Transsexualität ist keine psychische Störung!

Appell an die Vereinten Nationen, die WHO und die Staaten der Welt

300 Organisationen aus 75 Ländern, viele Einzelpersonen, einschließlich 3 Nobelpreisträgern, haben den internationalen Aufruf „Transphobie zurückweisen, Geschlechtsidentität respektieren:
Ein Appell an die Vereinten Nationen, die Weltgesundheitsorganisation und die Staaten der Welt“ bereits unterzeichnet. Zu den bekanntesten Unterzeichnern zählen: Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, Judith Butler, Jacques Delors, der ehemalige Präsident der EG-Kommission, sowie Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek

„Die fundamentalen Menschenrechte von Transmenschen werden in allen Nationen ignoriert oder geleugnet – sei es aus Unkenntnis, Vorurteilen, Furcht oder Hass heraus. Transmenschen sehen sich mit täglicher Diskriminierung auf überwältigender Weise konfrontiert, die zu sozialem Ausschluss, Armut, schlechter Gesundheitsversorgung und geringen Aussichten auf eine ihrer Ausbildung entsprechenden Arbeit führt.“ heißt es in dem Aufruf.

Weiterlesen

Die Würde des Menschen

(Aus: Peter Schaber, Der Anspruch auf Selbstachtung, Auszüge (leicht verändert von C.S.)

In der von 170 Staaten unterzeichneten Erklärung der zweiten internationalen Menschenrechtskonferenz, die 1993 in Wien stattfand, liest man: "that all human rights derive from the dignity and worth inherent in the human person ..."
Demnach haben Menschen bestimmte Rechte, weil sie Würde haben. Diese Verwendungsweise unterscheidet zwischen der Würde einerseits und den Menschenrechten andererseits. Würde ist nicht gleich Menschenrecht, sondern wird als etwas verstanden, das die Menschenrechte begründet: Rechte haben wir nicht, weil wir Rechte haben, oder weil wir Menschen sind, sondern Rechte haben wir, weil wir Würde haben.
Dabei handelt es sich bei der Würde von Personen um den Anspruch, die Bedingungen der Selbstachtung gesichert zu haben. Dieser Anspruch auf gesicherte Bedingungen der Selbstachtung ist der Anspruch, aus dem sich die moralischen Rechte von Personen herleiten lassen.


1. Würde als ein zu achtender Anspruch

Die Würde, um die es im folgenden gehen wird, ist das, was man als inhärente Würde bezeichnen könnte. Die (inhärente) Würde ist also eine Eigenschaft, die notwendigerweise zu einem Menschen dazugehört. Diese Form der Würde muss man von kontingenter Würde unterscheiden. Von der inhärenten, der zu einem Menschen gehörenden, Würde ist die Rede im Grundgesetz, wenn es heißt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" oder in der Präambel der UNO-Menschenrechtsdeklaration, wo von der "inherent dignity of all members of the human family" die Rede ist. Die inhärente Würde zeichnet sich dadurch aus, dass man sie weder erwerben, noch verlieren und ebenso wenig wiedergewinnen kann.

Die kontingente Würde hingegen kann erworben, verloren und wiedererlangt werden. Dabei gibt es unterschiedliche Formen der kontingenten Würde: Die soziale Würde, die von sozialen Funktionen abhängt, beispielsweise die Würde des Bischofs oder der Richterin, die den betroffenen Person als Amtsträgern zukommt. Die expressive Würde, die sich auf das Verhalten von Menschen bezieht. Sie ist gemeint, wenn wir sagen: er hat die Niederlage mit Würde ertragen. Und schließlich gibt es auch eine ästhetische Würde, von der man spricht, wenn man von der würdevollen Bewegung einer Person redet.

Im Unterschied zu diesen kontingenten Würdeformen kann die inhärente Würde einer Person verletzt werden. Dass die Würde verletzt werden kann, macht etwa die Formulierung des Grundgesetzes, "die Würde SEI unantastbar" deutlich. Diese Formulierung unterstellt, dass Würde etwas ist, das angetastet werden kann. Normativ relevante Eigenschaften wie die Fähigkeit, Schmerzen empfinden zu können, sind dagegen nicht antastbar. Auch wenn ich einem anderen Menschen Schmerzen zufüge - was selbstverständlich möglich ist - habe ich damit nicht die Eigenschaft, Schmerzen empfinden zu können, verletzt. Verletzt oder angetastet werden vielmehr Ansprüche oder Rechte. Und genau dies tut jemand, der die Würde einer anderen Person verletzt; er verletzt einen Anspruch, den Personen anderen gegenüber legitimerweise geltend machen können.


