Falls Medienvertreter hier vorbeischauen

Ein offener Brief. Lieber Medienvertreter. Nein, es ist nicht ok, wenn man so tut, als ginge es bei Transsexualität um "Gechlechtsumwandlungen". Es ist auch nicht ok, alles was bestimmte Lobbygruppen einem erzählen über ach-so-bunten Diagnosen wie "Gender Dysphorie" einfach mal so ungefragt zu übernehmen. Es ist auch nicht ok, wenn man wissenschaftliche Tatsachen über die Bandbreite von dem was die Biologie an geschlechtlicher Vielfalt mitbringt einfach zu ignorieren und die alten Klischees über "Männer ,die mal Frauen waren" oder "Frauen, die mal Männer waren" zu verbreiten. Es ist auch nicht in Ordnung, wenn Kritik an solchen Sichtweisen unterschlagen wird und so getan wird, als gäbe es diese nicht.

ATME, also die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. ist eine Menschenrechtsorganisation. Eine unserer Aufgaben ist es, strukturelle und gesellschaftliche Ungleichbehandlung zu thematisieren und sie zu dokumentieren. Zu dieser Dokumentation gehört auch der Nachweis. In unseren Menschenrechtsberichten an die Vereinten Nationen werden Sie zahlreiche Nachweise über die Ungleichbehandlung von "transsexuell" oder "intersexuell" gelabelten Menschen finden. Die Berichte sind öffentlich. Man kann sie bei den Vereinten Nationen finden (unter den jeweiligen Sessions zu Abkommen wie CEDAW, dem Frauenrechtsabkommen, zum Sozialpakt, zum UPR, zum Antifolterabkommen, etc.). Sie sind auch auf der Seite des Deutschen Instituts für Menschenrechte verlinkt.

Wir schlagen vor, dass Sie sich mal die Mühe machen, und diese Dokumente lesen und versuchen nachzuvollziehen, was daran falsch ist, wenn die einen Menschen per medizinischer und/oder psychiatrischer Definition als geschlechtlich "wahrer" gelten sollten, als die anderen Menschen. Wenn Medienvertreter der Ansicht sind, dass es legitim ist, einem Menschen, der sich sein geschlechtliches Wissen über sich Selbst mit seinem "Coming Out" eingesteht dadurch in Abrede zu stellen indem man beispielsweise hinter Sätzen wie "ich bin ein Mädchen"/"ich bin eine Frau" dann ein "Dieser Junge fühlt sich als Mädchen" oder ein "dieser Mann hat eine weibliche Geschlechtsidentität" hinterherschiebt, dann antworten wir darauf: Es mag zwar Menschen geben, die das so sehen - es gibt aber auch andere Menschen, die das kriitisieren und ihre Kritik auch fachlich begründen können. Einseitig wird es, wenn die Kritik an diskriminierenden Weltanschauungen unterschlagen wird, obwohl es sie gibt.

Medien haben vorallem auch die Aufgabe nicht nur im Sinne einer PR für bestimmte Weltanschauungen zu funktionieren (das was ein ehemaliger Tagesthemen-Moderator mal als "gemein machen mit einer Sache" kritisiert hatte), sondern haben - zumindest unseres Verständnisses nach - die Pflicht auch diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die eine Kritik an Sichtweisen anmelden, die dazu geeignet sind, Menschen auf Grund ihres geschlechtlichen So-Seins ungleich behandeln zu können, oder ihnen die fundamentalen Menschenrechte zu verweigern.

Sie finden hier auf der ATME-Seite in der rechten Spalte zwei Menschenrechtsberichte zum Thema. Lesen Sie genau, was da drin steht. Und wenn Sie der Ansicht sind, dass Kritik an geschlechtlichen Zuweisungspraktiken gerechtfertig ist, dann können sie sich gerne an uns wenden.

Anbei eine Antwort an das Schreiben des Presserates:

Sehr geehrte Frau Kremer,

herzlichen Dank für ihre Nachricht. In dem Jahresbericht ist nur ein Fehler enthalten. Insofern die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. mit folgendem gemeint ist, so wäre dies falsch:

"Sie verbinden hiermit eine grundsätzliche Kritik am gesellschaftlichen Umgang mit Transsexualität und an der vorherrschenden Einteilung von Mann und Frau über biologische Geschlechtsmerkmale."

