutiert werden müssen und nicht weiterhin in dunklen Hinterzimmern schon die nächsten Pläne diskutiert werden, wie man uns denn in Zukunft geschlechtlich fremdbestimmen will.

Daher haben wir nun folgendes Schreiben an mehrere Bundestagsmitglieder und das Bundesinnenministerium geschickt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

bereits im Jahr 2008, also vor 4 Jahren, richteten wir uns mit der Bitte an die Politik die Menschenrechtsverletzungen zu beenden, die im sogenannten „Transsexuellengesetz“ verankert sind. Zu der Hauptforderung der Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. gehört die Abschaffung des „Gutachterverfahrens“, denen ein transsexueller Mensch ausgesetzt ist, um seine Geschlechtspapiere korrigieren zu lassen.

Bis heute sind beispielsweise transsexuelle Frauen dazu gezwungen, sich per Gutachten zu einem „biologischen Mann“ zu erklären, der „dem Gegengeschlecht“ angehören will. Diese Fremdbestimmung, bei der stereotype Geschlechterschablonen über das „Ja“ oder „Nein“ einer rechtlichen Anerkennung entscheiden, sind – darauf haben mittlerweile mehrere UN-Komitees hingewiesen – eine Menschenrechtsverletzung. Wir haben Sie zudem darum gebeten, die Ursachen dieser Menschenrechtsverletzung, die im internationalen Buch der psychischen Störungen, dem DSM, verankert ist und auch in Deutschland zur Richtschnur der Behandlung von geschlechtsabweichenden Menschen erklärt wurde, um diese besser zwangszuordnen zu können, zu hinterfragen. Selbst aktuelle Pläne zu einer Neufassung dieses Buches rücken übrigens nicht von der Idee stereotyper Zuordnungsschablonen ab. So zeigen Drafts zur Neufassung des DSM, dem internationalen Buch der psychischen Störungen, dass hier beispielsweise unter „Gender Disphorie“ (z.B. bei Kindern) immer noch das Spielen mit dem „falschen“ Spielzeug, das Tragen der „falschen“ Kleidung und das Spielen mit den „falschen“ Spielkameraden als Kriterien für medizinische Behandlungen herangezogen werden sollen. Wir bezweifeln, dass diese Weltsicht, die wenig mit der Gleichbehandlung von Frau und Mann vereinbar sind, Teil von Gesetzen wie dem „Transsexuellengesetz“ sein sollte.

Einen Menschen dazu zu zwingen, sich stereotyp weiblich oder männlich zu verhalten, um überhaupt (mittels psychiatrischer Gutachten, welche stereotype Geschlechtsschablonen anwenden) die Chance auf eine Anerkennung seiner eigentlichen Geschlechtszugehörigkeit zu erhalten, ist ebenso menschenverachtend, wie die Tatsache, dass in Deutschland immer noch Frauen verweigert werden kann, rechtlich als Frau zu gelten und Männern verweigert werden kann, rechtlich als Mann anerkannt zu werden.

Bitte teilen Sie uns doch mit, welchen Stand die Reform des sog. „Transsexuellengesetzes“ mittlerweile hat und stellen Sie doch bitte Ihre Position zur Thematik dar. Wir würden hierzu gerne eine offizielle Stellungnahme von Ihnen erhalten, damit wir diese veröffentlichen können und transsexuelle Menschen über den für sie wichtigen Reform-Prozess Bescheid wissen, und nicht der Eindruck entsteht, dass Politik hinter verschlossenen Türen und in irgendwelchen geheimen Gremien stattfindet, sondern hier politische Transparenz gewollt und gewünscht ist. In der Vergangenheit hat diese Transparenz im Zusammenhang mit Transsexualität häufig genug gefehlt.

Anbei finden Sie im übrigen erneut unsere Forderungen von 2008. Es würde uns freuen, wenn Sie diese bei Ihrer Antwort berücksichtigen würden."

Link:

8 Forderungen

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Updates

Schreiben von Ute Vogt (SPD) vom 7. März 2012:

"In meiner Antwort auf Ihre E-Mail zur Reform des Transsexuellengesetzes hatte ich angekündigt, dass ich bei der Bundesregierung den Sachstand nachfragen werde. Dies habe ich zwischenzeitlich getan und gestern die im Anhang beigefügte Antwort erhalten. Da Schwarz-Gelb im April letzten Jahres auf eine ähnliche Frage fast gleichlautend geantwortet hat, erübrigt sich jeder weitere Kommentar bezüglich der Ernsthaftigkeit, mit der diese Regie rung das Reformvorhaben verfolgt.

Herzliche Grüße, Ute Vogt"

Anhang: Anfrage Ute Vogt