2. Authentischer Wille

Würde kann man auch als den Anspruch verstehen, als ein sich selbst bestimmendes, autonomes Wesen von den andern geachtet zu werden. In seiner Autonomie geachtet zu werden, heißt, in einer Weise behandelt zu werden, der man zustimmt oder zustimmen würde, wenn man danach gefragt würde. Und der Anspruch der Würde ist dann der Anspruch, von anderen in einer Weise behandelt zu werden, zu der ich jeweils meine Zustimmung gebe oder geben könnte.

Wieso ist die Einwilligung - die faktische oder hypothetische - einer Person im Blick auf die Achtung ihrer Würde wichtig? Die Einwilligung ist der Ausdruck des Willens der Person. Achtung vor der Würde scheint insofern die Achtung vor dem zu sein, was eine Person will. Und das ist es, so könnte man sagen, worum es bei dem Würdeanspruch geht: Die andere Person in ihrem Wollen ernst zu nehmen.

Das Wollen muss jedoch ein Wollen sein, von dem wir sagen können: Es ist ihr Wollen. Das schließt beispielsweise jenes Wollen aus, das Resultat von Zwang, Gewalt, Manipulation und Täuschung ist. Ebenso ausgeschlossen ist ein Wollen, das sich wesentlich dem Einfluss von Drogen oder übermässigen Alkoholkonsum verdankt.

Der Anspruch, der mit der Würde gemeint ist, ist der Anspruch auf Achtung des authentischen Willens einer Person. Der Wille ist also insofern zu achten, als er erstens authentisch ist und zweitens die Rechte anderer nicht beeinträchtigt.



3. Der Anspruch auf Selbstachtung

Der Anspruch, der mit dem Begriff der inhärenten Würde gemeint ist, ist auch ein Anspruch darauf, von den anderen in der eigenen authentischen Lebensgestaltung geachtet zu werden, sofern diese nicht die Rechte anderer Personen tangiert.

Mit der Würde ist der Anspruch verknüpft, als Person respektiert zu werden. Ich verstehe darunter den Anspruch, als eigenständiges Wesen anerkannt zu werden, als ein Wesen, welches das Recht hat, ein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu führen. Ein solches Leben führen zu können, heißt, sich selber achten zu können. Würde ist insofern mit dem Anspruch auf Selbstachtung verbunden. Es geht dabei um Selbstachtung im Sinne der Wahrnehmung des Rechts, ein eigenes Leben führen zu können.

Dieser Anspruch auf Selbstachtung wird paradigmatisch z.B. durch die Folter verletzt. Was die Folter zu einem Paradigma der Verletzung menschlicher Würde macht, ist nicht die Tatsache, dass dem jeweiligen Opfer Schmerzen zugefügt werden, sondern dass es erniedrigt wird. Genau darin besteht die Würdeverletzung. Jemanden zu erniedrigen heißt ihn zu entwürdigen. Dabei beinhaltet die Erniedrigung eine Verletzung der Selbstachtung. Jemand wird erniedrigt, wenn er in seinem Anspruch, ein eigenständiges Wesen zu sein, verletzt wird. Diese Erniedrigung kann das Ergebnis des absichtsvollen Handelns von Personen sein, sie kann allerdings auch ebenso gut strukturelle Ursachen haben, wie das beispielsweise bei einem Leben in absoluter Armut der Fall ist. In absoluter Armut sind Menschen nicht in der Lage, ihr eigenes Leben zu führen.

Ein Leben in Würde ist ein Leben, in dem mein Anspruch auf Selbstachtung realisiert ist. Die Art und Weise, wie andere sich mir gegenüber verhalten, sowie die Umstände, in denen ich mich befinde, müssen so beschaffen sein, das ich mich selbst achten kann.

Doch die Achtung vor der Würde der Person bedeutet auch, dass ich mich selbst nicht entwürdigen soll. Die Würde ist mit dem Anspruch verbunden, nicht erniedrigt zu werden und sich selbst nicht zu erniedrigen. Wir sollten einen Willen nicht achten, der die Selbstachtung der zu achtenden Person untergräbt. Und dies selbst dann nicht, wenn dieser Wille authentisch ist. Wer sich selbst versklavt, erniedrigt sich, unabhängig davon, dass er dabei zusätzlich auch noch von anderen erniedrigt wird.

