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Transsexuellenfeindlichkeit in den Medien. Beispiel: Tagesspiegel, Berlin.

Aus einem Artikel des Tagesspiegels, September 2017: "Frau-zu-Mann-Transsexueller ist rechtlich Mutter seines Kindes. Auch wenn ein Transsexueller vor der Geburt sein Geschlecht von Frau zu Mann hat ändern lassen, bleibt er rechtlich trotzdem Mutter seines Kindes. Das stellte der Bundesgerichtshof fest. [...] Ein Transsexueller ist rechtlich gesehen die Mutter eines von ihm geborenen Kindes."

Ein üblicher Artikel. Und weil er so üblich ist, fällt uns die Transsexuellenfeindlichkeit erst gar nicht auf. Dabei handelt es sich hier um ein journalistisches Beispiel für instituationalisierte Transphobie:

In der Überschrift wird ein Mann "Frau-zu-Mann-Transsexueller" genannt, darunter als "Transsexueller" bezeichnet, als jemand der "sein Geschlecht von Frau zu Mann hat ändern lassen".

Diese Nicht-Anerkennung des Geschlechts eines Menschen hält sich hartnäckig. Das Klischee von den Menschen, die sich irgendwie geschlechtlich anders fühlten, obwohl ihr Körper doch eindeutig sei, ist eine Anwendung gesellschaftlich verankerter Transsexuellenfeindlichkeit, die medial bis zum Erbrechen immer wieder auf Endlosschleife läuft.

Wir merken hier, wie die Presse immer noch damit arbeitet, nicht vom Geschlecht eines Menschen auszugehen, sondern von den Klischees, die über Menschen mit körperlichen Variationen existieren. Das ist Vorfärbung, um das ewiggestrige Stereotyp über Transsexualtät aufrecht zu erhalten.

Wie wäre es denn, wenn das Geschlecht einfach anerkannt würde? Daran zu erinnern wäre, dass es keinen Grund gibt, einen Mann, der rechtlich als Mann anerkannt ist, als "Frau-zu-Mann-Transsexuellen", "Transsexuellen" oder womöglich sogar als "Frau" zu bezeichnen. Es handelt sich um einen Mann. Also: Was würde denn passieren, wenn Medienleute ihre verinnerlichte Transsexuellenfeindlichkeit einmal abstreifen würden und einen Mann einfach nur "Mann" nennen würden?

Dann stünde da:

"Ein Mann ist rechtlich gesehen die Mutter eines von ihm geborenen Kindes. Das teilte der Bundesgerichtshof mit."

Manch' einer mag damit argumentieren, dass das dann ja absurd wäre. Eine Überschrift wie "Mann ist rechtlich die Mutter seines Kindes" würde doch sehr paradox klingen und man könne das doch dann den Lesern nicht zumuten. Unsere Antwort auf solche Ausreden: Doch, das kann man. Weil es die Realität ist. Das paradoxe und seltsame ist nämlich nicht, das Menschen sich zu ihrem Geschlecht äussern - das paradoxe und seltsame ist, dass es Ewiggestrige immer noch nicht verstehen und anerkennen können bzw. wollen, dass Körpermermale nicht immer einen Rückschluss auf das Geschlecht eines Menschen geben.

Die Konfliktlinie ist hier eindeutig: Es geht hier um die Frage, wer das Recht hat, sich zu seinem Geschlecht äussern zu dürfen und was stärker wiegt - das Wissen, das ein Mensch über sich hat, oder die (funktionale) Zuweisung von Aussen. Diese Frage ist aber längst Ende der 70er-Jahre beantwortet worden, als das Bundesverfassungsgericht damals dem Wissen, das Menschen über sich besitzen, einen grösseren Stellenwert eingeräumt hat.

Mit was haben wir es also zu tun? Mit einer aktiven Verweigerungshaltung, das Geschlecht eines Menschen anzuerkennen. Wer von "Frau-zu-Mann-Transsexueller" spricht, will das Geschlecht eines Mannes nicht als solches anerkennen. Es handelt sich um offene Transphobie.

Der Artikel:
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