Genau darum geht es gerade nicht. Wir weisen in unseren Menschenrechtsberichten regelmässig darauf hin, dass transsexuelle Menschen nicht un-biologisch sind, wie das heute noch von grossen Teilen der Psycho-Sexologie behauptet wird (ähnlich wie bei Homosexualität bis Anfang der 70er Jahre), sondern die Bandbreite von Geschlecht per Definition künstlich klein gehalten wird um diejenigen, die zu dieser Definition per Geburt nicht passen wollen, gegenüber anderen Menschen strukturell und gesellschaftlich abzuwerten und diese dann derart benachteiligt werden, dass daraus Menschenrechtsverletzungen werden (Genitale Verstümmelungspraktiken oder Psychopathologisierung unter Labeln wie "Gender Dysphorie" oder "Gender Identity Disorder).

Der Jahresbericht verwundert uns da ebenso, wie die Reaktionen des Presserates bezüglich unser Beschwerden. Offenbar ist das Thema "Geschlechtliche Vielfalt" doch nicht so ganz einfach zu begreifen. Wer aber sind diejenigen, die das Thema begreiflicher machen könnten? Sind es nicht gerade Medien?

Seidem sich der Presserat derart geäussert hat, hat die transphobe Berichterstattung (leider) noch zugenommen.

Auch die Aussage "2011 und 2012 erreichten die Selbstkontrolle keine zu diesem Thema" können wir nicht so ganz nachvollziehen. Erklären Sie uns das bitte.

Da wir den Eindruck haben, dass der Presserat kein Interesse zeigt, sich mit dem Thema der Marginalisierung von Menschen, die von stereotypen Geschlechternormen qua Geburt abweichen, zu beschäftigen und wenig Selbsteinsicht in Sachen "diskriminierungsfreier Sprache" vorhanden ist - von Sprachvorschriften war nie die Rede, sondern wir kritisieren die einseitige Berichterstattung, die psychopathologisierende Weltanschauungen präferiert und die Kritik an fremdbestimmenden und sensationslüsternden Perspektiven auf das Thema unterschlägt - sammelten wir in letzter Zeit nur noch die Artikel. Wir sind mittlerweile der Ansicht, dass die Analyse der diskriminierenden Perspektive auf Menschen, die von geschlechtlichen Normen abweichen, en Block mehr Sinn ergibt und andere Institutionen, die eine Sensibilität hinsichtlich Fremdbestimmung besitzen, möglicherweise dann mehr damit anfangen können.

Bitte leiten sie die Richtigstellung doch an die Damen und Herren weiter, die das falsch in den Bericht aufgenommen haben.

Mit freundlichen Grüssen,

Kim Anja Schicklang
Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V.
ATME e.V.


> Sehr geehrte Frau Schicklang,
>
> anbei sende ich Ihnen zu Ihrer Information die Pressemitteilung des Presserats vom heutigen Tage.
>
> Bei der Jahrespressekonferenz haben unsere Sprecherin und unser Geschäftsführer unter anderem auch auf einen sensiblen Umgang bei der Berichterstattung zu Transsexualität hingewiesen. Mehr dazu finden Sie in unserem Jahresbericht unter www.presserat.de
>
> Mit freundlichen Grüßen
>
>
> Edda Kremer
> Referentin Öffentlichkeitsarbeit

> DEUTSCHER PRESSERAT
> Hausanschrift: Fritschestraße 27-28, 10585 Berlin
> Postanschrift: Postfach 10 05 49, 10565 Berlin
>
> Tel.: 030/367007-13
> Fax: 030/367007-20
> Internet: www.presserat.de

Nachtrag:

Uns ist da gerade noch etwas eingefallen. Falls Sie der Ansicht sind, dass es legitim ist, Menschen die von geschlechtlichen Normen abweichen, deswegen als widernatürlich und als Menschen, die sich nur "so fühlen" darzustellen, weil es "Betroffene" gibt, die sich so darstellen kassen... Ein Hinweis: Es gab auch vor dem Frauenwahlrecht Frauen.

