EU fordert Staaten und WHO auf, transsexuelle Menschen nicht mehr als psychisch gestört zu betrachten

Am 28. September schloss sich das Parlament der Europäischen Union einer Resolution der Vereinten Nationen vom 17. Juni (ATME berichtete) an, transsexuelle Menschen nicht länger als psychisch gestört zu betrachten und forderte einen umfassenden Diskriminierungsschutz.

In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28. September 2011 heißt es:
13. verurteilt aufs Schärfste die Tatsache, dass [...] Transsexualität von manchen Staaten, auch in der EU, noch immer als psychische Krankheit angesehen [wird] [...], und fordert diese Staaten auf, dem ein Ende zu bereiten;

Und unter 16. heißt es, an die WHO (Weltgesundheitsorganisation) gerichtet, welche den ICD heraus gibt, das Klassifikationssystem, nach welchem in Deutschland Ärzte und Psychologen diagnostizieren und mit der Krankenkasse abrechnen:
16. fordert die Kommission die Weltgesundheitsorganisation auf, Störungen der Geschlechtsidentität von der Liste der psychischen und Verhaltensstörungen zu streichen und in den Verhandlungen über die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) eine nicht pathologisierende Neueinstufung sicherzustellen;

 

Dazu ein Kommentar von Christina Schieferdecker:

 

Dies ist endlich ein Schlag ins Gesicht von Kenneth Zucker, Friedemann Pfäfflin und Co, welche bereits durch ihre Organisation „WPATH“, die sich zuletzt durch die Veröffentlichung der neuen 7. Version der sogenannten„Standards of Care“ als gesellschafts-politischer Arm der DSM-5-Task-Force offenbarten, schon mal eine Vorabveröffentlichung des neuen DSM-5 Textes lieferten und in diesen soc7 die Psychopathologisierung transsexueller Menschen zu zementieren versuchen. So sprechen die neuen Standards von „Gender Dysphoria “ und intersexuelle Menschen nennen sie „People with Disorders of Sex Development“ Beides sind Vorwegnahmen der umstrittenen Namen, unter denen zukünftig Transsexualität und Intersexualität im Buch der psychischen Störungen (DSM-5) auftauchen sollen. Man könnte leicht die Psychopathologisierung sein lassen und Transsexualität einfach als Transsexualität bezeichnen, statt als „gender dysphoria“ und Intersexualität als Intersexualität - will man aber nicht.

Auffällig ist, dass die WPATH Geschlecht auf „Geschlechtsverhalten“ reduziert sehen will, um zugleich ihre stereotype Vorstellung über das biologische Geschlecht zu zementieren. Die WPATH nennt das dann „Changes in gender expression and role“ und meint damit nicht etwa, dass hier eine transsexuelle Frau als Frau anerkannt wird, sondern eben als Mann, der gerne Frau wäre und dann, wenn er medizinische Massnahmen benötigt trotzdem als „psychisch krank“ diagnostiziert werden muss, um die Kostenübernahmen durch öffentliche Sozialsysteme sicherzustellen. Und deshalb müsse „gender dysphoria“ als psychische Störung im Buch der psychischen Störungen (DSM-5) auch weiter auftauchen. Aber alleine etwas zu entscheiden, dazu sind transsexuelle Menschen dann doch zu gestört, zu blöde, sie benötigen unbedingt therapeutische Hilfe („clinicians should refer the patient to a qualified mental health professional“).

Interessant ist auch, dass von einer Heilbarkeit der Transsexualität (alias „gender dysphoria“) gesprochen wird, zumindest, wenn sie von Kenneth Zucker und Co. In den Kindheitstagen behandelt wird („Gender dysphoria during childhood does not inevitably continue into adulthood.“)

Dass etwa zeitgleich WPATH neue menschenverachtende, psychopathologisierende Standards herausbringt, während das EU-Parlament ein Ende der Psychopathologisierung fordert, ist wohl kein Zufall, sondern vielmehr ein taktischer Schachzug. Man möchte Tatsachen schaffen und transsexuellen Menschen – durch die Veröffentlichung der soc7 – Angst machen, dass sie keine medizinischen Leistungen mehr bekommen könnten, wenn sie sich nicht für geisteskrank erklären lassen, also keine Leistungen erhalten, wie sie die soc7 nun umfassend fordern.

Etliche sogenannte „Trans-Organisationen“ haben sich bereits täuschen lassen und loben die neuen „standards of care“ (soc7) von Zucker, Pfäfflin und Co. (alias WPATH) auf ihren Webseiten. Doch ist das so, als würden sich Sklaven freuen, nun etwas weniger ausgepeitscht zu werden, statt für ihre Freiheit zu kämpfen. Wir brauchen keine besseren Standards, sondern gar keine Standards und ein Ende der Psychopathologisierung. Wir wissen selbst, was für uns das Beste ist.

Als Voraussetzung für geschlechtliche Selbstbestimmung ist es dringend nötig, von einem behaviouristischen Denkmodell zu emanzipieren; Von einem Denkmodell das unverändert bis in die frühen 70er Jahre zurück reicht, als begonnen wurde Transsexualität als psychische Störung zu vermarkten. Dass sich die WPATH mit den neuen soc7 als in der Tradition mit John Money stehend präsentiert, dem Genitalverstümmler aus Balitmore, ist nicht verwunderlich. Verwunderlich ist, dass darauf immer noch so viele hereinfallen.

Würde Transsexualität endlich als ganz natürliche Variation anerkannt werden, und die Viefalt von Geschlecht als eine natürliche Tatsache, dann wären alle Standards überflüssig und ihre Autoren könnten mit der Pathologisierung transsexueller Menschen kein Geld mehr verdienen (oder sich dafür in England zum Ritter schlagen lassen).

„Nature loves variety. Unfortunately, society hates it.“, wie auf der Homepage des Pacific Center for Sex and Society (PCSS) zu lesen ist. Vielleicht muss dieser Spruch bald korrigiert werden in „Nature and EU love variety, but WPATH and the DSM-5 team hate it.“