Bundestag 9.06.11: Anträge zur TSG-Abschaffung an Innenausschuss abgeschoben

Am 9. Juni wurden Anträge die Situation transsexueller Menschen zu verbessern von Grünen und Linke im Bundestag eingebracht und an den Innenausschuss weitergeleitet. Eine Abstimmung über die Anträge fand nicht statt. Dennoch wurden bereits im Vorfeld Reden dazu zu Protokoll gegeben, die nun vorliegen. Kurz gesagt: Alles beim Alten, nur Linke und Grüne fallen positiv auf. Wir haben noch viel zu tun.

Dagegen, das Transsexuellengesetz auf menschenrechtskonforme Füße zu stellen, sträuben sich bis heute CDU, SPD und FDP und lediglich Linke und Grüne zeigen sich bereit, transsexuelle Menschen als gleichwertig und mit einer Menschenwürde ausgestattet anzuerkennen.

Herr Brandt von der CDU meint, es genüge „das Transsexuellengesetz gemäß den im Koalitionsvertrag enthaltenen Festlegungen [...] an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [...] anzupassen." Eine wesentlich Änderung oder Abschaffung ist nicht geplant, denn das Transsexuellengesetz diene „letztlich dem Schutz des  Betroffenen selbst“. Ein Gesetz zur Demütigung als Schutz zu bezeichnen, ist eine Frechheit und ein Schlag ins Gesicht der Menschenrechte.

Der Koalitionspartner FDP gibt, wie zu erwarten, den Vorschlägen von Grünen und Linken eine sehr klare Absage: "Was Sie da allerdings fabrizieren [...] halte ich für wenig hilfreich. Ihr Antrag geht glatt am Ziel vor." Worin jedoch das Ziel bestehen sollte, erfahren wir nicht. Viel Wind um nichts. Die FDP eben.

Auch Gabriele Fograscher (SPD) ist die Frau Fograscher eben. Die SPD hält, laut ihrer Aussage, prinzipiell am Transsexuellengesetz in seiner jetzigen Form fest und hält "es für angemessen, dass diese Änderungen weiterhin vom zuständigen Gericht vorgenommen werden." Doch „ein Gutachten [...] reicht aus." Transsexuelle Menschen werden also immer noch als für zu dumm erachtet, selbst zu wissen, welchem Geschlecht sie zugehören – oder für zu sehr verrückt. Auch wissenschaftliche Tatsachen werden geleugnet: „Die Ursachen [für Transsexualität] sind unklar, […]  diese Menschen [...] haben ein Problem mit  ihrer Identität.“

Es überrascht uns, dass Volker Beck (Grüne) eine derart schlechte Rede zu Protokoll gegeben hat. Transsexuelle Menschen sind für ihn „Menschen [...], die sich im falschen Körper geboren fühlen [sic!], die dem anderen biologischen Geschlecht[sic!] angehören wollen [sic!].“ Er scheint transsexuelle Menschen nur aus dem Privatfernsehen zu kennen und seine eigenen Vorurteile zu lieben. Mit der Behauptung, es gäbe ein eindeutig biologisch bestimmbares Geschlecht, zeigt er zudem, dass er mehr an eine stereotype Ken-und-Barbie-Realität glaubt, als an die Vielfalt der Menschen und der Geschlechter.
Zum Schluss seiner Rede schafft er es dann aber doch noch, auf den Gesetzentwurf der Grünen einzugehen: "Wir wollen die Änderung des Vornamens und der Geschlechtszugehörigkeit nur vom erklärten Willen der Betroffenen abhängig machen. Eine medizinische Überprüfung entfällt. […] Wir wollen […], dass sich der Staat aus der […] geschlechtlichen Selbstbestimmung, zurückzieht und geben das Primat dem wahren Geschlechtsempfinden, über das nur das Individuum Auskunft geben kann."

Barbara Höll (Die Linke) zitiert in ihrer Rede im Bundestag zunächst Erlebnisse Betroffener. Sie scheint die einzige Rednerin zu sein, die sich tatsächlich mit den Problemen transsexueller und intersexueller Menschen beschäftigt hat. Zum Antrag der Linken äußert Frau Höll: "Die Linke begrüßt den Gesetzentwurf der Grünen. Allerdings geht unser Antrag, der Ihnen hier vorliegt, weiter. Wir wollen das Transsexuellengesetz aufheben. Wir wollen das Personenstands- und Vornamensrecht und die dementsprechenden Verwaltungsvorschriften dahin gehend reformieren, dass Transsexuelle, Intersexuelle und Transgender im Recht berücksichtigt sind. [...] Wir fordern keine Operation an Intersexuellen vor der Einwilligungsfähigkeit. Wir fordern umfangreiche Unterstützung für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle. Wir fordern die Erweiterung der Möglichkeiten des Geschlechtseintrags, damit Transsexuelle, Intersexuelle und Transgender berücksichtigt werden."

An dem Antrag der Linken "Sexuelle Menschenrechte für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle gewährleisten – Transsexuellengesetz aufheben" gibt es aus unserer Sicht wenig auszusetzen. Diesen Antrag können wir unterstützen, auch wenn uns einige Formulierungen in der Begründung nicht gefallen, aber die angestrebten gesetzlichen Änderungen sind menschenrechtskonform und gestehen allen Menschen die gleiche Würde und das gleiche Recht vor dem Gesetz zu.

Schluss:
Letztlich werden transsexuelle Menschen als das, was sie sind, von fast allen Bundestagsabgeordneten nicht anerkannt. Eine Intelligenz wird ihnen abgesprochen und ein „eindeutiges Geschlecht“ zugesprochen. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden nach wie vor zwanghaft geleugnet. Lediglich Frau Höll weist auf die tatsächlichen Probleme hin, bei allen anderen scheinen Vorurteile und mangelnde Bereitschaft, mit transsexuellen oder intersexuellen Menschen zu sprechen, zu überwiegen – doch das Gegenteil wird behauptet. Eine sehr unglaubwürdige Veranstaltung (das Video dazu gibt es hier).

Berücksichtigt man, dass die Vereinten Nationen hier – zuletzt im Mai bei der Sozialpaktsession – mehrfach darauf hingewiesen hat, dass Deutschland mit dem Transsexuellengesetz und seiner Haltung gegenüber transsexuellen Menschen allgemein gegen internationales Menschenrecht verstößt, können wir die deutsche Politik hier nur als traurig bezeichnen. Die Reden zeigen zudem, dass transsexuelle Menschen verstärkt ihre Rechte einfordern müssen, wenn sich etwas bewegen soll.

Zumindest bei den Vereinten Nation

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Doch nun muss dieses Bewusstsein unserer Probleme auch nach Deutschland gelangen. Helft uns dabei!


Anhang (Links):

Der Antrag der Linken "Sexuelle Menschenrechte für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle gewährleisten

Der Gesetzentwurf der Grünen „Entwurf eines Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der  Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG) “

 Das Plenarprotokoll mit den zu Protokoll gegebenen Reden