Intersex - Ohne Rassismus geht alles besser

In Baden-Württemberg läuft sei einiger Zeit die Erarbeitung des Aktionsplans für Akzeptanz und gleiche Rechte. Menschen, die permanent darauf hinweisen, auch trans- und intersexuelle Menschen zu berücksichtigen, haben es nicht immer leicht. Auszuhalten sind vorallem ignorantes Verhalten, Vereinnahmung und vorallem Lobbyismus. Eine dieser Lobbygruppen ist zwischengeschlecht.org, ein Verein der gute Arbeit macht, aber es nicht lassen kann, geschlechtliche Rassismen in die Welt zu setzen. Wir bedauern das. Diese Lobbygruppe hat sich nun in Sachen Baden-Württemberg zu Wort gemeldet: Mit einem Bericht der wichtig ist. Wären da nicht die üblichen Unterstellungen und Falschbehauptungen gegen transsexuelle Menschen. Hier ein offener Brief.
 
Liebe Leute von zwischengeschlecht.org,

ihr habt da einen wichtigen Bericht verfasst. Aber er enthält leider ein paar Seiten, die unwahr sind oder Transsexualität so darstellt, wie das Leute, die transsexuelle Menschen unsichtbar machen wollen, gerne hätten. Wir finden Eure Arbeit echt wichtig, aber es wäre schön, wenn ihr es lassen könntet, die Menschen, die auf Eurer Seite stehen schlecht zu machen oder in einem falschen Licht darzustellen.

1. Es gibt intersexuelle Mitglieder bei ATME

Wenn man in der Lage ist, Geschlecht nicht als Schbulade zu betrachten, wird einem schnell klar werden, dass geschlechtliche Normabweichungen in Wirklichkeit eine Sache der Übergänge sind. "Intersexualität", "Transsexualität" und sogar "Homosexualität" sind in erster Linie Definitionen, keine Frage von einer Art "Menschenrassen". Dennoch: Es gibt auch ATME-Mitglieder die als intersexuell diagnostiziert wurden. Manche von ihnen schweigen auf Grund des geschlechtlichlichen Rassismus, den wir gerade angesprochen haben.

2. Dass Intersexualität in BW überhaupt behandelt wird, habt ihr Mitgliedern von ATME zu verdanken

Auch wir ärgern uns darüber, dass Trans- und Intersexualität häufig als Identitäts-Problem dargestellt wird und die Thesen der Money-Jünger sich immer mehr verbreiten. Geschlechtliche Viefalt ist für uns keine Erfindung und es existieren Menschen, die nicht zu Weltbildern passen wollen. Menschenrechtsverbrechen gibt es überall dort, wo genau der umgekehrte Ansatz verfolgt wird, wenn Menschen den Ideologien angepasst werden sollen.

Hier ein Ausschnitt der Mail von ATME e.V. vom 1. November 2013:

"Für trans und intersexuelle Menschen ist die Umfrage nicht beantwortbar und ungünstig. Die Trennung nach sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität ist nicht geeignet die spezifischen Probleme trans- und intersexueller Menschen zu erfassen. Bei Transsexualität fehlen fragen zum Ernstgenommen werden in seinem eigentlichen Geburtsgeschlecht, von dem körperliche Merkmale abweichen, bei Intersexualität fehlt der ganze Themenblock der körperlichen Zwangsmassnahmen (wie Verstümmelungs-OPs nach der Geburt). Bei Transsexualität fehlen die Fragen nach traumatischen Erlebnissen, die auf Grund der Fehlannahme basieren, dass es hier um Identität ginge.
Einen Fragebogen online zu stellen, bei dem von vornherein weiterer Missbrauch getriggert wird, indem wieder von "Identität" die Rede ist, ist sehr schmerzvoll und man bekommt den Eindruck, dass derjenige, der den Fragebogen erstellt hat nichts von Inter- und Transsexualität verstanden hat bzw. sich noch nicht einmal über die Pathologiserungs- und Fremdbestimmungsproblematik bewusst ist.

Der Teil für trans- und intersexuelle Menschen sollte komplett neu erstellt werden. Am Besten mit Zusammenarbeit mit Vereinen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen an transsexuellen und intersexuellen Menschen auskennen."