Die Achtung vor der Würde hat ihre Grenze an der Selbstschädigung jedoch nur insofern, als diese die Würde des Menschen verletzt und jemand sich in einer erniedrigenden Weise selbst schädigt. Das ist der Grund, warum freiwillige Selbstversklavung nicht geachtet werden sollte, und dies gilt gleichermaßen für alle anderen Formen der Selbsterniedrigung. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" nicht bloß in der anderen, sondern auch in der eigenen Person. Wer mich freiwillig darum bittet, ihn zu erniedrigen, liefert mir keinen Grund, ihn erniedrigen zu dürfen. Die Würde ist unantastbar, auch wenn jemand ihre „Antastung" erbittet. Die Würde des anderen ist für mich absolute Pflicht. Und damit meine ich: Ihre Achtung ist an keine Bedingungen geknüpft. Was mich verpflichtet, andere nicht zu erniedrigen, ist nicht ihr Wunsch oder ihr Interesse, sondern nichts anderes als ihre Würde.

Nicht bloß die Würde des anderen, sondern auch die eigenen Würde ist unantastbar. Wenn die Würde des anderen mich verpflichtet, dann verpflichtet mich auch die eigene Würde. Denn Würde ist nichts Individuelles: Die Würde meiner Person ist keine andere als die Würde einer anderen Person. Entsprechend sind wir der Würde aller Personen in gleicher Weise verpflichtet. Wenn ich diese Ansprüche anderer nie verletzen darf, dann gilt dies auch für die eigenen Ansprüche; dann darf ich auch meine eigene Würde nie zur Disposition stellen.

Dabei gilt nicht, dass ich mich selbst auf meine Würde verpflichte. Wäre dies der Fall, könnte ich mich von dieser Pflicht jederzeit befreien. Doch diese Verfügungsmacht habe ich nicht. Es ist vielmehr die Würde, die mich verpflichtet, und die ist unverfügbar, auch für mich selbst. Ich bin meiner eigenen Würde verpflichtet.


5. Selbstachtung und moralische Rechte

Wenn dies alles zutrifft, ist die inhärente Würde der Anspruch einer Person auf Selbstachtung. Und ich glaube, dass sich aus eben diesem Anspruch die Rechte von Personen (erst) ergeben. Der Anspruch auf Selbstachtung begründet die Rechte, die Personen legitimerweise geltend machen können. Der Würdeanspruch, d.h. der Anspruch auf Selbstachtung, ist ein Anspruch auf die Bedingungen, unter denen man sich selbst achten kann; es ist ein Anspruch auf die Sicherung und Gewährleistung, die Bereitstellung und Bewahrung der Bedingungen, die es mir (und anderen) ermöglichen, sich selbst zu achten.

Würde ist nicht einfach ein anderes Wort für moralische Rechte oder Menschenrechte. Sie ist der Anspruch auf Selbstachtung, aus dem sich die moralischen Rechte von Personen, wie etwa das Recht, von anderen nicht erniedrigt oder gefoltert zu werden oder ein Leben in absoluter Armut leben zu müssen, ergeben. Es geht dabei darum, Personen als eigenständige Wesen anzuerkennen.

Die erwähnten Rechte sind dem Anspruch auf Selbstachtung direkt zugeordnet. Ihre Verletzung ist eine direkte Verletzung der Selbstachtung. Sie sind im Anspruch auf Selbstachtung begründet: Wir haben das Recht, nicht erniedrigt zu werden, weil wir ein Recht darauf haben, als eigenständige Wesen anerkannt zu werden. Dieses Recht ist ein Recht, das wir anderen, aber gleichzeitig auch dem Staat gegenüber geltend machen können. Und wenn wir unter Menschenrechten die Rechte verstehen, die legitime Ansprüche gegenüber dem Staat sind, ergeben sich aus der inhärenten Würde die Rechte der Selbstachtung als Menschenrechte.

In einem zweiten Schritt gehen aus dem Anspruch auf Selbstachtung die Rechte hervor, welche die Mittel schützen, die Personen brauchen, um ein Leben nach ihren eigenen Vorstellungen führen zu können. Zu diesen Rechten gehören Rechte wie das Recht auf Eigentum. Auch sie beruhen auf dem Anspruch auf Selbstachtung: Dem Anspruch, sein Leben nach eigenen Vorstellungen und das heißt nichts anderes als ein Leben in Würde führen zu können.



Alle Menschen sind Frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

 

 

 

Aus: Peter Schaber, Der Anspruch auf Selbstachtung, Auszug (leicht verändert), Originaldokument: http://www.ethik.uzh.ch/afe/publikationen/Schaber-Wuerde__Rechte.pdf