3. Die Broschüre des LSBTTIQ-Netzwerks

Auch wir haben uns darüber geärgert, dass in der Broschüre des Netzwerks die zentralen Forderungen fehlen. Zudem erinnern wir die Landesregierung in regelmässigen Abständen daran, dass trans- und intersexuelle Menschen stärker beteiligt werden sollen.

Ausschnitt einer Mail vom 13.01.2014

"Sehr geehrter Minister Stoch, sehr geehrte Damen und Herren, wir gewinnen den Eindruck, dass trans- und intersexuelle Menschen nicht an den Überlegungen zum Bildungsplan 2015 in Baden-Württemberg beteiligt worden sind. Daher möchten wir Ihnen auf diesem Weg mitteilen, was im „Arbeitspapier für die Hand der Bildungsplankomissionen als Grundlage und Orienterung zur Verankerung der Leitprinzipien“ falsch ist und wo aus menschenrechtlicher Sicht Nachbesserungsbedarf besteht:

[...]

Auch Intersexualität hat primär nichts mit Identität zu tun, sondern mit körperlichen Merkmalen die als „undeutig“ gelten und der damit verbundenen Folgen wie Genitalverstümmelungen im Baby- und Kindesalter um die Genitalien zu ver“eindeutigen“."

Ausgehende Mail vom 10.01.2014

"... gleichzeitig aber möchten wir Sie darauf hinweisen, dass es äusserst fragwürdig ist, Transsexualität (und insbesondere auch Intersexualität) als "Identität" zu verstehen. Menschen, die geschlechtlich von einer stereotypen Geschlechternorm abweichen brauchen sich nicht erst zu identifizieren, sondern tun dies manchmal auch bereits deswegen weil sie die Menschen sind, die sie sind. "

Zugegeben würden wir uns wünschen, wenn man vom Land Baden-Württemberg ab und an auch mal Antworten auf diese Mails erhalten würde. Noch besser wäre es aber, wenn Vertreter der Landeregierung nicht regelmässig Signale aussenden würden, die man als "Ignoranz" auffassen kann. Dazu gehören auch Sätze wie den von Frau Altpeter:

„Mit dem Aktionsplan will die Landesregierung nach wie vor bestehende Diskriminierungen gegenüber nicht-heterosexuellen Menschen abbauen und Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt machen“
(Aus einer Pressemitteiliung zum Beteiligungsworkshop des Landes)
 
Übrigens, in der Broschüre des LSBTTIQ-Netzwerks ist auch die wichtigste Forderung "transsexueller" Menschen nicht enthalten: Die Abschaffung der Psychopathologisierung, die auf "Gender Dysphorie"-Thesen und dergleichen basiert. Das haben die Verfasser Broschüre ebenso ausgespart.

Eine Bitte:

Wenn ihr damit aufhören würdet, permanent transsexuelle Menschen als das darzustellen, das sie nach Ansicht von John Money und co sein sollen, nämlich biologisch nicht-existent und Menschen, deren Identität vom "biologischen Geschlecht" abweichten ("Gender Dysphorie") , wenn ihr es beenden würdet, mit Teilen der Weltanschauung, zu argumentieren, gegen den sich ja eure Hauptkritik richtet... dann wäre das ein grosser Schritt in die richtige Richtung.

Es mag sein, dass zwischengeschlecht.org zu diesem Schritt nicht in der Lage ist, was wir wirklich schade finden würden, da Menschen, die auf Grund dessen, dass diese von Normen abweichen und als unpassend erachtet/kategorisiert/schubladisiert und medizinisch diganostiziert werden, heute schon weiter sein könnten, wenn diese Menschen begreifen würden, dass es vorallem diese geschlechtlichen Rassismen sind, die Grund dafür sind, warum geschlechtlich zugewiesen und Menschen angepasst werden.

Wir werden hier dennoch einen Link zu eurer Broschüre anbringen. Selbst dann, wenn ihr der Rassismus gegen transsexuelle Menschen wieder einmal nicht sein lassen konntet. Wir hoffen, dass der aufmerksame Mensch in der Lage ist, die 95 Prozent der Seiten, auf denen wichtiges und richtiges steht, von den 5 Prozent Hass und Menschenverachtung in eurer Veröffentlichung zu unterscheiden.
 
Danke für's Berücksichtigen,
ATME e.V.